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Digital für alle! Bitkom-Vorschläge zur Legislaturperiode 2017–2021

Achim Berg, BITKOM
  • 20 Millionen Bundesbürger aus dem digitalen Abseits holen
  • Bitkom fordert Neustart für Deutschlands Digitalpolitik
  • Berg: „Wir brauchen eine digitale Vision und Aufbruchsstimmung“

Anlässlich der Sondierungsgespräche zur Bildung der künftigen Bundesregierung fordert der Digitalverband Bitkom unter dem Motto „Digital für alle!“ einen Neustart für Deutschlands Digitalpolitik. Neben Staat und Wirtschaft müsse die Digitalpolitik künftig auch stärker auf die Gesellschaft ausgerichtet werden, betonte Bitkom-Präsident Achim Berg. „Wir brauchen eine digitale Vision für Deutschland, Begeisterung fürs Digitale und Aufbruchsstimmung. Wir brauchen eine echte Strategie mit einem wirksamen Maßnahmenpaket und einem straffen Zeitplan. Dabei müssen wir alle mitnehmen, insbesondere jene etwa 20 Millionen Bundesbürger, die bislang im digitalen Abseits stehen. Die Bundesregierung muss sich noch ambitioniertere Ziele auf dem Weg in die digitale Welt setzen, schneller und entschiedener vorgehen und dabei stärker in die Breite wirken. Ein Weiter-so ist keine adäquate Antwort auf die digitalen Herausforderungen.“

Bitkom-Studien zufolge gibt es eine zu große Zahl an Bürgern und Unternehmen, die sich von der Digitalisierung überfordert und verängstigt fühlen. „Etwa jeder vierte Bürger empfindet sich im digitalen Abseits und jedes fünfte Unternehmen weiß nicht, wie es mit der Digitalisierung umgehen soll. Im internationalen Vergleich sind unsere Infrastrukturen nicht so leistungsfähig und intelligent wie in anderen Ländern, Autos stehen mit laufendem Motor an roten Ampeln vor leeren Kreuzungen, in unseren Verwaltungen stapeln sich weiter Aktenberge, in den Schulen herrscht Kreidezeit. Wir sollten nicht nur über Antriebstechnologien und Öffnungszeiten reden, sondern endlich Intelligenz in unsere Infrastrukturen und Digitaltechnologien in unsere Ämter, Schulen und Krankenhäuser bringen.“

Das Programm „Digital für alle!“ umfasst unter anderem folgende Vorschläge in den Bereichen Bildung, Arbeit, Infrastrukturen, E-Government und digitale Transformation der Wirtschaft:

■   Menschen aus dem digitalen Abseits holen: Vor allem Alte, Arme und Ängstliche wurden von der Digitalpolitik bislang kaum adressiert. Berg: „Wir schlagen ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, das unter anderem die Gründung einer Bundeszentrale für digitale Bildung, digitale Streetworker und einen großen jährlichen Digitalkonvent vorsieht, der alle relevanten Organisationen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbringt.“

■   Kooperationsverbot im Bildungswesen abschaffen und Schulen digitalisieren: Schülern werden in Deutschland nur unzureichend Digitalkompetenzen vermittelt. Das deutsche Bildungswesen landet in internationalen Vergleichen regelmäßig auf den hinteren Plätzen. Berg: „Wir schlagen die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrats vor, der binnen Jahresfrist Vorschläge für eine grundsätzliche Reform des deutschen Bildungswesens erarbeitet und einer Bund-Länder-Kommission vorstellt. Das Kooperationsverbot muss aufgehoben und der bereits vorgestellte Digitalpakt zügig umgesetzt werden. Schulformübergreifend müssen alle Schüler auf einem bundesweit einheitlich hohen Niveau Digitalkompetenzen erlangen können. Dafür brauchen Schulen digitale Infrastrukturen, digitale Curricula und digitalkompetente Lehrkräfte.“

■   Berufe mit Zukunft erforschen und fördern: Viele tradierte Berufe vom Automobilkaufmann bis zum Zahntechniker werden in den nächsten Jahren verschwinden oder marginalisiert. Neue Berufe entstehen, Anforderungsprofile verändern sich. Berg: „Wir schlagen vor, mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein Forschungsinstitut ,Berufe mit Zukunft‘ aufzubauen, das die Perspektiven von Berufsbildern und Kompetenzprofilen für die nächsten Dekaden qualitativ und quantitativ untersucht. Die Ergebnisse sollten unmittelbar in die Berufsberatung und die Bildungspolitik einfließen. Für Unternehmen müssen Anreize geschaffen werden, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren.“

■   Rechts- und Sozialsysteme für Arbeit 4.0 weiterentwickeln: Die Digitalisierung stellt grundlegend neue Anforderungen an unsere Arbeitswelt. Flexibles und individuell bestimmbares Arbeiten wird zunehmend gefragt. Selbständige und abhängige Beschäftigung wechseln sich innerhalb des Berufslebens ab oder verlaufen parallel, neue Erwerbsformen über digitale Plattformen entstehen, die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Berg: „Wir schlagen vor, unsere Sozialsysteme grundsätzlich zu überprüfen und dabei auch die Kompatibilität der Altersvorsorgesysteme angesichts des Wandels der Erwerbsformen herzustellen. Im ersten Schritt sind die arbeitsrechtlichen Regeln zeitgemäß zu formulieren, ohne dabei eine Tarifbindung zu forcieren. So muss das Arbeitszeitgesetz mehr Agilität zulassen. Unter anderem kollidiert die vorgeschriebene elfstündige Ruhepause mit den Tagesabläufen vieler Homeworker. Auch die Umstellung der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit wäre sinnvoll.“

■   Schnelle und intelligente Infrastrukturen auf- und ausbauen: Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands erfordert die flächendeckende Verfügbarkeit von Gigabit-Infrastrukturen bis 2025 auf Basis eines Technologiemixes. Berg: „Wir schlagen vor, Investitionsanreize für den Ausbau von Gigabitnetzen zu setzen, die nötigen Frequenzen investitionsfreundlich bereitzustellen und einen fairen Wettbewerb zu sichern. Im ersten Schritt sind bereits bis 2020 alle Gewerbegebiete per Glasfaser anzuschließen und wichtige Treiber der Digitalisierung wie Schulen besonders zu berücksichtigen. Zudem sollten die Infrastrukturen für Energie und Verkehr digital ertüchtigt werden. Die Energiewende lässt sich nur mit Smart Grids bewältigen, die Verkehrswende braucht zwingend intelligente Verkehrsnetze. Die Ertüchtigung unserer Breitband-, Energie- und Verkehrsnetze muss synergetisch geplant und umgesetzt werden. Hierzu schlagen wir die Einrichtung eines Nationalen Infrastrukturrats vor.“

■   Verwaltung konsequent digitalisieren: Die öffentlichen Verwaltungen ticken in Deutschland meist analog, sie sind dadurch langsam, teuer und verschwenden Zeit und Ressourcen von Unternehmen und Bürgern. Berg: „Wir schlagen ein Programm „Digitale Verwaltung 2025“ vor. Es verfolgt das Ziel, alle Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden bis 2020 auch digital und ab 2025 nur noch digital anzubieten. Im Zentrum sollten eine bundesweite Bürger-ID und eine Verwaltungs-Cloud stehen. Der Bund sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass binnen zweier Jahre alle Schriftformerfordernisse und Nachweispflichten außer Kraft treten.“

■   Digitale Schlüsseltechnologien fördern: Deutschland hat bei einigen Technologien mit großem disruptiven Potenzial eine im weltweiten Maßstab sehr gute Ausgangsposition. Dies gilt insbesondere für Künstliche Intelligenz, Blockchain, 3D-Druck und das Internet of Things. Berg: „Wir schlagen vor, dass von den öffentlichen Forschungsmitteln künftig jeder zweite Euro für Digitales und Digitalisierung eingesetzt werden sollte. Für Künstliche Intelligenz sollte pro Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich und nicht als Wahlalternative zur Projektförderung sollte eine steuerliche Forschungsförderung eingeführt werden.“

■   ,,Digital first“ zum politischen Grundsatz machen: Länder wie Schweden und Estland haben gezeigt, dass eine Konzentration auf das Digitale enorme Kräfte in der Wirtschaft freisetzt, breiten gesellschaftlichen Nutzen stiftet und die Verwaltung entlastet. Dabei spielt der gesetzliche Rahmen eine entscheidende Rolle. Berg: „Wir schlagen vor, für unsere bestehenden Gesetze einen Digitalcheck einzuführen, vom Arbeitsrecht bis zum Zivilrecht. Gesetze sollten unter einem Digitalvorbehalt stehen. Jedes neue Gesetzesvorhaben und jedes bestehende Gesetz sollten auf die Auswirkungen auf die Digitalisierung geprüft und wenn notwendig angepasst werden. Zur Steuerung der Digitalpolitik und Koordinierung der Aktivitäten der einzelnen Ressorts sollte die Institution eines Digital-Staatsministers im Kanzleramt mit Kabinettsrang geschaffen werden. Er sollte unter anderem den Digitalvorbehalt und digitalen Gesetzescheck ausüben und braucht die hierzu notwendigen Rechte und Ressourcen. Unsere politischen Institutionen brauchen ein neues Betriebssystem.“

Das vollständige Programm „Digital für alle“ gibt es hier zum Download: https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Digital-fuer-alle-Bitkom-Vorschlaege-fuer-die-19-Legislaturperiode.html.

 

 

Bitkom vertritt mehr als 2.500 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, davon gut 1.700 Direktmitglieder. Sie erzielen allein mit IT- und Telekommunikationsleistungen jährlich Umsätze von 190 Milliarden Euro, darunter Exporte in Höhe von 50 Milliarden Euro. Die Bitkom-Mitglieder beschäftigen in Deutschland mehr als 2 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu den Mitgliedern zählen 1.000 Mittelständler, mehr als 400 Start-ups und nahezu alle Global Player. Sie bieten Software, IT-Services, Telekommunikations- oder Internetdienste an, stellen Geräte und Bauteile her, sind im Bereich der digitalen Medien tätig oder in anderer Weise Teil der digitalen Wirtschaft. 80 Prozent der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, jeweils 8 Prozent kommen aus Europa und den USA, 4 Prozent aus anderen Regionen. Bitkom fördert und treibt die digitale Transformation der deutschen Wirtschaft und setzt sich für eine breite gesellschaftliche Teilhabe an den digitalen Entwicklungen ein. Ziel ist es, Deutschland zu einem weltweit führenden Digitalstandort zu machen.

 

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