Zeitarbeit

„Dann machen wir es doch lieber selbst“ – ZEITARBEIT 2011

Michel Mattoug

5. Branchentreffpunkt für Personaldienstleister

Frankfurt/Main, November 2011 – Mit seinem Schlusswort sprach Professor Michel Mattoug, wissenschaftlicher Leiter der ZEITARBEIT 2011, den Teilnehmern aus dem Herzen: „Die Branche befindet sich in turbulenten Zeiten. Lohnuntergrenze, neuer Tarifvertrag und insbesondere die von der Politik geforderte Equal-Payment-Regelung sind die Herausforderungen, für die eine zukunftsorientierte Branche selbstbewusst eigene Lösungen entwickeln muss.“
„Angela Merkel habe klar gesagt, sie erwarte eine Equal-Payment-Lösung, sonst greife sie ein“, so Mattoug weiter. „Also dann machen wir es doch lieber selbst“, empfahl Mattoug den Kongressteilnehmern in Köln.

Die Branche ist der Jobmotor – nicht nur für den Standort Deutschland, sondern auch für die deutsche Wirtschaft. Insbesondere der Mittelstand braucht die durch die Zeitarbeit gebotene Form der Flexibilität, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Vor einer drohenden Re-Regulierung warnte zudem Jürgen Weiss, Geschäftsführer des Unternehmens Weiss Kunststoffverarbeitung GmbH aus Illertissen. „Wir müssen sehr aufpassen, dass wir durch die Forderungen zur Re-Regulierung die Wirksamkeit der Zeitarbeit nicht nachhaltig gefährden.“ Sonst bestünde die Gefahr, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden.

Weiss stellte klar, es geht um Flexibilität. „Günstiger ist es für uns nicht, schließlich besteht die Stundenverrechnungssatz ja aus dem Stundenlohn und dem Betrag für die Dienstleistungen des Verleihers“. In seinem Unternehmen werden durchschnittlich 20 Prozent der Zeitarbeitnehmer übernommen und eine Verdrängung von Stamm-Mitarbeitern durch Zeitarbeitnehmer könne er „für sein Unternehmen definitiv ausschließen“.
Dieses Statement wird auch durch die Studie „Zeitarbeit in Deutschland“ des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gestützt. „Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Zeitarbeit dazu beiträgt, die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft zu sichern. Anpassungslasten in Krisenzeiten müssen aufgrund des Einsatzes von Zeitarbeitern nicht von der Stammbelegschaft getragen werden“, meint Dr. Thomas Schleiermacher, Referent Bereich Empirie und Datenbanken der IW Consult.

 

Und noch eines ermittelten die Kölner Wissenschaftler: Unternehmen, die die Zeitarbeit als Flexibilisierungs-Instrument einsetzen, sind erfolgreicher. Dipl.-Volkswirt Schleiermacher führt dies insbesondere auf die schnellere Reaktionsgeschwindigkeit der Unternehmen zurück. Darin sieht er „ein weiteres stabilisierendes Element für die Beschäftigten in den Unternehmen“.

Für Martin Delwel, Geschäftsführer von Olympia Personaldienstleistungen Deutschland GmbH steht fest: „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist aufgrund der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, als Folge der demografischen Entwicklung, bereits heute in manchen Branchen und Regionen eine Notwendigkeit für Unternehmen.“ Aus einer eigenen Untersuchung, die Olympia vor dem 1. Mai unter 5.000 deutschen Unternehmen durchführte ging hervor, dass 65 Prozent dem Modell der Arbeitnehmerfreizügigkeit offen gegenüber stehen. Außerdem sprach sich die Mehrheit gegen Lohndumping aus und stellte Überlegungen an ihren Arbeitskräftemangel ganz oder teilweise mit EU-Workern zu decken.
Praktische Erfahrung in der grenznahen Überlassung konnte dann direkt Markus Bickar, Vertriebsleiter Deutschland, CRIT (Personal-Leasing und Recrutement) beisteuern.

 

„Europa wächst effektiv wirksamer und auch schneller durch den freien Austausch – auch auf regionaler Ebene und durch den bedarfsgerechten Austausch von Arbeitskräften.“

Es gibt seit über 30 Jahren gute Erfahrungen mit der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung. „Hohe Flexibilität und Kompetenz stehen immer im Vordergrund, wenn französische Mitarbeiter den deutschen Arbeitsmarkt bereichern und Qualifikationsengpässe in deutschen Firmen ausgleichen“, so Bickar.
Außerdem würde „die Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit Chancen bieten – für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. Der deutsch-französische Austausch von Vertriebsmitarbeitern oder Technikern mit interkultureller Kompetenz kann das wirtschaftliche Potential von Firmen auf dem jeweils benachbarten Markt steigern.“
Bickar plädierte dafür, die Hindernisse aufgrund der unterschiedlichen staatlichen Gesetzgebungen bzgl. Sozialversicherung, Arbeitssicherheit, Lohnsteuer, und aufgrund des Arbeitsgesetzes weiter abzubauen, damit der europäische Arbeitsmarkt freier, effizienter und gerechter werden kann.

 

An den drei Veranstaltungstagen der ZEITARBEIT 2011, dem 5. Branchentreffpunkt für Personaldienstleister, stand vielfach das zu geringe Selbstbewusstsein der Branche im Fokus. Alle Teilnehmer wünschten sich eine deutlichere Profilierung der großen Leistungsfähigkeit der Branche in der Öffentlichkeit. Insbesondere die Interessenvertreter sollen verstärkt aktiv werden.
Dem hielt Mattoug entgegen, dass man diese Aufgabe nicht allein den Branchenverbänden überlassen könne. Warum beispielsweise informieren die einzelnen Zeitarbeitsunternehmen nicht die Medien vor Ort darüber, wie viele neue Mitarbeiter sie eingestellt haben? Außerdem gäbe es ja neue wissenschaftliche Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die sehr eindrucksvoll den Effekt der Zeitarbeit für Kundenunternehmen zeigen – auch dies würde Journalisten interessieren.

 

Das Bild der Zeitarbeit in der Öffentlichkeit wird allzu häufig durch unglückliche Formulierungen der Gesetzgeber negativ geprägt. Aktuelles Beispiel sei, so Prof. Dr. Burkhard Boemke vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Leipzig, das „Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“.
Am 1. Dezember tritt dessen letzte Stufe in Kraft. „Seinem Auftrag, mit der Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes den EU-Leiharbeitsrichtlinien zu entsprechen, ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen; statt bestehende Beschränkungen aufzuheben, hat er die Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung verschlechtert und europarechtswidrig neue Restriktionen und Beschränkungen geschaffen.“, so Boemke weiter.

Im § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG heißt es beispielsweise: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“ Mit diesem Punkt wird der EU-Zeitarbeitsrichtlinie genüge getan, „der Gesetzgeber hat bewusst keine Überlassungshöchstdauer eingefügt“, so Prof. Dr. Boemke. Und damit bleibe es wie es sei, so Boemke weiter, nur Entleiher und Zeitarbeitsunternehmen definieren vertraglich die Überlassungsdauer.
Auch für Sascha J. Flemnitz, Westfälische-Wilhelms-Universität Münster, steht fest: „Die Zeitarbeitsbranche hat ein Imageproblem, an dem sie mit vereinter Kraft arbeiten muss. Die Frage ist bloß, ob es die Branche allein schafft, oder ab es nicht viel mehr Stimmen aus dem Kreise der Kundenunternehmen und der Zeitarbeitnehmer bräuchte.

Natürlich müsse die Zeitarbeitsbranche die Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit vorantreiben „und darüber informieren, was sie wie und warum tut.“, so Flemnitz weiter. Die Branche benötige aber auch „empirisch fundierte und belastbare Daten, die gemeinsam mit der Wissenschaft erarbeitet werden müssen“, so der Doktorand des Instituts für Soziologie der Universität Münster, welcher ebenfalls als Leiter Forschung & Entwicklung in der Zeitarbeitsbranche beschäftigt ist.

Der Markt für Zeitarbeit ist viel dynamischer geworden: Nach spürbarem Einbruch folgte starkes Wachstum und neue Turbulenzen sind am Horizont schon zu erkennen. „Dauerhafte Wettbewerbsvorteile sind nur durch die systematische Entwicklung der internen Potenziale zu erreichen, denn in turbulenten Märkten sind lernende und entwicklungsfähige Unternehmen überlegen“, so Dr. Thomas Hardwig, Inhaber von THR consult. Er empfahl, Zukunftsaufgaben wie z. B. die Vorbereitung auf die Herausforderungen des Equal Payment gezielt als Lernprojekte für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter zu nutzen.

Die Zukunft wird auch ein Equal Payment bringen. „Mittelfristig muss es eine sozial- und arbeitgeberverträgliche Equal Pay Lösung für die Zeitarbeitsbranche geben, damit dieser Wirtschaftszweig völlige gesellschaftliche Anerkennung erfährt!“ mahnte so Helmut Meyer, Vorstandssprecher der GeAT AG.

Auch Beschäftigte in der Zeitarbeit müssen, so Meyer, „ohne zusätzliche Leistungen des Staates von ihren Lohn leben können“.
Auch für Rechtsanwalt Stefan Leubecher ist klar, dass Equal Payment kommt. Die EU fordert die Umsetzung bis 5. Dezember dieses Jahres. Für Ihn gibt es nur zwei Wege: „Entweder die Tarifpartner einigen sich, oder es wird politisch verordnet“.

Mit der Einführung des Equal Payments ergibt sich für Professor Michel Mattoug, den wissenschaftlichen Leiter des Kongresses, die Konsequenz, „dass die Zeitarbeitsbranche plötzlich zwei Kunden hat – den Entleiher und den Bewerber. Darauf müsste sich die Branche einstellen. Mattoug sieht aber auch eine Gefahr: „Ein Teil der Unternehmen wird es nicht packen.“

Eine große Zahl der Kongressteilnehmer wünscht sich viel häufiger klare Worte – auch von Kundenunternehmen. „Solche Stimmen aus der Wirtschaft werden seit langer Zeit vermisst. Statt sich in der öffentlichen Diskussion um die Zeitarbeit wegzuducken, würde ein breites unternehmerisches Bekenntnis helfen, das Erfolgsmodell zu sichern“, meinte Mattoug. „Neben dem Fachkräftemangel steht dem weiteren Wachstum der Branche das schlechte Image im Weg“, ergänzt er weiter.

Wie wichtig es ist, dieses Branchenimage nachhaltig positiv zu entwickeln, zeigte nicht zuletzt der Auftritt von Detlef Wetzel, 2. Vorsitzender der IG Metall und Mitglied des IG Metall Vorstands. Für ihn steht außer Frage, dass die Gewerkschaften beim Thema Equal Payment und dem neuen Tarifvertrag am längeren Hebel sitzen. Zur Not werde es eben die Politik richten. Das sei zwar nicht ideal, aber der Zweck heilige die Mittel.
Vor diesem Hintergrund bekommt die Botschaft vom 5. Branchentreffpunkt ZEITARBEIT „Also dann machen wir es doch lieber selbst“ eine ganz neue Bedeutung. Bleibt zu hoffen, dass sich bei der Veranstaltung ZEITARBEIT 2012 die Verbände an dieser wichtigen Diskussion auch physisch beteiligen.

„Wir konnten mit dem 5. Branchentreffpunkt ZEITARBEIT in vielen Punkten für Klarheit sorgen. Unser Ziel ist es, die Veranstaltung weiterzuentwickeln. Wir planen beispielsweise, den Dialog mit potenziellen Kunden und Bewerbern zu ermöglichen, um einen Mehrwert für die Teilnehmer zu schaffen“, so Bernhard Klier, Geschäftsführender Gesellschafter, Neue DEUTSCHE KONGRESS GmbH.
Wer nicht an dem Branchentreff teilnehmen konnte, hat die Möglichkeit, sich unter www.zeitarbeitskongress.de Impressionen und Teilnehmerstimmen anzusehen. Der Internetauftritt liefert außerdem viele weitere Hintergrundinformationen und das Programm steht als Download zur Verfügung.

 

Über den Veranstalter

DEUTSCHE KONGRESS ist unabhängig und informiert in hochkarätigen Veranstaltungen über Trendthemen. Sie bietet Führungs- und Fachkräften aus Wirtschaft, Industrie, Politik und Forschung Plattformen für Wissenstransfer und Meinungsaustausch.
www.deutsche-kongress.de

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert