Migranten sind ähnlich häufig Existenzgründer wie Einheimische
In den letzten dreieinhalb Jahren haben rund fünf Prozent der Migranten in Deutschland ihr eigenes Unternehmen gegründet oder waren gerade dabei, es zu tun. Migranten gründen damit nicht häufiger – aber auch nicht seltener – ein Unternehmen als die Einheimischen. Dies ist das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover.
Schaut man genauer hin, stellt man fest: Während Migranten beispielsweise aus Süd- und Osteuropa nicht häufiger als Einheimische ein eigenes Unternehmen gründen, haben Zuwanderer aus den westlichen und nördlichen Anrainerstaaten Deutschlands eine deutlich höhere Gründungsneigung.
„Häufiger als Einheimische sehen Migranten in einer selbständigen Tätigkeit eine gute Karriereoption“, schreiben die Arbeitsmarktforscher. Die Selbständigkeit könne aber auch Weg sein, eine nicht nach deutschen Standards zertifizierte Qualifikation zu nutzen: „Eine Gründung kann die Chance eröffnen, Fähigkeiten und Kenntnisse einzusetzen, die in Deutschland formal nicht anerkannt werden“, erklären die Forscher. Daneben würden auch Vorbilder für die Idee einer eigenen Unternehmensgründung eine wichtige Rolle spielen: Migranten haben häufiger Bekannte, die sich kürzlich selbstständig gemacht haben, so die Forscher.
Ein Hochschulabschluss erhöht die Wahrscheinlichkeit zu gründen erheblich, geht aus der Studie hervor. Der Unterschied gegenüber Personen ohne Hochschulabschluss beträgt drei Prozentpunkte. Dies gelte gleichermaßen für Einheimische wie Migranten, betonen die Forscher. Ebenfalls unabhängig vom Migrationsstatus zeigt sich: Männer machen sich häufiger als Frauen selbständig – die Differenz beträgt wiederum drei Prozentpunkte –, und junge Menschen gründen häufiger als Ältere ein Unternehmen. Während beim mittleren Alter von rund 40 Jahren rund fünf Prozent der Migranten und der Einheimischen in den letzten dreieinhalb Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet haben oder gerade dabei sind, es zu tun, sind es bei den 50-Jährigen rund 4,2 Prozent.
Zudem stellten die Forscher fest: Die Gründungen von Migranten sind nicht weniger innovativ als die von Einheimischen. Auch bei der Exportorientierung lassen sich keine Unterschiede nachweisen.
Die Studie beruht auf den Daten des Global Entrepreneurship Monitors (GEM). Die Auswertungen für Deutschland basieren auf knapp 15.000 Interviews in den Jahren 2010 bis 2012. Unter http://doku.iab.de/kurzber/2013/kb2513.pdf ist die Studie im Internet abrufbar.
Der „Global Entrepreneurship Monitor“
Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist ein internationales Forschungskonsortium, das 1998 ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, Gründungsaktivitäten international und intertemporal zu analysieren.
Der Fokus liegt im Vergleich verschiedener Phasen des Gründungsgeschehens. Hierzu erheben die Länderteams jährlich Daten der erwachsenen Bevölkerung (18- bis 64-Jährige) zu Gründungsaktivitäten. Um die gründungsbezogenen Rahmenbedingungen zu erfassen, werden schriftliche Expertenbefragungen durchgeführt. Im Jahr 2012 beteiligten sich 69 Länder am GEM. Abgesehen von 2007 liegen für Deutschland seit 1999 eine komplette Datenreihe für die jährlichen Bürger- und Expertenbefragungen sowie je ein „Länderbericht Deutschland“ vor.
Die wichtigste Maßzahl des GEM ist die sogenannte „Total Early-Stage Entrepreneurial Activity“ (TEA). Sie umfasst Personen, die gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen (sogenannte „werdende“ Gründer; englisch: „Nascent Entrepreneurs“) und solche, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben. Für die sogenannte TEA-Quote wird deren Anzahl in Beziehung gesetzt zur Gesamtbevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren im betreffenden Land.
Auf der offiziellen Internetseite des Konsortiums (www.gemconsortium.org) werden alle Länderberichte und die international vergleichenden Gesamtberichte zum Herunterladen angeboten. Einen Überblick zu methodischen Details bieten Reynolds et al. (2005). Den aktuellen „Länderbericht Deutschland 2012“ mit weiteren interessanten Ergebnissen finden Sie zum kostenlosen Download auch unter http://doku.iab.de/externe/2013/k130606302.pdf
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
Pressestelle: Wolfgang Braun, Katja Hartosch, Marie-Christine Heimeshoff
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