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Mit Mixed-Leadership an die Spitze: Vieles wird getan, doch was wirkt?

Empirische Studie zu Mixed Leadership in deutschen Unternehmen

Berlin – Je höher die Managementebene, umso geringer ist der Anteil an Frauen. Daran ändert auch nichts, dass das Thema Gender-Diversity hoch im Kurs steht. Trotz einer Vielzahl von Aktivitäten mangelt es in der betriebswirtschaftlichen Forschung an empirischen Untersuchungen zur Bewertung von Maßnahmen zur Förderung von gemischten Führungsteams und für mehr Beteiligung von Frauen auf allen Managementebenen. Ein Forschungsteam der Hochschule Aschaffenburg hat die Effektivität von entsprechenden Fördermaßnahmen in Unternehmen untersucht. Auf einer Konferenz in Berlin wurden die Ergebnisse und Lösungsstrategien mit Unternehmensvertreter*innen diskutiert.

 

Prof. Dr. Astrid Szebel-Habig
Prof. Dr. Astrid Szebel-Habig

 


In dem vom BMBF und EFS geförderten Forschungsprojekt wurden Daten zu Kennzahlen, Maßnahmen und Rahmenbedingungen für eine gender-gemischte Führung von Unternehmen in Deutschland erhoben. Gefragt wurde, welche Maßnahmen die Unternehmen bei Rekrutierung, Entwicklung und Bindung von weiblichen und männlichen Führungskräften einsetzen, und wie effektiv diese Maßnahmen sind. Die Situation von männlichen Mitarbeitern, z.B. die Evaluierung von speziellen Maßnahmen für Männer, Beteiligung von männlichen Vorgesetzten bei Gender-Trainings, wurde hierbei ausdrücklich mit einbezogen. Erstmals liegt damit ein empirischer Befund zur Wirklichkeit gemischter Führung in deutschen Unternehmen vor.

 

In Branchen mit vielen Frauen ist die Leaking Pipeline noch löcheriger
Die Daten zeigen, dass der Frauenanteil in den Managementebenen höher ist, wenn auch auf der ausführenden Ebene viele Frauen sind. Das Phänomen der Leaking Pipeline – je höher die Managementebene umso niedriger der Frauenanteil – gibt es dabei in allen befragten Branchengruppen. Auffällig ist, dass in Branchen, in denen relativ viele Frauen auf der ausführenden Ebene sind, der Frauenanteil mit jeder aufsteigenden Managementebene stärker fällt.

 

Fördermaßnahmen sollten Vorgesetzte und Männer einschließen.
Bei der (Be-)Förderung von Frauen zeigt sich, dass je nach Managementebenen unterschiedliche Maßnahmen wirksam sind. Beim Aufstieg von der ausführenden Ebene in die untere Manage-mentebene sind insbesondere interne Mentoring-Programme und Cross-Mentoring wirksam. Für das Erreichen der nächsthöheren Managementebene spielen Gender-Trainings für Vorgesetzte eine wichtigere Rolle. Beim Sprung ins Top-Management sind spezielle Talent-Pools von Frauen und interne Mentoring-Programme hilfreich.

 

Fluktuationsrate steigt, je höher die Frauen kommen
Je höher die Managementebene, desto höher fällt die Fluktuationsrate von Frauen aus. Um die vergleichsweise hohe Fluktuation von Frauen auf der Top-Managementebene zu reduzieren, helfen nach Beobachtung der Unternehmen insbesondere Top-Sharing sowie die Förderung von internen und externen Frauennetzwerken.

 

Hebel Rollenmuster
Als wichtigste Barrieren nannten die Unternehmen mangelnde Aufstiegskompetenz der Frauen sowie wenig Offenheit für neue Arbeitsformen wie Top-Sharing. Nach Einschätzung der Unternehmen (77%) lehnen männliche Führungskräfte Teilzeit mehrheitlich ab. Zudem haben nach Meinung von 77 % der befragten Unternehmen Frauen andere Karriereprioritäten. Als Förderer für Karrieren von Männern dagegen werden Old-Boys-Networks als unverändert wirksam eingestuft. „Traditionelles Rollenverhalten wird trotz aller Maßnahmen belohnt, abweichendes Verhalten bestraft“, zieht die Projektleiterin, Astrid Szebel-Habig, ein Fazit. Um hier einen Sinneswandel zu erreichen, seien Maßnahmen zur Stärkung des Selbstbewusstseins weiblicher Nachwuchskräfte wichtig. Außerdem müsse das Image von Karrierefrauen verbessert werden. Auch eine lebensphasenorientierte Personalpolitik könne die Kultur in einem Unternehmen nachdrücklich verändern. Daher sieht sie in der Veränderung von Werten und Rollen in der Gesellschaft einen wichtigen Hebel für eine Kulturveränderung auch in den Unternehmen.

 

Hebel geschlechtergemischte Zielvorgaben und Quotenvorgaben für Headhunter

Petra Justenhoven
Petra Justenhoven

Ein wichtiger Hebel sind verbindliche Zielvorgaben für gender-gemischte Rekrutierung. Insbesondere für die Top-Managementebene ergibt sich dann ein signifikant höherer Rekrutierungsanteil von Frauen. Auch zahlenmäßige Vorgaben an Personalberater*innen sowie Quoten führen nach den vorliegenden Ergebnissen zu einem signifikant höheren Frauenanteil bei den Einstellungen. Jedoch haben sich von den untersuchten Unternehmen nur wenige quantitative Ziele für die Frauenanteile in den oberen Managementebenen gesetzt. In Selbstverpflichtungen mit messbaren Zielgrößen und vom Top-Management gesetzte Vorgaben sehen sie eine der wirkungsvollsten Maßnahmen – neben speziellen Fördermaßnahmen für Frauen. Zugleich wird darin aber auch die am schwersten umsetzbare Maßnahme gesehen. „Für den Erfolg von Mixed-Leadership“, unterstrich denn auch Petra Justenhoven, Vorstand der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und Vortragende auf der Konferenz „ist der Tone of the top entscheidend. Sonst verpuffen viele Aktivitäten.“

 

Hebel Selbstauditberichte

Hilfreich für die Unternehmen und ein Kernstück der Untersuchung ist die Entwicklung eines Selbstauditberichts. Darin werden der Status der Mixed-Leadership-Maßnahmen im eigenen Unternehmen im Vergleich mit anderen dargestellt und Ansatzpunkte für Veränderungen aufgezeigt. Wirtschaftsprüferin Justenhoven begrüßte dieses von dem Forschungsteam entwickelte Instrument der Wirksamkeitsmessung und war sich mit den Teilnehmer der Konferenz über den Nutzen für das interne Mixed-Leadership-Marketing einig: „Unternehmen sind rational handelnde Organisationen, die die Wettbewerbsvorteile von gemischten Führungsteams nutzen werden.“
Der Selbstauditbericht und die Erhebungen sollen weitergeführt werden. “Für Unternehmen ist diese systematische Erfassung und Bewertung aller wichtigen Kennzahlen und Einflussfaktoren die beste Basis zur Vereinbarung der zum Unternehmen passenden Gender-Diversity-Ziele – mithin ein wirkungsvolleres Veränderungsinstrument als eine generelle Geschlechterquote für alle“, so Astrid Szebel-Habig.

Editors Notes

Mit dem Forschungsprojekt „Mit Mixed Leadership an die Spitze“ des Instituts für Management und Leadership der Hochschule Aschaffenburg wird unter Leitung von Professor Dr. Astrid Szebel-Habig die Positionierung von Frauen in Führungspositionen der TOP-500-Unternehmen in Deutschland auf Basis einer primären Datenerhebung analysiert. Einflussfaktoren und Handlungsansätze zur Unterstützung weiblicher Karriereverläufe und einer von Diversität geprägte Unternehmenskultur werden identifiziert. Die erhobenen Daten werden wissenschaftlich analysiert und dienen außerdem als Grundlage für einen unternehmensspezifischen Selbstauditbericht, in dem zur Standortbestimmung des eigenen Unternehmens dessen Daten den anonymisierten Ergebnissen von passenden Vergleichsgruppen gegenübergestellt werden. Das Forschungsprojekt läuft seit Oktober 2011 bis September 2014 und wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie den europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Eine Fortsetzung der Unternehmensbefragungen mit Selbstauditberichten für die teilnehmenden Unternehmen über den Förderungszeitraum hinaus ist geplant.

 

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