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Lernen kann zu Vergessen führen

Neue Studie mit Folgen für schulischen und universitären Alltag

Prof. Dr. Karl-Heinz Bäuml

Auch wenn es komisch klingt: Lernen kann zu Vergessen führen. Zumindest dann, wenn man das wiederholte Lesen von bereits bekanntem Material mit reinen Abrufübungen kombiniert. Denn ein ständiges Wechseln zwischen „Lesen am Schreibtisch“ und „Abrufübungen vor dem Spiegel“ erschwert das Erinnern von ungeübten, aber verwandten Inhalten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Forschern der Universität Regensburg. Die Ergebnisse sind von Bedeutung für den schulischen und universitären Alltag und wurden vor Kurzem in der renommierten Fachzeitschrift „Memory & Cognition“ veröffentlicht (DOI: 10.3758/s13421-012-0282-5).

Eine Prüfung steht vor der Tür, fast jeder kennt diese Situation. Oft steht dann die Frage im Raum, auf welche Weise der geforderte Stoffumfang am besten zu wiederholen und damit richtig einzuprägen ist. Das Üben von bereits bekanntem Material kann unterschiedliche Effekte nach sich ziehen, je nachdem, ob die Übung über wiederholtes Lesen oder durch den eigenständigen Abruf des Materials erfolgt. Während Abrufübungen im Vergleich zum Lesen zu besonders lang anhaltendem Erinnern der geübten Inhalte führen, erschwert diese Übungsform gleichzeitig das spätere Erinnern ungeübter, aber verwandter Inhalte. Dieses sogenannte abrufinduzierte Vergessen ist ein normaler Mechanismus, der uns vermutlich dabei hilft, das Gedächtnis effizient nutzen zu können. Wichtiges wird dabei gestärkt, Unwichtiges unterdrückt.

 

Prof. Dr. Karl-Heinz Bäuml und Ina Dobler vom Institut für Psychologie der Universität Regensburg untersuchten erstmals die dynamischen Effekte und Zusammenhänge zwischen wiederholtem Lesen und eigenständigen Abrufübungen. Zu diesem Zweck führten die beiden Psychologen zwei Versuche durch. An einem ersten Experiment nahmen 84, an einem zweiten 48 Versuchspersonen teil. Die Probanden mussten sich in beiden Fällen mehrere Listen mit Begriffen aus verschiedenen Kategorien einprägen. Die beiden Experimente wurden von Bäuml und Dobler so gestaltet, dass die Probanden zuvor gelernte Begriffe entweder durch nochmaliges Lesen oder im Rahmen einer reinen Abrufübung wiederholten. In einer dritten Versuchsbedingung wurden die beiden Lernmethoden kombiniert, so dass sich Lesen und Abrufübungen mehrfach abwechselten. Am Ende der beiden Experimente wurden schließlich alle anfangs gelernten Begriffe abgefragt, um den Einfluss der verschiedenen Übungsbedingungen auf die Erinnerungsleistung zu untersuchen.

 

In beiden Experimenten konnten die Regensburger Forscher beobachten, dass sich bei einem kombinierten Lernverhalten die Effekte wiederholten Lesens denen von reinen Abrufübungen angleichen und somit beide Übungsformen zu ähnlichen Gedächtniseffekten – wie beim abrufinduzierten Vergessen – führen. Die Untersuchungen von Bäuml und Dobler belegen damit erstmals dynamische Effekte zwischen reinen Abrufübungen und wiederholtem Lesen und sind von großer Bedeutung für den schulischen und universitären Alltag.

 

 

Der Originalaufsatz im Volltext unter:

http://link.springer.com/content/pdf/10.3758%2Fs13421-012-0282-5

 

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