Ein Gastbeitrag von Udo Wirth.

Udo Wirth
Udo Wirth

München. Die Situation am High-Tech-Arbeitsmarkt nach der Krise: Gemäß Medienbe­richten, Regierungsmeldungen und Aussagen sogenannter Experten ist die Krise vorbei. Wir leben wieder und weiter in unserem gewohnten Wohlstand, das heißt Wachstumszahlen aller Orten, Konsumlaune, Rück­gang der Arbeitslosigkeit und „Mangel an Fachkräften“ usw. wie gehabt.

Wirkt sich dieses Szenario auf das Geschehen am Arbeitsmarkt aus?


Bei der Beantwortung dieser Frage beschränke ich mich auf das High-Tech-Umfeld, denn vor allem hier wird das Thema „Mangel an Fachkräften bzw. pezialisten“ derzeit von allen Seiten wieder ins Gespräch gebracht. Allerdings – und das haben wir in vielen Gesprächen während der letzten zwei Jahre in unserem Klientenkreis häufig betont – ist das Thema nicht neu. Der Mangel bestand auch in der Krise und wird nun natürlich, da Bewerber dieser Couleur stark gesucht werden, wieder extrem deutlich. Die jahrzehntelangen Defizite in der Bildungspolitik vor allem in naturwissen­schaftlichen Bereichen werden uns noch viele Jahre Sorgen bereiten. Doch zurück zum High-Tech-Arbeits­markt und wie sich in der „vermeintlichen“ Boomphase die hier agierenden Parteien verhalten:

Boomsituation 1: Aufsaugen und Verwöhnen

Vor allem größere Unternehmen beginnen wieder, „staubsaugermäßig“ Bewerber, insbesondere Jungingenieure, mit überzogenen Gehältern und Versprechen einzustellen – zum Leidwesen des Mittelstandes und kleinerer High-Tech-Firmen. Denn die jungen Nachwuchskräfte springen wie eh und je auf diesen Zug auf, ohne zu reflektieren, ob der neue Job ihnen auch wirklich das bietet, was zu ihrem persönlichen Karriereweg wirklich passt.

Boomsituation 2: Flexibilitätsgrenzen im Mittelstand

Viele kleinere und mittlere Unternehmen tun sich nach wie vor schwer, kreativ und flexibel mit den schwierig zu findenden Spezialisten und Ingenieur-Nachwuchskräften umzugehen. Manchen sind hier immer noch die „Zeugnis­note“ und der theoretische Auswahlprozess wichtiger als den Bewerber zu motivieren und überhaupt zu gewinnen. Dabei gilt es gerade jetzt, sich am Arbeitsmarkt zu positionieren, das Profil zu schärfen, sich in der Außenwirkung attraktiv und professionell so darzustellen, dass einen die „passenden“ Bewerber auch erreichen können und wollen.

Boomsituation 3: Die Bewerber lassen sich bitten

Bei vielen Bewerbern nehmen erneut Verhaltensweisen überhand, die von unkritisch, unsensibel bis hin zu unver­schämt reichen: Vorstellungstermine werden nicht eingehalten bzw. nicht abgesagt, ehrliche Aussagen über beste­hendes Interesse oder Nichtinteresse an der Stelle bleiben einfach aus, Arbeitsverträge werden zugesagt und kurz vor Stellenantritt wieder abgesagt usw. Diese Verhaltensmuster sind zwar ärgerlich; für den Such- und Auswahlprozess hat dies allerdings auch Vorteile: Der Kandidat outet sich und man weiß, was man von ihm zu halten hat. Das hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Außerdem erlebe ich beim Bewerberverhalten regelmäßig unrealistische Gehaltsvorstellungen, Mangel an Flexibilität und Umzugsbereitschaft. Vor allem bei jungen Akademikern vermisse ich den Willen und die Fähigkeit, über den Tellerrand ihrer Spezialdisziplin hinaus zu schauen, sich mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen intensiver zu befassen. Auch um zu verstehen, was der Arbeitgeber eigentlich macht, in welchem Markt- und Wettbewerbs­umfeld er sich bewegt und welchen „Wertbeitrag“ die eigene Leistung für das Unternehmen darstellt. Frage ich diese Bewerber jedoch nach ihren Hobbys, dann kommt oft eine lange Aufzählung von sportlichen und kreativen Freizeit­interessen, Weltreisen unternehmen und ähnliches. Doch auch diese Erkenntnisse sind nicht neu. Hier handelt es sich um einen schon seit Jahren anhaltenden Trend, der nur durch die letzten Krisenmonate überdeckt wurde.

Boomsituation 4: New-Media Gläubigkeit

Weit verbreitet wird  darüber geredet, wie einfach es ist, Stellen über die Angebote der neuen Medien, Social Networks wie Facebook, Twitter usw. zu besetzen. Dies führt natürlich zur Verunsicherung bei den Suchenden auf beiden Seiten, denn die Wahrheit ist eine ganz andere: Wer hat schon die Zeit, (und Zeit ist Geld), stunden- und tagelang die unterschiedlichsten Kanäle und Wege zu durchforsten, E-Mails zu schreiben, auf Antworten zu warten, unverbindlichen Aussagen hinterher zu laufen, sich bei den diversen Anbietern an- und abzumelden und und und? Wer diese Wege mal konsequent geht, (und das muss man, um eine Aussage über den möglichen Nutzen dieser Tools treffen zu können), wird sehr schnell merken, dass mit Web 2.0 zwar weitere Identifizierungs- und Suchalterna­tiven geschaffen sind. Doch erhöhen diese die Erfolgschancen nicht und kosten genauso viel Zeit und Geld wie andere. Und die Grundproblematik des o.e. Mangels können auch diese Instrumente nicht beheben.

Boomsituation 5: Irrwege der Politik und Gesellschaft

Ein irrwitziger Einfallsreichtum schlägt einem mitunter bei der Lösungsfindung für die Arbeitsmarktprobleme der Zukunft entgegen – angefangen beim Diversity-Management über die Einführung Anonymer Bewerbungen bis hin zu der stets jungen Gleichberechtigungsdebatte. Regelmäßig tauchen neue, „höchst kreative“ Lösungsansätze auf, denen eines gemein ist: Sie ändern an der Problematik des Mangels kaum etwas, aber sie verursachen enormen Verwaltungsaufwand, Bürokratismus und Kosten.

Also lassen wir uns überraschen, was hier so noch alles auf uns zu kommt, frei nach dem Spruch: Wenn`s dem Esel zu gut geht, geht er auf`s Eis. Oder anders gesehen, warten wir es ab, die Globalisierung wird`s schon richten!

Udo Wirth, Geschäftsführer der beratungsgruppe wirth + partner

Über wirth + partner

Die beratungsgruppe wirth + partner ist Ihr erfahrener Partner, wenn die Suche und Auswahl exzellenter Fach- und Führungskräfte in der expansiven High-Tech-Welt im Mittelpunkt steht. Bereits seit der Gründung im Jahr 1982 agieren wir als Berater, Coach und Problemlöser im Bereich Recruitment. Eine langfristige, partnerschaftliche Zusammenarbeit auf allen Seiten steht seit jeher im Mittelpunkt unseres Handelns. Ob wir für Unternehmen oder für Kandidaten aktiv sind – ein umfassendes Betreuungs-, Motivations- und Entscheidungsmanagement und natürlich die entsprechende Marktkenntnis – nicht zuletzt aufgrund unserer jahrzehntelangen Erfahrung – sind die wesentlichen Grundlagen für eine zukunftsorientierte Positionsbesetzung und ein langfristig erfolgreiches Miteinander.

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