Wenn der Lebensmittelpunkt nicht mehr das Büro ist
Downshifting, das ist ein Begriff, der aus den USA zu uns herüber schwappte und einen dort populären und auch hierzulande bekannten Trend bezeichnet: den freiwilligen Verzicht auf eine Karriere zugunsten einer bewussteren Lebensführung. Gründe für eine derartige Entscheidung gibt es viele.
Themen wie Burn-out und Karriere finden sich in allen Medien und werden dort ausgiebig behandelt. Ersteres ist die Quittung, die der eigene Körper einem für beständigen Raubbau an den körpereigenen Ressourcen aushändigt. Das „chronisch“ in der deutschen Variante des Begriffes Burn-out, ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen. Daneben wollen immer mehr Menschen neben der Karriere auch Zeit zum Leben, wenn vorhanden, auch Zeit für die eigenen Kinder, die Eltern und den Partner.
Vieles wird in den Medien klug formuliert, doch in der Wirklichkeit nicht realisiert. Work-Life-Balance ist nicht mehr als eine Utopie. So dreht der Mensch weiter seine Runden im Hamsterrad bestehend aus 60-Stunden-Woche und einer Karriereleiter, die bestimmt bis in die Wolken reicht.
Wie wird man eigentlich „Downshifter“?
Dem Gegenüber ist das Downshifting angesiedelt. Menschen erleben einen Einschnitt in ihrem Leben, ob es nun das bevorstehende Burn-out ist, ob ein wichtiges Familienmitglied stirbt, die Beziehung wegen „keine Zeit“ endet oder einfach nur dieses Gefühl wächst, dass das Leben viel zu kurz kommt.
Als nächster Schritt steht ein gravierendes Umdenken an. Hier in Deutschland werden Leute, die sich bewusst für mehr Zeit und weniger Geld entscheiden noch immer argwöhnisch betrachtet, in gewisser Hinsicht auch gemobbt. Immerhin sind solche Menschen in den Augen der Allgemeinheit Versager. Demjenigen, der weniger Überstunden machen oder gar seine Arbeitszeit verringern möchte, dem bleibt dadurch nur der Verzicht auf Karriere. Viel Geld zu haben, viel Eigentum zu haben, das sind Statussymbole, über die sich die Mehrheit der Deutschen definiert. Ein Rückzug aus der totalen Konsumgesellschaft kommt daher selten gut an.
Mit Downshifting ist im Übrigen nicht immer die Reduzierung der Arbeitszeit gemeint. Viele arbeiten nach ihrem „Ausstieg“ noch genauso viel. Sie arbeiten nur anders. Sie arbeiten, weil es ihnen Spaß macht. Typische Downshifter arbeiten in Berufen, die sie nach ihren Hobbys ausgewählt haben oder in denen sie sich sozial besonders engagieren können. Dabei spielt dann der häufig geringere Verdienst keine Rolle mehr.
Prominente Beispiele für ein selbstbestimmteres Leben
Oft genug haben sich auch bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft als „alternativer Hippie“ geoutet und ein Leben mit Verzicht und viel Freiheit gewählt. So ist es beispielsweise durch die Medien gegangen als MTV-Kommunikationschefin Angie Sebrich dem Musiksender Lebewohl sagte und sich für ein Dasein als Leiterin einer bayerischen Jugendherberge entschied. Ähnlich machte es Matthias Platzeck, nur ohne diesen gewaltigen Einschnitt. Chef der SPD war er lediglich fünf Monate, dann entschied er sich, wieder zurückzutreten. Es wurde ihm zu viel. Nach einem Schlaganfall im Jahr 2013 legte er schließlich sämtliche politischen Ämter nieder.
Downshifting wird längt in der deutschen Gesellschaft gelebt. Manche machen es bewusst, andere in völliger Unkenntnis des Begriffes. Es ist ohnehin egal, wie die Dinge bezeichnet werden. Statt sich immer nur Sorgen um Karriere und Finanzen zu machen, könnten hierzulande mehr Menschen eine Toleranz gegenüber alternativen Lebensmodellen und den Menschen, die den Mut haben, diese zu verwirklichen, entwickeln. Weitere interessante Artikel zum Thema gibt es auf Sueddeutsche.de