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Der Medienwandel eines Jahrzehnts in sechs Charts

Dr. Holger Schmidt
Dr. Holger Schmidt

Von Dr. Holger Schmidt, Netzoekonom

Die Tageszeitungen sind die großen Verlierer des Medienwandels in den vergangenen zehn Jahren. Der Anteil der Menschen in Deutschland, die sich in einer Zeitung über das aktuelle Geschehen informieren, ist seit 2005 von 51 auf auf nur noch 36 Prozent gefallen. Parallel haben die Zeitungen mehr als eine Milliarde Euro Umsatz verloren, weil die Werbung den Lesern ins Internet gefolgt ist. Fernsehen und Radio haben als Informationsmedien erheblich weniger verloren, aber die Abwanderung vor allem der jungen Menschen Richtung Internet hat sich seit 2010 beschleunigt, zeigen Zahlen, die das Institut für Demoskopie Allensbach jedes Jahr freundlicherweise für mich berechnet.

Sie basieren auf der Computer- und Technikanalyse (ACTA). Dafür wurden 9000 Menschen befragt, ob sie sich am Vortag in der Zeitung, im Internet, im Fernsehen oder im Radio über das aktuelle Geschehen informiert haben. Wie immer muss bei diesen Zahlen erwähnt werden, dass der Wechsel zum Beispiel von der Zeitung ins Internet nicht unbedingt auch den Wechsel des Anbieters bedeutet, wenn der Nutzer dann auf die digitalen Angebote des Verlags zugreift. Daher haben Verlage heute mehr Leser als jemals zuvor, aber oft fallende Umsätze, weil im Netz deutlich weniger Umsatz je Leser erzielt wird. Wie sich dieser Wechsel des Informationsverhaltens auf die Bilanz auswirkt, habe ich exemplarisch für die Zeitungen ausgerechnet. Und hier nun die Grafiken:

Medienwandel 1: Information im Internet (+11% im Jahr)

In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Menschen, die sich im Internet über das aktuelle Geschehen informieren, im Durchschnitt um 11,2 Prozent pro Jahr gestiegen. Besonders hoch ist der Anteil der jungen Akademiker, aber das größte Wachstum zeigten im vergangenen Jahr die Altersgruppen zwischen 14 und 19 Jahren und zwischen 50 und 59 Jahren. (Wo sich die Nutzer im Internet informieren und wie sich die Quellen gerade verschieben, wird weiter unten genauer erläutert).

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Medienwandel 2: Information in der Zeitung (-3% im Jahr)

In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Menschen, die sich in der Zeitung über das aktuelle Geschehen informieren, im Durchschnitt um 3,4 Prozent pro Jahr gefallen. Das ist ein Verlust um 16 Prozentpunkte auf nur noch 36 Prozent. Wenig überraschend kehren die jungen Akademiker der Zeitung besonders schnell den Rücken zu. In der Altersgruppe zwischen 14 und 19 Jahren lesen nur noch 9,1 Prozent überhaupt Zeitungen. Wenn man davon ausgehen kann, dass Menschen das gelernte Verhaltensmuster später nicht mehr ändern, überaltert die Zeitungsleserschaft gerade in einem atemberaubenden Tempo. Setzt sich der Trend der vergangenen zehn Jahre bei den jungen Akademikern fort, liest 2022 keiner aus dieser Gruppe noch Zeitung.

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Beispielhaft sei hier die Auflagenentwicklung (Abonnenment und Einzelverkauf) der F.A.Z. für diesen Zeitraum gezeigt, die einen deutlich beschleunigten Rückgang der Print-Abonnements ab dem Jahr 2010 zeigt. Allerdings gewinnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Vergleich zu anderen Qualitätszeitungen viele Abonnenten für das e-Paper, was den Verlust etwas abfedert. Trotzdem hat die Zeitung zwischen 2005 und 2015 insgesamt 27 Prozent ihrer „hart verkauften“ Auflage verloren. Von 315.000 voll bezahlten Zeitungen sind noch 231.500 Exemplare übrig geblieben, obwohl das Qualitätsniveau auf hohem Niveau geblieben ist.

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Künftig werden also auch die Print-Vertriebserlöse, die das Geschäft der Verlage im Moment stabilisieren, unter Druck kommen.  Denn dass der Leserschwund, der sich in teilweise zweistelligen Auflagenverlusten pro Jahr zeigt, nicht noch deutlichere Spuren in den Bilanzen hinterlässt, ist ausschließlich auf den Preisanstieg für gedruckte Produkte zurückzuführen. Die Vertriebserlöse Print sind in dem Zeitraum sogar von 4,2 auf 4,5 Milliarden Euro gestiegen. Die Leser haben die kräftigen Preisaufschläge bisher akzeptiert; die Zeitung ist damit weiter auf dem Weg zu einem Premiumprodukt für eine stetig kleiner werdende Gruppe. Der Verlust an Print-Werbeerlösen konnte aber weder durch Online-Werbung noch durch digitale Vertriebserlöse ausgeglichen werden, so dass der Gesamtumsatz der Zeitungsbranche insgesamt von 9 auf erstmals weniger als 8 Milliarden Euro in diesem Jahr fallen wird, schätzt PWC in seinem German Entertainment and Media Outlook.

Da das werbefinanzierte Reichweitenmodell als alleinige Form der Refinanzierung für Qualitätsmedien, die ihr Niveau halten wollen, im Netz immer weniger funktioniert, reanimieren die Verlage nun parallel die Pay-Content-Schiene. Bei der New York Times hat das Hybrid-Modell funktioniert; ob die deutschen Verlage es schaffen, ist im Moment noch schwer absehbar.

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Medienwandel 3: Information im Fernsehen (- 1% im Jahr)

In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Menschen, die sich im Fernsehen über das aktuelle Geschehen informieren, im Durchschnitt um 1,1 Prozent pro Jahr gefallen und beträgt noch 61 Prozent. Der Medienwandel ist bei jungen Menschen aber auch hier stärker zu sehen als bei den Älteren, die dem Fernsehen auch als Informationsmedium treu bleiben.

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Medienwandel 4: Information im Radio (- 0,3% im Jahr)

In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Menschen, die sich im Radio über das aktuelle Geschehen informieren, im Durchschnitt um 0,3 Prozent pro Jahr gefallen und beträgt noch 35 Prozent. Auch hier gilt: Die älteren Menschen bleiben den klassischen Medien eher treu; die Jugend wandert ab.

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Hier ist die Bilder-Geschichte eigentlich zu Ende. Wer es genauer wissen möchte, für den kommen hier ergänzend noch einige Charts. Zunächst das Verhältnis der Online-Werbeerlöse der Zeitungen und Zeitschriften im Vergleich zu dem Umsatz, den Google in Deutschland erzielt.

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Medienwandel 5: Facebook und Google sind wichtige Gateways

Schaut man nur auf die Online-Nachrichtenquellen in Deutschland, liegen die Angebote der Zeitungen, der Portale (also T-Online, Web.de… ) und der Zeitschriften/Magazine in der Gesamtbevölkerung noch vor Facebook und Youtube. Twitter spielt hierzulande keine große Rolle als Nachrichtenmedium.

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Die Reihenfolge der bevorzugten Nachrichtenquellen dreht sich in der Altersgruppe der 14 bis 29-Jährigen aber um: 61 Prozent der jungen Menschen haben am Vortag ihre Nachrichten auf Facebook gelesen. An zweiter Stelle liegt Youtube mit 49 Prozent. Twitter hat in der Jugend sogar einen geringeren Wert als in der Gesamtbevölkerung.

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Der Blick auf die Unterschiede zwischen den jungen Menschen und der Gesamtbevölkerung zeigt: Social Media, also vor allem Facebook und die Google-Tochter Youtube, spielen als Online-Nachrichtenquellen eine weit größere Rolle, während Portale wie T-Online drastisch an Bedeutung verlieren. Allerdings kann sich der Stellenwert von Facebook auch jederzeit wieder ändern. Seit 2013 hat Mark Zuckerberg immer mehr Medieninhalte in den Newsfeed eingebaut, aber zuletzt ist der Trafficanteil, der von Facebook kam, wieder gefallen. Der Newsfeed-Algorithmus zeigt Nachrichten natürlich nicht aus journalistischer Perspektive, sondern mit dem Ziel, die Nutzer möglichst lange auf der Seite zu halten.

 

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Welche Bedeutung haben soziale Medien für den Erfolg der Medien? Welche Auswirkungen hat der Medienwandel auf den Journalismus?

Lesen Sie den kompletten Bericht hier auf Netzoekonom.de:

 

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