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„Mind Change“ am Arbeitsplatz: Machen digitale Medien empathielos?

Baroness Susan Greenfield (Foto: Keith Barnes)
Baroness Susan Greenfield (Foto: Keith Barnes)

Keynote Baroness Susan Greenfield – Hirnforschung: Digitale Medien können Probleme mit Empathie und zwischenmenschlichen Beziehungen hervorrufen

  • Neurowissenschaftlichen Know-how für Unternehmen: Natürliche Umgebungen steigern Kreativität
  • Statt Anti-Stress-Verordnung und Mitarbeiterschutz empfiehlt Greenfield einen aktiven Umgang mit Überforderung

Köln. Instant Messaging, Netzwerk-Identitäten, verminderte Privatsphäre, Hier-und-Jetzt-Erlebnisse – digitale Medien schaffen zunehmend eine völlig neue Erfahrungswelt. Analog dazu verändert sich auch das menschliche Gehirn, sagt die Hirnforscherin Baroness Susan Greenfield, die als „Superstar der Britischen Wissenschaftler“ gilt, in ihrem neuen Buch „Mind Change“. Wie sich Technologien des 21. Jahrhunderts konkret auf den Geist und das Bewusstsein – und somit auch auf die Arbeitswelt – auswirken, erklärt die Bestseller-Autorin und Professorin am Mittwoch, 15. Oktober 2014, auf der Messe Zukunft Personal.

„Wir finden menschliche Wesen interessanter als Objekte. Wenn Menschen einen Tisch und ein Gesicht anschauen, dann lässt sich normalerweise eine viel größere EEG-Aktivität beim Gesicht als beim Tisch beobachten“, erklärt die bekannte Hirnforscherin. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung hingegen differenzierten nicht und zeigten jeweils eine vergleichbare Reaktion. „Starke Internetuser weisen ein ähnliches Muster im Gehirn auf wie autistische Menschen“, so Greenfield. Das lasse darauf schließen, dass digitale Medien Probleme mit Empathie und zwischenmenschlichen Beziehungen hervorrufen könnten.

Fertige Bilder statt eigene Phantasie?

Ein Grund: Kinder müssten heute immer seltener ihre Fantasie nutzen. „Das Schönste, was Sie für ein Kind tun können, ist ihm eine Geschichte vorzulesen, weil es dann seine Vorstellungskraft einsetzen kann“, so die Beststeller-Autorin. „Mit digitalen Medien ersetzen Sie das durch fremde Bilder, auch wenn diese vielleicht technisch sehr gut und clever gemacht sind.“ Beim Videospiel müssten die Spieler die Prinzessin nur retten. Wenn Kinder hingegen eine Geschichte hörten, versuchten sie sich vorzustellen, wie diese aussehen könnte und sie entwickelten Mitgefühl für sie. „Der Unterschied ist, dass andere Menschen dabei eine Bedeutung und einen Kontext bekommen.“

Kürzere Aufmerksamkeitsspanne und höhere Risikobereitschaft

Der Umgang mit digitalen Medien bringe insgesamt gute und schlechte Veränderungen. „Positiv ist, dass durch moderne Technologien sozialisierte Menschen möglicherweise einen höheren IQ haben“, meint Greenfield. Denn wer zum Beispiel mit Videospielen die mentale Beweglichkeit trainiere, könne Informationen schneller verarbeiten. Gleichzeitig könnte sich aber auch die Aufmerksamkeitsspanne verkürzen. „Wer Action-Spiele spielt, entwickelt vermutlich eine höhere Risikobereitschaft, weil man dabei lernt, dass bestimmte Handlungen keine Konsequenzen haben.“

Social Media: Mehr Schein als Sein?

Die Ambiguität digitaler Medien zeigten auch Erfahrungen mit Social Media. „Wenn zum Beispiel ein guter Freund von Ihnen nach Australien geht, dann kann Social Media von Vorteil sein und Spaß machen.“ Anders verhalte es sich aber, wenn man in sozialen Netzwerken nur mit Menschen Kontakt habe, die man nicht persönlich kenne. Wer ein falsches Bild von sich selbst entwerfe und eine falsche Identität aufbaue, fühle sich einsamer. Denn dabei gebe man vor, eine Person zu sein, die man nicht ist. Dies könne zu einer schwach ausgeprägten Identität und geringem Selbstbewusstsein führen.

„Mind Change“ in der Arbeitswelt begegnen

„Vieles hängt davon ab, wie die Technologie eingesetzt wird“, folgert die Britische Wissenschaftlerin. Für Personalverantwortliche komme es zukünftig darauf an, diese Entwicklungen zu erkennen – nur dann könnten sie entsprechend handeln. Menschen mit einer geringen Empathie-Fähigkeit und einer schwache Identität benötigten etwa ständiges Feedback. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, Mitarbeitern einen Sinn für Identität zu vermitteln und ihnen zu zeigen, dass Aktionen und Konsequenzen zusammenhingen. „Unternehmen brauchen einen konzeptionellen Rahmen, damit die Mitarbeiter das Gesamtbild verstehen und die Arbeit für sie eine Bedeutung bekommt.“

Freien Ausblick auf die Natur

Ein weiterer Aspekt: Viele Menschen fühlen sich angesichts der neuen Medienflut überfordert – vor allem am Arbeitsplatz. Um deren Wohlbefinden zu steigern, empfiehlt Greenfield Büros mit Zugängen ins Freie oder wenigsten einem Ausblick auf die Natur. „Untersuchungen zeigen, dass sich Kreativität steigern lässt, indem wir uns in natürlichen Umgebungen aufhalten. Wir wissen auch, dass Denken durch Spazierengehen angeregt wird.“ Deshalb sei es hilfreich, wenn Beschäftigte in einem Gebäude umhergehen könnten. Das habe zusätzlich den Vorteil, dass sie jemandem begegneten, der sie inspiriere, und dass sie ihre Augen in der bildschirmfreien Zeit entlastet würden.

Stressbewältigung statt Anti-Stress-Verordnung

Hilfreicher als eine gesetzliche Anti-Stress-Verordnung, die Mitarbeiter vor der Arbeit am Abend, am Wochenende oder im Urlaub schützen soll, findet die Hirnforscherin einen aktiven Umgang mit Überforderung. „Bis zu einem gewissen Punkt ist Stress ein Teil dessen, was uns als menschliche erwachsene Wesen ausmacht. Wir können nicht so tun, als gäbe es das nicht.“ Deshalb gehe es am Arbeitsplatz darum, den Beschäftigten bei der Bewältigung schwieriger Situationen zu helfen. Betriebe könnten entsprechende Trainingsangebote anbieten – etwa zu Achtsamkeit und Meditation. Aber eine Zauberformel, die für alle Menschen funktioniere, gebe es dabei nicht. Greenfield rät vielmehr: „Unternehmen müssen Menschen erlauben, sie selbst zu sein und ihre Talente zu entwickeln, wo auch immer diese liegen.“

Weitere Handlungsempfehlungen und Informationen zum Phänomen „Mind Change“ gibt Susan Greenfield bei ihrem Vortrag auf der Messe Zukunft Personal in Köln.

Keynote von Susan Greenfield
“The future of the 21st century mind: The impact of current technology on corporate health and well being” (auf Englisch)
powered by: The London Speaker Bureau
Zukunft Personal, 15. Oktober 2014, 9.30 – 10.30 Uhr,
anschließend Public Interview
Keynote-Forum, Halle 2.1, koelnmesse

Über Susan Greenfield

Baroness Susan Greenfield ist eine Britische Hirnforscherin, Schriftstellerin und Mitglied des House of Lords. Als Spezialistin für die Physiologie des Gehirns untersucht Greenfield, wie sich Technologien des 21. Jahrhunderts auf den Geist und das Bewusstsein auswirken. Sie leitet eine multidisziplinäre Forschungsgruppe, die sich mit neuartigen Hirnmechanismen in Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson beschäftigt. Greenfield ist Senior Research Fellow am Lincoln College in Oxford und hat kürzlich ein Biotech-Unternehmen mitgegründet.

Zum Thema Hirnforschung hat sie eine Reihe von allgemeinverständlichen Büchern verfasst, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Im August 2014 ist ihr neues Buch „Mind Change“ erschienen. Die als „Superstar der britischen Wissenschaftler“ geltende Hirnforscherin tritt regelmäßig im Radio und Fernsehen auf und hält Vorträge für die Privatwirtschaft und den Public Sector. Als Gastprofessorin hat sie an zahlreichen Universitäten im In- und Ausland gelehrt sowie vielfältige renommierte Preise und Auszeichnungen – darunter 30 Ehrendoktorwürden – erhalten.

Über die Messe Zukunft Personal
Vom 14. bis 16. Oktober 2014 öffnet die Zukunft Personal, Europas größte Fachmesse für Personalmanagement, bereits zum 15. Mal ihre Tore. Der Veranstalter erwartet rund 16.000 Personalverantwortliche aus dem In- und Ausland, die sich in Köln über Strategien und Lösungen für das Personalmanagement informieren. Bekannt ist die Messe insbesondere für ihr umfangreiches Vortragsprogramm. Das Themenspektrum reicht von Recruiting und Retention über Leadership-, Weiterbildungs-, Arbeitsrechts- und Softwarefragen bis hin zur Zukunft der Arbeitswelt.

Ab sofort können Sie die neue Messe-App „Zukunft Personal | HRM Expo“ herunterladen – mit komplettem Begleitprogramm, Ausstellerliste, Hallenplänen und Social-Media-Funktionen.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Registrierung erhalten Besucher unter www.zukunft-personal.de.

Über spring Messe Management GmbH
spring Messe Management veranstaltet Fachmessen für Personalmanagement, Professional Learning, Corporate Health, Job and Career und den Public Sector. Langjährige Messe-Erfahrung, thematische Expertise und nachhaltige Kundenorientierung machen die spring-Veranstaltungen zu etablierten Branchenplattformen. Die Fachmessen aus dem Hause spring sind Seismographen für neue Produkte, Ideen und Managemententwicklungen. Das Tochterunternehmen der Deutschen Messe AG ist in vier Ländern vertreten: Deutschland, Österreich, Ungarn und Russland.

 

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