Examensvorbereitung: Was Jura-Studenten alles wissen sollten
Ein Gastbeitrag von Christina Diegel.
Mit einem echten Klassiker in der Examensvorbereitung hatte sich nun der BGH mit Urteil vom 23. September 2015 (Az. VII 284/14) zu befassen, der im Folgenden dargestellt und kommentiert wird.
Der Kläger hatte auf Ebay einen gusseisernen Jugendstilheizkörper für einen Preis von 1,- € zum Verkauf stehend gefunden. Auf diesen bot er und war schließlich mit einem Gebot von 112 € Höchstbietender. Zu diesem Zeitpunkt beendete der Beklagte die Auktion ohne Angabe eines Grundes unter Streichung aller bisher abgegebenen Gebote.
Dies wollte sich der Kläger so aber nicht gefallen lassen, denn er habe schließlich schon einen Käufer für den Heizkörper gehabt. Dadurch, dass er den Heizkörper wider Erwarten nicht habe ersteigern können, sei ihm der Weiterverkauf nicht möglich und damit ein Gewinn von 3.888 € entgangen. Diesen bezeichnet er als seinen entstandenen Schaden. Der Kläger forderte hieraus folgend den Beklagten dazu auf, Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises nach § 298 BGB den Heizkörper zu übergeben. Der Beklagte erklärte daraufhin, eine Übergabe sei ihm schon deshalb nicht möglich, weil er die Auktion aufgrund eines Defekts des Heizkörpers beendet habe.
Das Berufungsgericht (LG Neuruppin mit Entscheidung vom 24.09.2014 (Az. 4 S 59/14)) ging in seiner Entscheidung nicht auf die Frage ein, ob der Heizkörper tatsächlich bei Beendigung der Auktion durch den Beklagten an einem Defekt gelitten habe. Es stellte viel mehr fest, dass zwischen den Parteien gerade kein Kaufvertrag zustande gekommen sei und es nicht darauf ankomme, ob der Auktionsgegenstand nicht lieferbar sei. Vielmehr sei durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ebay zu erkennen, dass nicht jeder unberechtigte Abbruch einer Auktion zu einem verbindlichen Angebot führe. Das Unternehmen wolle das Vertrauen in die Plattform schützen und Missbrauch vermeiden. Daher genügten vor allem objektive Anhaltspunkte für eine Unseriösität eines Angebots zu dessen Streichung durch den Angebotseinsteller. Im fraglichen Fall erkannte das Gericht solche Gründe – diese ergäben sich vor allem aus den zahlreichen, vorherigen unbegründeten Gebotsrücknahmen seitens des Klägers in früheren Ebay-Auktionen. Auch Rücknahmen von Geboten seien, wie Gebotsstreichungen, nach dem Vertrauensschutze Ebays nur unter bestimmten Gründen wirksam. Aller Lebenswahrscheinlichkeit nach hätten bei 370 Gebotsrücknahmen in 6 Monaten wohl nicht jedes Mal solche vorgelegen. Der Beklagte habe deshalb die Gebote des Klägers wirksam streichen können. Ferner führte es aus, dass dem Bietenden die Gründe für die Streichung seines Gebots auch nicht mitgeteilt werden müssten. Dies diene entsprechend der Nutzerinformationen von Ebay nur der Unterrichtung der verbliebenen Bieter.
Der BGH jedoch sieht dies anders und erklärt die Revision für erfolgreich. Er stellt zunächst fest, dass nach den auslegbaren Auktionsbedingungen von Ebay ein Kaufvertrag dann zustande kommt, wenn die Auktion abgelaufen oder vorzeitig beendet wird und die Annahme des Verkaufsangebots durch den Höchstbietenden zustande kommt. Dies gelte nicht, wenn der Angebotseinsteller „gesetzlich dazu berechtigt“ (Zitat aus den Ebay-AGB) gewesen sei, das Angebot zurückzunehmen und die Gebote zu streichen.
Entsprechend legt er das Angebot des Beklagten die Heizung zu verkaufen so aus, dass es unter dem Vorbehalt einer berechtigten (!) Angebotsrücknahme stünde. Eine solche Berechtigung läge nicht nur bei erfüllten Voraussetzungen einer Anfechtung (§ 119 ff. BGB) oder eines Rücktritts vom Vertrag vor, sondern auch in den Fällen, die Ebay in seinen Hinweisen bezeichnet. Ein berechtigter Grund sei, so nimmt auch der BGH an, natürlich die Unmöglichkeit der Lieferung des Heizkörpers. Allerdings nimmt er zugunsten des Klägers an, dass dieser nicht zerstört wurde – das LG ließ dies, wie beschrieben, ungeklärt. Somit liegt aus Sicht des BGH kein berechtigter Grund für die Voraussetzungserfüllung des Vorbehaltes und damit für die Nichtenstehung des Kaufvertrages vor. Weiter geht er darauf ein, dass ein berechtigter Grund nach Auffassung des LG aber in der Unseriosität des Klägers liege. Allerdings konkretisierten die AGB von Ebay eben diesen Grund nicht, sondern verwiesen auch auf die gesetzlichen Regelungen. Hieraus lesen ließe sich kein Fall, in dem aus Gründen befürchteter Unseriösität ein Gebot gestrichen werden könne.
Aus diesem Verweis ergebe sich viel mehr ein solcher auf die Voraussetzungen der Anfechtung einer Willenserklärung oder des Rücktritts vom Vertrag. Nach diesen liegt bekanntermaßen ein berechtigter Grund für die Rücknahme eines Angebotes aber nicht vor, wenn das Gebot möglicherweise unseriös sein könne. Zudem sei es gegenteilig doch so, dass über Ebay zumeist Zug um Zug, öfter unter Vorkasse geleistet würde. Es entstehe also auch gar kein für den Angebotseinsteller schutzwürdiges Interesse daran, unseriöse Bieter wirksam streichen zu können und so einem Vertragsverhältnis zu entgehen.
Schließlich stellt er ergänzend fest, dass der Grund für das Streichen der Gebote möglicherweise zwar nachschiebbar sei und gibt damit dem LG teilweise Recht. Allerdings weist er auch daraufhin, dass dieser Grund schon bei Beendigung der Auktion vorgelegen haben müsse. Er verweist daraufhin zurück an das Berufungsgericht und darauf hin, dass zu klären sei, ob der Heizungskörper tatsächlich innerhalb der Auktionsfrist zerstört und damit nicht lieferbar geworden sei.
Kommentar:
Besonders seltsam erscheint an der Argumentation des Berufungsgerichtes in vorgenannter Entscheidung vor allem – wie auch der BGH meiner Ansicht nach richtigerweise feststellte – dass ein berechtigter Grund dann vorläge, wenn der Bieter ein unseriöses Verhalten zeige. Würde man den Fall einmal weiterstricken und den vom LG zugesprochenen „Schutz“ des Angebotsstellers verneinen, käme man zu dem Schluss, dass ein Vertragsverhältnis mit einem unseriösen Käufer entstünde. Dieser müsste allerdings in Vorkasse, lebensnah ausgelegt wohl per Überweisung zahlen. Erst nach der Zahlung und damit erfolgten Leistung des Käufers würde der Verkäufer die Ware auch übersenden. Das heißt, wäre der Bieter tatsächlich unseriös, würde er dies schnell feststellen können, ggf. Fristen setzen und möglicherweise sogar seinerseits auf Leistung des Geldbetrages Zug um Zug klagen. Hypothetisch sogar mit einem Schaden durch entgangene Bieter argumentieren können. Es stünde dem Angebotseinsteller also genügend Rechtsschutz zur Verfügung, sodass auch meiner Ansicht nach zweifelhaft ist, wieso das Verhalten des Bieters zu einer Berechtigung des Angebotseinstellers zur Streichung dessen Angebote führen sollte. Auffällig ist auch der hohe Wert der Heizung, der sich in dem Weiterverkaufswert wiederspiegelt und der bei einem Gebot von 112 € lange nicht erreicht worden wäre. Es bleibt gespannt abzuwarten, ob nun tatsächlich der Heizkörper innerhalb der Auktionsfrist zerstört worden ist, damit ein berechtigter Grund und schließlich die wirksame Einstellung des Angebotes vorgelegen hat.
Christina Diegel ist Associate bei ingeniam,
Executive Search & Human Capital Consulting GmbH & Co. KG