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Innere Kündigung: Der stille Protest der Mitarbeiter

Rainer Pitsch
Rainer Pitsch

Jeder vierte Mitarbeiter in Deutschland fühlt sich seinem Unternehmen nicht mehr verbunden, ist frustriert und hat innerlich gekündigt. Ursache sind meist gravierende Fehler im Führungsverhalten. Doch noch besteht die Chance zu intervenieren und wertvolle Mitarbeiterkompetenzen zurückzugewinnen.

Mit 124 Milliarden Euro beziffert das Marktforschungsunternehmen Gallup den Schaden, den deutsche Unternehmen jährlich durch Fehler im Führungsverhalten in Kauf nehmen. Denn mangelnde Kompetenz bei der Führung von Mitarbeitern, fehlende Motivation und Wertschätzung sind laut aktueller Studie maßgeblich dafür, dass jeder vierte Angestellte innerlich kündigt.

Dahinter steckt nicht, dass die Mitarbeiter lediglich keinen Spaß mehr an ihrer Arbeit haben. Eine Definition des Soziologen Peter Gross beschreibt die innere Kündigung als „stille, mentale Verweigerung engagierter Leistung“. Sie ist der lautlose Protest von Mitarbeitern, die sich durch ihre Arbeit frustriert und demotiviert fühlen und hat langfristig eine dauerhafte Distanzierung gegenüber dem Unternehmen zur Folge.

 

Unzufriedenheit hängt nicht von Unternehmensgröße ab

„Wer innerlich gekündigt hat, ist unglücklich und unzufrieden, dies wirkt sich auf das Privatleben, auf Motivation, auf Grundeinstellungen, auf allgemeines Wohlbefinden aus, wodurch wiederum die Arbeitsleistung beeinträchtigt wird“, erklärt Diplom Psychologe Rainer Pitsch. Wenn durch innere Kündigung Leistungsbereitschaft und -fähigkeit sinken, bleibt das nicht ohne wirtschaftliche Folgen: 37 Prozent mehr Fehltage, 48 Prozent mehr Arbeitsunfälle, 41 Prozent mehr Qualitätsmängel an den Produkten und eine Steigerung der Fluktuation um 65 Prozent, rechnet die Gallup-Studie vor. Die Unternehmensform ist dabei nebensächlich. Innere Kündigung der Mitarbeiter trifft Konzerne und Familienunternehmen gleichermaßen.

Symptome erkennen

Eine innere Kündigung erkennen Sie meist an folgendem Verhalten:

  • Mangelnde Arbeitsqualität, geringe Arbeitsquantität – Dienst nach Vorschrift,
  • häufiges krankheitsbedingtes Fehlen, besonders aufgrund von Bagatellerkrankungen,
  • sarkastische Kommentare der beruflichen Situation und Perspektive, Klagen und Jammern,
  • mangelnde Initiative, bringt keine eigenen Vorschläge und Ideen ein, beteiligt sich nicht an fachlichen Diskussionen,
  • nimmt Entscheidungen kritiklos an, wird zum Ja-Sager, um keine Auseinandersetzungen führen zu müssen,
  • Passivität, Wegträumen, „Absitzen” während des Arbeitstages,
  • Desinteresse an beruflicher Weiterbildung oder Weiterentwicklung,
  • Durchsetzen des Arbeitsalltages mit privaten Interessen.

Chance für Prävention und Intervention

Diese Verhaltensweisen können natürlich auch andere Ursachen haben. Treten sie jedoch bei einem Mitarbeiter kumuliert und häufig auf, ist davon auszugehen, dass er mit seiner Arbeitssituation nicht zufrieden ist und sich vom Unternehmen distanziert. Doch die innere, psychische Kündigung bedeutet noch nicht die tatsächliche, physische Kündigung des Mitarbeiters. „Mitarbeiter haben nicht aus Faulheit oder Bequemlichkeit die innere Kündigung gewählt, sondern aus Resignation oder Verzweiflung über ihre Arbeitssituation“, so Pitsch. „Dies heißt aber im Umkehrschluss, dass die Chancen hier besonders günstig sind, hochmotivierte und arbeitsfreudige Mitarbeiter zurückzugewinnen, wenn es gelingt, die fraglichen Arbeitsbedingungen zu verbessern.“

Vertraut man den unzähligen Studien zu diesem Thema, müssen in erster Linie die Führungskompetenzen verbessert werden. Coachings und Seminare sind hier durchaus sinnvoll, denn die Grundlagen eines kooperativen Führungsstils lassen sich erlernen. Eine weitere Voraussetzung: Das mittlere Management, das neben den Führungsaufgaben meist auch Fach- und Organisationsaufgaben zu bewältigen hat, braucht genügend Freiraum, um die Führungsrolle nicht nur nebenher auszufüllen.

Betroffene sind Experten für Unternehmensanalyse

Darüber hinaus nennt Rainer Pitsch das Bemühen um ein gutes Betriebsklima, die gemeinsame Erarbeitung und Formulierung von Leistungszielen sowie die Erweiterung der Handlungsspielräume für Mitarbeiter zur Steigerung der Eigenmotivation als Maßnahmen, um Arbeitszufriedenheit zu schaffen. Die Betroffenen sollten dabei in den Verbesserungsprozess eingebunden werden. „Sie haben sich intensiv mit ihren Arbeitsbedingungen und den betrieblichen Strukturen befasst, haben sie durchleuchtet, Lösungsmöglichkeiten für die verfahrene Situation reflektiert und abgewogen, bevor sie den Weg in die innere Kündigung eingeschlagen haben. Sie kennen die Schwachstellen des Systems besser als die meisten anderen. Führungskräfte sollten dieses Potenzial nutzen.“


Quellen: CareerBuilder, Olfert, Klaus / Lexikon Personalwirtschaft, Personalwirtschaft 11/2002, wiwo.de,www.gallup.de

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