Emotional Employer Branding: Herausforderung für Mittelstandsunternehmen
Dr. Michael Ruf über „Emotional Employer Branding“ und spezielle Herausforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen
Dr. Michael Ruf ist Professor für International Human Resource Management an der Hochschule Heilbronn. Seine Schwerpunkte in Lehre, Forschung und Beratung sind Personalentwicklung und Demographiemanagement, Personalmarketing und Employer Branding sowie Internationales HR Management.
Lieber Herr Dr. Ruf,
um sich als Wunscharbeitgeber – als sogenannter Employer of Choice – am Arbeitsmarkt platzieren zu können, müssen Unternehmen ihre Arbeitgebermarke entwickeln und positiv aufladen. Der Weg dorthin geht bekanntermaßen über das Employer Branding. Sie haben das Konzept weiterentwickelt und sprechen vom „Emotional Employer Branding“. Was verbirgt sich dahinter?
Mit den Fachkräfte-Engpässen am Arbeitsmarkt wird Arbeitgeberattraktivität in immer mehr Unternehmen zunehmend zur personalstrategischen Zielsetzung. Der Ansatz des Employer Branding beschreibt den hierfür zu beschreitenden Weg. Meine Erweiterung des Konzepts um die emotionale Dimension beruht auf der Erkenntnis, dass die Arbeitgeberwahl nicht zufällig, sondern recht strukturiert abläuft.
In einer ersten Phase steht die Bekanntheit des Unternehmens im Fokus, damit dieses als Arbeitgeber überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Die finale Entscheidung für den Arbeitgeber ist dann aber stark emotional geprägt. Folglich muss ein Unternehmen seine Arbeitgebermarke auch emotional aufladen, damit entsprechende Assoziationen bei der Zielgruppe vorliegen können.
Häufig wird Employer Branding nur mit Großunternehmen in Verbindung gebracht. Ist dieser Ansatz auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) tauglich?
Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass der Ansatz des Employer Branding nicht exklusiv den großen, international tätigen Unternehmen vorbehalten ist. Employer Branding ist Organisationsentwicklung und gibt auch KMU wertvolle Hinweise zur Entwicklung der individuellen Arbeitgeberattraktivität. Und wenn ich mir Arbeitgebereigenschaften wie die Attraktivität der Arbeitsaufgaben, Kollegialität, Führungsstil und wertschätzender Umgang anschaue, die heute bei der Wahl des Arbeitgebers ausschlaggebend sind, dann sind das Arbeitgeberattribute, die in der Unternehmenskultur verankert sind und sich nicht an der Unternehmensgröße festmachen lassen.
Daher haben mittelständische Unternehmen in der Substanz grundsätzlich keine großen Nachteile, insbesondere wenn es sich um die „weichen“ Arbeitgebereigenschaften handelt. Hier könnten beispielsweise Familienunternehmen sogar punkten, indem Kollegialität und Führungsstil als besondere, durch die Eigentümerfamilie geprägtes Merkmale thematisiert und im Vergleich zu „anonymen“, managergeführten Großkonzernen in den Vordergrund gerückt werden.
Wo liegen denn die spezifischen Unterschiede zwischen KMU und Großunternehmen?
Die Unterschiede zu Großunternehmen offenbaren sich, wenn es um die Kommunikation der Arbeitgebereigenschaften nach außen geht. Während Großunternehmen eigene Abteilungen für Personalmarketing haben, sind die finanziellen und personellen Ressourcen in KMU meist recht übersichtlich. Daher ist es bei mittelständischen Unternehmen essentiell, dass die strategisch wichtigen Zielgruppen vorab klar definiert werden, um möglichst wenig Streuverluste im Rahmen des Personalmarketings zu haben. Nur eine klare und abgestimmte Kommunikationsstrategie kann sicherstellen, dass die limitierten Ressourcen zielorientiert eingesetzt werden.
Welche konkreten Schritte empfehlen Sie KMU für deren personalstrategische Ausrichtung?
Sicherlich sind Unternehmen mit einem systematisch geplanten und gegebenenfalls auch extern begleiteten Employer Branding Prozess nicht schlecht beraten. Aus meiner Sicht ist Employer Branding daher eher als Organisationsentwicklungs- denn als reiner Marketingprozess zu sehen; ein Unternehmen entwickelt sich ja permanent weiter.
Arbeitgeberattraktivität wird zwar zukünftig für die Rekrutierung neuer und die Bindung aktueller Mitarbeiter immer wichtiger, jedoch muss ein Unternehmen auf die demographische Entwicklung mit einer ganzheitlich ausgerichteten und „demographiefesten Personalarbeit“ antworten. Dazu gehören neben der Arbeitgeberattraktivität auch beispielsweise Ansätze der Personalentwicklung und des Kompetenz-, Gesundheits- und Wissensmanagements.
Was bedeutet das genau?
Für die Umsetzung eines Employer Branding Projekts liegt es in KMU natürlich auf der Hand, dass Personalabteilungen die Verbindung zu der Marketing- bzw. Kommunikationsabteilung intensivieren. Eine arbeitgeberbezogene Kommunikation muss mit anderweitigen Marketingaktivitäten abgestimmt sein. Meines Erachtens ist jedoch Employer Branding grundsätzlich immer „Chefsache“. Wenn die Geschäftsführung nicht hinter diesem Ansatz steht und das entwickelte Arbeitgeberversprechen gegenüber zukünftigen Bewerbern nicht aktiv mitträgt, dann kann ein derartiges Projekt nicht erfolgreich sein.
Zudem geht es bei dem Thema Arbeitgeberattraktivität immer auch um das Thema der Authentizität und Glaubwürdigkeit. Die Versprechen, die ein Arbeitgeber nach außen abgibt, müssen gehalten werden. Dies setzt voraus, dass versprochene Arbeitgebereigenschaften auch tatsächlich im Unternehmen gelebt werden und nicht nur in einer Hochglanzbroschüre abgedruckt sind. Daher gilt es, Mitarbeiter und Führungskräfte des Unternehmens mit einzubeziehen und zu „Botschaftern der Arbeitgebermarke“ zu machen.
KMU fällt es häufig schwer, ihre Arbeitgebermarke positiv aufzuladen, weil sie nicht an eine positiv besetzte Produktmarke ihres Hauses anknüpfen können. Welche Empfehlungen haben Sie für diese Unternehmen?
Es ist für Unternehmen mit einer prominenten und emotional aufgeladenen Produktmarke natürlich deutlich einfacher, weil hier Synergieeffekte genutzt werden können. Die sogenannten Hidden Champions können nicht auf diese Abstrahlungseffekte der Produkt- oder Unternehmensmarke hoffen, weshalb eine direkte emotionale Aufladung der Arbeitgebermarke im Rahmen des Personalmarketings besonders wichtig ist.
Fehlende emotionale Assoziationen zum Unternehmen als Arbeitgeber müssen in der Arbeitgeberwerbung geschaffen und aufgebaut werden. Dabei hat sich gezeigt, dass derartige Assoziationen am besten über persönliche Kontakte mit dem Unternehmen bzw. dessen Vertretern geschaffen werden können. Diese Erfahrungen werden häufig unter dem Schlagwort „Candidate Experience“ zusammengefasst. Hier müssen mittelständische Hidden Champions einen Weg finden, wie besonders emotional prägende Erlebnisse für zukünftige Mitarbeiter geschaffen werden können. Dafür müssen die entscheidungsrelevanten Kontaktpunkte mit potenziellen Mitarbeitern identifiziert und Personalmarketinginstrumente entsprechend abgestimmt werden.
Herr Dr. Ruf, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Klaus Knoblauch.
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