Weitere Reformen der Rentensysteme erforderlich, um das Risiko von Altersarmut abzuwehren
Reformen der vergangenen Jahre haben die Rentensysteme in den OECD-Ländern auf
finanziell solidere Beine gestellt, und Rentner genießen heute einen höheren
Lebensstandard als jemals zuvor. Die Altersbezüge zukünftiger Generationen dürften
allerdings weit weniger großzügig ausfallen, und für viele Menschen wird das Risiko
von Altersarmut zunehmen. Dies geht aus dem OECD-Bericht ‘Renten auf einen Blick’
hervor, der heute veröffentlicht wurde.
Einige Highlights für Deutschland:
- Die Erwerbsbeteiligung Älterer ist in den vergangenen zehn Jahren (2004-14) so
stark gestiegen wie in keinem anderen OECD-Land. Bei Frauen war der Zuwachs noch
größer als bei Männern. Sowohl bei den 55- bis 59-Jährigen als auch bei den 60- bis
64-Jährigen liegt die Beschäftigungsquote in Deutschland heute über dem
OECD-Schnitt; bei den 65- bis 69-Jährigen liegt sie allerdings darunter.
- Die gesetzliche Rente ersetzt einem Durchschnittsverdiener bei einer vollständigen
Erwerbsbiographie 53,4 Prozent seines Nettoarbeitsverdienstes, im OECD-Durchschnitt
sind es 63 Prozent. Bezieht man die staatlich geförderte private Vorsorge
(Riester-Rente) in die Berechnung ein, liegt die Ersatzrate in Deutschland für
Durchschnittsverdiener knapp unter dem OECD-Schnitt. Für Geringverdiener mit nur 50
Prozent des Durchschnittslohns liegen die Ersatzraten deutlich unter dem
OECD-Durchschnitt, sowohl mit als auch ohne Einbeziehung der staatlich geförderten
privaten Vorsorge.
- Altersarmut in Deutschland liegt unter dem OECD-Schnitt, sie ist aber deutlich
höher als in anderen EU-Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark. Bei
Frauen ist sie im OECD-Vergleich höher als bei Männern. Die soziale Grundsicherung
für ältere Menschen liegt leicht unter dem OECD-Schnitt. Die Hälfte der Bezieher von
Grundsicherung im Alter haben keinerlei Rentenansprüche – dieser Personenkreis
profitiert nicht von Verbesserungen bei Versichertenrenten.
- Ein Schwerpunkt des diesjährigen Berichts liegt auf den Auswirkungen
unterbrochener Erwerbsbiografien auf spätere Rentenansprüche. Bei kurzer
Arbeitslosigkeit müssen Arbeitnehmer in Deutschland so gut wie keine Einbußen bei
den Rentenansprüchen hinnehmen, bei längerer Arbeitslosigkeit fallen die Einbußen
geringer aus als in den meisten OECD-Ländern. Ein anderes Bild ergibt sich bei
Arbeitsunterbrechung zur Erziehung von Kindern: Hier sind die Einbußen gegenüber
Müttern, die sofort nach der Geburt wieder zu arbeiten beginnen, vergleichsweise
groß. Dies ergibt sich aus der in Deutschland großzügigen Anrechnung von
Kindererziehungszeiten bei der Rentenversicherung, die auch bei weiterer
Erwerbstätigkeit der Mutter oder des Vaters gewährt werden. Wer nach der Geburt
eines Kindes keine Auszeit nimmt, kann so die Rentenansprüche aus der
Kindererziehung und aus der Erwerbstätigkeit addieren. Damit verbindet Deutschland
bei der Alterssicherung eine großzügige Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten
mit Anreizen zum schnellen Wiedereinstieg in den Beruf.
- Dagegen bereitet die Zunahme atypischer Beschäftigung Anlass zur Sorge. In
Deutschland wie in anderen OECD-Ländern werden Standarderwerbsbiografien mit langen
Beitragszeiten zunehmend durch befristete Verträge oder Teilzeitbeschäftigung sowie
durch Selbstständigkeit im kleinen Rahmen abgelöst. Damit sinken auch die
Rentenanwartschaften der Erwerbstätigen. Mit den ‘kleinen’ Selbstständigen steht ein
zunehmender Anteil der Erwerbstätigen außerhalb der gesetzlichen Versicherung.
Dieser Personenkreis ist häufig nicht in der Lage, allein auf sich gestellt eine
private Altersvorsorge aufzubauen. Diesen Entwicklungen sollte die Rentenpolitik
Rechnung tragen.
Webseite zum Bericht mit Präsentation, internationaler Pressemitteilung und
Datenvisualisierung:
www.oecd.org/berlin/publikationen/pensions-at-a-glance-2015.htm.
(Quelle: OECD)