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Deine Kollegin. Ein kurzer Leitfaden für Männer

Gerhard Winkler, www.jova-nova.com

Ein Gastbeitrag von Gerhard Winkler

Lies am Arbeitsplatz aus dem Geschlecht, dem Alter, dem Beziehungsstatus, der Kleidung, dem Auftreten, der Sprache, der Befindlichkeit oder den Körper-Signalen einer Person keine Einladung ab, ihr gegenüber anzüglich oder explizit zu werden.

  • Du verwechselst Deinen Job mit einer Ü-18-Party.
  • Du beziehst eine berufliche Freundlichkeit auf Deine sexuelle Attraktivität.
  • Du schreibst jemandem Deine eigenen Absichten zu.
  • Du beweist damit, dass Du die Zeichen nicht verstehst.
  • Du verkennst oder missachtest die Regeln für das Miteinander am Arbeitsplatz.
  • Du verletzt das Recht Deiner Kollegin auf Privatsphäre und auf ein ungestörtes Arbeiten.
  • Du nötigst eine Person, die sich Dich nicht ausgesucht hat, sich mit Deiner Zudringlichkeit, Deiner Körperlichkeit, Deiner sexuellen Not zu befassen.
  • Du hast Dich selbst nicht unter Kontrolle.
  • Du gefährdest in hohem Maß den Arbeits-frieden.
  • Du gefährdest Deinen Job.

Du fändest es sicher empörend, wenn ein Fremder in der Handtasche Deiner Kollegin wühlt. Wieso findest Du es normal, selbst in ihre Privatsphäre einzudringen?

Führ nicht an, dass man ja auch nein sagen kann. Dein Verhalten soll Kolleginnen gar nicht erst dazu veranlassen, nein sagen zu müssen.

Es macht die Sache auch nicht besser, wenn Du Dich brav zurückziehst, sobald Du merkst, dass Du eine Grenze überschritten hast. Kein Team braucht einen Grenzgänger.

Es sollte Dir vor allem zu denken geben, dass ausschließlich Männer behaupten, Frauen wollten so etwas hören.

Im Zweifelsfall ersetze alle Deine Rechtfertigungen, in denen der Ausdruck „ich als Mann“ vorkommt, durch „ich“. Du bist Du. Versteck Dich nicht hinter uns.

Testfragen

Nehmen wir an, dass Du es beim besten Willen nicht verstehst, wie Deine Rede die Kollegin so sehr provozieren konnte, dass sie mit Dir nicht mehr redet. Hier sind einige Fragen für Dich, falls Du etwas gesagt oder getan hast, das von Dir gar nicht so gemeint war und das Du selber immer noch ziemlich witzig und jedenfalls vollkommen harmlos findest:

  • Worauf begründet sich Deine Annahme, dass Du im Job als Privatperson dermaßen unwiderstehlich bist, dass andere wegen Dir den Kopf verlieren und ebenfalls ihre Jobpflichten vergessen?
  • Verhältst Du Dich so, dass man Dein Verhalten mit dem Handy filmen und der Welt vorführen kann?
  • Fändest Du es gut, wenn jemand für Deine Partnerin genau die schönen Worte findet, die Dir zu Deiner Kollegin eingefallen sind?
  • Würdest Du es der Kollegin auch dann sagen, wenn Deine Partnerin danebensteht?
  • Würdest Du auch einem Kollegen wortwörtlich dasselbe sagen?
  • Würdest Du es selbst akzeptieren, wenn ein Mann Dir körperlich auf die Pelle rückt?
  • Stell Dir vor, ein älterer Mann unterbreitet genau das, was Dir auf der Zunge lag, einem jungen Mädchen. Mit dem gleichen provozierenden Grinsen, das Du fürs Anbaggern reservierst. Wie würdest Du da als Zeuge reagieren?
  • Und wieso ist das dann etwas völlig anderes, wenn Du es bist, der diese Ansage gegenüber Deiner Kollegin macht?
  • Willst Du Deiner Kollegin im Grunde nur zeigen, wer hier der Stärkere ist?
  • Fühlst Du Dich von ihr irgendwie bedroht?
  • Willst Du ihr klarmachen, wer hier die Hosen anhat?
  • Warum tust Du dann so, als lässt Du die Hosen gleich herunter?
  • Und was macht Dich so sicher, dass der Anblick Deines angeschwollenen Egos die Kollegin weit mehr beeindruckt als Deine Job-Performance?

Falls Du bis heute Deine körperliche Überlegenheit oder Deine Stellung als Vorgesetzter, Ausbilder oder Vertrauensperson einsetzt, um Gefälligkeiten zu erpressen und Du Dir immer noch vor dem Spiegel in die Augen schauen kannst: Dein Vater ist damit durchgekommen. Deine Chefs kommen vielleicht damit noch durch. Bei Dir bin ich mir nicht mehr so sicher. 
Verhalte Dich so am Arbeitsplatz

  • Fasse Deine Kollegin nicht (unnötig) an.
  • Komm ihr körperlich nicht zu nahe.
  • Bau Dich nicht bedrohlich vor ihr auf.
  • Bedränge sie nicht.
  • Starre sie nicht an.
  • Thematisiere nicht ihre körperlichen Vorzüge und Eigenschaften.
  • Kommentiere nicht die Wirkung ihres Verhaltens, ihres Outfits, ihres Körpers auf Dich.
  • Mach keine expliziten oder zweideutigen sexuellen Anspielungen.
  • Rede nicht witzig oder geistreich oder auskennerisch über Sex.
  • Rede gar nicht über Sex.
  • Fordere keine Stellungnahme zu sexuellen, intimen, privaten Themen ein.
  • Zeig Deiner Kollegin keine Videos, Fotos, Zeichnungen, Texte sexueller Natur.
  • Droh ihr nicht mit Sanktionen, wenn sie Dich nicht  gewähren lässt.
  • Versprich ihr keine Vorteile, wenn sie sich auf Dich einlässt.
  • Mach sie nicht an. Flirte nicht mit ihr.

Immer, wenn Du denkst, Spaß muss auch sein, verkennst Du, dass Du nicht bezahlt wirst, um Deine Kolleginnen zu bespaßen.

Immer, wenn Du denkst, Du hast die Situation voll unter Kontrolle, hast Du Dich selbst längst nicht mehr unter Kontrolle.

Immer wenn Du denkst, es ist doch schön, (gemeinsam) den Kopf zu verlieren, vergisst Du, dass Dein Kopf dafür rollen wird.

Karriere braucht Mumm, aber sie braucht keine Eier. Lern von den Frauen. Schalte Deinen Kopf ein.
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28. Januar 2013, Gerhard Winkler

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