Teamziele oder Einzelziele?
Von Corinna Lütsch www.mentalenz.de
Vorbesprechung für eine Teamentwicklung:
Teamentwickler: „Die Teamziele, sind die allen klar?“
Auftraggeber: „Ja sicher. Denke ich. Also eigentlich ist das ja klar bei uns.“
Ein fiktiver Dialog, den ich jedoch in ähnlicher Form mehr als einmal geführt habe. Und das, obwohl mittlerweile die Formel SMART, welche die wichtigsten Kriterien für die Definition von Zielen beschreibt, Einzug in die meisten Trainings und damit in die Führungsetagen gefunden hat.
Viel Energie wird verschwendet, indem davon ausgegangen wird, dass allen klar ist, welches genau der Strang ist, an dem alle gemeinsam ziehen sollen. Zu wenig wird ausserdem bei der Definition von Mitarbeiterzielen darauf geachtet, ob diese auch in Einklang mit den Teamzielen stehen.
So kommt es zu 3 verschiedenen Arten von Zielen:
Teamziele
Beispielsweise
- Präsentation auf 5 Messen
- Gewinnung von X Neukunden
- Verkauf von X Beraterstunden
- Abschluss der Pilotphase von Projekt X bis Y
Mitarbeiterziele / Einzelziele
Beispielsweise
- Gewinnung von X Neukunden
- mehr Kundenkontakt (evt. spezifiziert)
- Verbesserung des Kommunikationsverhaltens (evt. spezifiziert)
- Besuch der Fortbildung X
(versteckte) persönliche Ziele
Beispielsweise
- Herrn X als Teamleiter ablösen
- Erfahrung im Bereich X sammeln
- meine Kompetenzen in Sachen X der Geschäftsführung bewusst machen
- eine Position 3 Jahre durchhalten
- X als Neukunden gewinnen, weil ich X so spannend finde
Lässt man die verschiedenen Ziele auf sich wirken, kann man feststellen, dass sie sich teilweise womöglich förderlich sind. Hat ein Mitarbeiter das Ziel, im nächsten Jahr 5 Neukunden zu akquirieren und eines der Teamziele lautet „Gewinnung von X Neukunden“, kann das passen. Evt. wäre die Art und Qualität der Kunden noch zu definieren.
Steht auf der versteckten Agenda des Mitarbeiters aber die Gewinnung der Firma Z als Neukunde ganz weit oben, da er persönlich ein echter Fan von Z ist, Z jedoch nicht wirklich ins Kundenportfolio seines Arbeitgebers passt, kann es zu Schwierigkeiten kommen.
Steht bei einer Mitarbeiterin der Besuch einer zeitintensiven Fortbildung im 1. Quartal auf der Liste ihrer (im Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch vereinbarten) Ziele, eines der Teamziele erfordert jedoch im 1. Quartal ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, so kann es zu einem Zielkonflikt kommen.
Damit alle an einem Strang ziehen…
- Unternehmens- und Teamziele müssen allen klar sein. Eine PowerPoint-Folie im Rahmen der Weihnachtsfeier reicht da in der Regel nicht. Sorgen Sie dafür, dass die Ziele ausreichend verankert werden, indem teamintern darüber gesprochen wird, was die Ziele für das Team bedeuten.
- Sprechen Sie immer wieder über die Ziele, Team- wie Mitarbeiterziele. So blieben Sie bewusst und auf Veränderungen (z.B. im Markt oder bei den Teamressourcen) kann rechtzeitig reagiert werden.
- Prüfen Sie die Zielhierarchie. Teamziele müssen der Erreichung der Unternehmensziele dienen, Mitarbeiterziele der Erreichung der Teamziele. Gibt es Konflikte oder Widersprüche, gilt es diese aufdecken und zu beseitigen.
- Dabei hilft: Ziele sollten nicht in Stein gemeißelt werden und dürfen – transparent für alle Betroffenen – auch verändert werden.
- Prüfen Sie die Relevanz der Mitarbeiterziele für die Teamziele. Ein im letzten Jahr nicht erreichtes Mitarbeiterziel ist womöglich im Folgejahr nicht mehr relevant für veränderte Teamziele. Dann gilt es, das Mitarbeiterziel anzupassen oder zu streichen.
- Prüfen Sie die Machbarkeit der Ziele. Nichts ist so demotivierend, wie einem Ziel zu dienen, an das man insgeheim nicht glaubt, das aber nicht in Frage gestellt werden darf.
- Auch Prozessziele sind wertvolle Ziele! Die vorherrschende Lehrmeinung, dass nur SMARTe Ziele gute Ziele sind, sorgt dafür, dass sogenannte Prozessziele, wie z.B. „eine bessere Stimmung im Team“ vernachlässigt oder (mithilfe der Frage „Woran merken Sie das?“ Antwort: „Daran, dass wir 4 x im Jahr zusammen etwas trinken gehen“) ver-SMARTet werden.
- Nicht alle versteckten persönlichen Ziele können transparent gemacht werden, das liegt in der Natur der Sache. Dennoch ermöglicht eine vertrauensvolle Atmosphäre es, sich bzgl. der eigenen heimlichen Ziele doch einmal in die Karten schauen zu lassen. Das kann einen Nutzen für beide Seiten haben.
Autorin: Corinna Lütsch