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Höherer Bildungsstand garantiert bessere Jobchancen in der Krise

Dr. Barbara Ischinger

Berlin/Paris. Der Anteil junger Menschen, die weder in Beschäftigung noch in schulischer oder beruflicher Ausbildung sind, ist in Deutschland auch in den Krisenjahren stabil geblieben. 2010 lag er für 15 bis 29-Jährige bei 12,0 Prozent und damit weit unter dem OECD-Durchschnitt von 15,8 Prozent.

 

Deutschland und auch die Schweiz gehören somit zu einer kleinen Gruppe von OECD-Ländern, in denen sich die Bildungs- und Berufschancen der jungen Generation trotz des weltweiten wirtschaftlichen Abschwungs nicht verschlechtert haben.

 

 

 

Wie die jüngste Ausgabe der OECD-Publikation „Bildung auf einen Blick“ belegt, ist Deutschland zudem das einzige Land innerhalb der OECD, in dem die Arbeitslosigkeit zwischen 2008 und 2010 quer durch alle Bildungsgruppen abgenommen hat. So waren 2010 lediglich 3,1 Prozent aller Hochqualifizierten arbeitslos gemeldet (2008=3,3%). Unter den Erwerbsfähigen mit Sekundarabschluss II (Abitur) und anderen nicht-tertiären Ausbildungen (etwa Duales System) waren es 6,9 Prozent (statt 7,2). Selbst für Menschen mit Bildungsstand unterhalb der Sekundarstufe II (z.B. Abschluss 10. Klasse) sank die Arbeitslosigkeit auf 15,9 Prozent (ehemals 16,5). Im OECD-Schnitt hingegen ging die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2010 für alle Bildungsniveaus um mehrere Prozentpunkte nach oben. Am deutlichsten war der Anstieg bei den Geringqualifizierten: von 8,8 auf 12,5 Prozent.

„Bildung, Beschäftigung und Wohlstand sind eng miteinander verknüpft“, sagte die Leiterin des OECD-Bildungsdirektorats Barbara Ischinger bei der Präsentation des Berichts in Berlin. „Wenn wir den Wohlstand steigern und die gesellschaftliche Ungleichheit bekämpfen wollen, führt an Bildung kein Weg vorbei. Wir müssen daher unsere Bildungssysteme so aufstellen, dass sie soziale Mobilität fördern und das Potenzial an Kandidaten für hoch qualifizierte Arbeitsplätze bestmöglich ausschöpfen.“

Ein neuer Indikator bei „Bildung auf einen Blick“ zeigt, dass der Ausbau der Bildungssysteme in fast allen OECD-Ländern dazu geführt hat, dass junge Menschen einen höheren Bildungsstand erreichen als ihre Eltern. In Deutschland hingegen ist die Bildungsmobilität eher gering. Hier sind 20 Prozent der 25 bis 34-jährigen Erwerbstätigen höher gebildet als ihre Eltern, während 22 Prozent einen niedrigeren Abschluss haben. Im OECD-Vergleich erreichen 37 Prozent der jungen Erwerbstätigen einen höheren Bildungsstand als ihre Eltern und nur 13 Prozent verharren auf einem niedrigeren Niveau. Besonders ausgeprägt ist die Aufwärtsmobilität in Australien, Griechenland, Irland, Italien, Polen, Tschechien und Ungarn. Allerdings lag das Bildungsniveau in einigen dieser Länder historisch auch relativ niedrig, wohingegen in Deutschland traditionell bereits ein verhältnismäßig großer Teil der Menschen über mittlere Abschlüsse verfügte. Vor diesem Hintergrund erfordert eine positive Bildungsmobilität in den tertiären Bereich in Deutschland besondere Anstrengungen.

Einen klaren Trend gibt es OECD-weit bei den Bildungsausgaben: Die Finanzkrise hatte in der Mehrzahl der Länder keine negativen Auswirkungen auf die Aufwendungen. Auch Deutschland steigerte seine Bildungsausgaben zwischen 2008 und 2009 – und zwar sowohl anteilig am Bruttoinlandsprodukt (BIP) als auch an den öffentlichen Gesamtausgaben sowie pro Schüler/Studierendem. Da der Anstieg in vielen anderen Ländern aber ähnlich stark oder sogar kräftiger ausgefallen ist, liegt Deutschland mit seinen Bildungsausgaben weiterhin unterhalb des OECD-Durchschnitts.

 

 

Aufgeschlüsselt nach Bildungsbereichen fließt in Deutschland ein relativ großer Anteil des BIP in die frühkindliche Bildung (0,6% versus 0,5% im OECD-Schnitt). Aus öffentlichen Quellen stammen davon aber nur etwa 70 Prozent (der OECD-Durchschnitt liegt bei knapp 82). In Deutschland besuchen zudem nur 35 Prozent der Kinder, die elementare Bildung in Anspruch nehmen, öffentliche Einrichtungen (im OECD-Schnitt sind es fast 63%). Die Ausgaben im Primar- und Sekundarbereich I liegen mit 2,1 Prozent des BIP unter dem OECD-Durchschnitt (2,6%). In den Sekundarbereich II gehen in Deutschland 1,1 Prozent des BIP (OECD: 1,3%) und in die Tertiärbildung 1,3 Prozent (OECD: 1,6%).

Weit überdurchschnittlich sind dagegen die Gehälter der Lehrer, insbesondere jene für Berufseinsteiger. Das Anfangsgehalt einer Lehrkraft im Primarbereich beläuft sich in Deutschland auf 46.456 US-Dollar pro Jahr (OECD-Durchschnitt: 28.523 US-Dollar) und steigert sich bis zum Laufbahnende auf 61.209 US-Dollar (OECD-Durchschnitt: 45.100 US-Dollar). Lehrer im Sekundarbereich I beginnen in Deutschland durchschnittlich mit 51.058 US-Dollar jährlich (OECD-Durchschnitt: 29.801 US-Dollar) und enden mit 68.592 US-Dollar (OECD-Durchschnitt: 47 721 US-Dollar). Oberstufenlehrer schließlich beziehen ein Anfangsgehalt von 53.963 US-Dollar (OECD-Durchschnitt: 30.899 US-Dollar) und kommen am Ende ihrer Karriere auf 76.433 US-Dollar (OECD-Durchschnitt: 49.721 US-Dollar).

Anders als in vielen OECD-Ländern herrscht in Deutschland kaum ein Verdienstgefälle zwischen Lehrern und anderen Arbeitnehmern mit Tertiärabschluss. Gleichzeitig zählt Deutschland zu den OECD-Ländern mit der ältesten Lehrerschaft. Im Primarbereich sind 48 Prozent der Lehrkräfte mindestens 50 Jahre alt (OECD-Durchschnitt: 30%), im Sekundarbereich I beläuft sich der Anteil dieser Altersgruppe auf fast 52 Prozent (OECD-Durchschnitt: 33,3%) und im Sekundarbereich II auf 47 Prozent (OECD-Durchschnitt: 36,8%). In Anbetracht der demographischen Strukturen in der Lehrerschaft könnte sich der finanzielle Anreiz durch gute Gehälter als Vorteil erweisen, wenn es darum geht junge Menschen für den Lehrberuf zu werben.

 

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