Roboter verlassen ihre Käfige: Wenige Berufe halten mit der Digitalisierung Schritt
Das Risiko, durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzbar zu werden, steigt am schnellsten in Helferberufen. Viele neue Technologien sind marktreif geworden, die vor allem einfache Tätigkeiten ersetzen können. Das geht aus einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.
Insgesamt sind 25 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland dem Risiko ausgesetzt, dass innerhalb ihres Berufs mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen übernommen werden könnten. Der größte Teil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, gut 46 Prozent, arbeitet in Berufen mit einer mittleren Substituierbarkeit. Das heißt, dass zwischen 30 und 70 Prozent der Tätigkeiten eines Berufs potenziell durch Computer erledigt werden könnten. Bei gut 28 Prozent der Beschäftigten könnten der IAB-Studie zufolge weniger als 30 Prozent der Tätigkeiten innerhalb des jeweiligen Berufs automatisiert werden.
Es sei aber keineswegs anzunehmen, dass dies in vollem Umfang geschehen werde, betonen die IAB-Forscherinnen Katharina Dengler und Britta Matthes. So können beispielsweise Kostengründe oder rechtliche Hürden dazu führen, dass nur ein Teil des technisch möglichen Automatisierungspotenzials ausgeschöpft wird.
Bildung und Qualifikation wirken tendenziell dem Risiko entgegen, dass berufliche Tätigkeiten von Computern übernommen werden könnten. So weisen Helferberufe, für die typischerweise keine berufliche Ausbildung benötigt wird, mit 58 Prozent das höchste Substituierbarkeitspotenzial auf. Bei Berufen, für die in der Regel ein vierjähriges Hochschulstudium erforderlich ist, liegt das Substituierbarkeitspotenzial bei 24 Prozent.
Ein Vergleich mit einer von den beiden IAB-Forscherinnen drei Jahre zuvor erstellten Analyse der Substituierbarkeitspotenziale ergibt zudem, dass der Anstieg bei den Helferberufen mit rund zwölf Prozentpunkten doppelt so hoch ausfällt wie bei den Expertenberufen mit plus sechs Prozentpunkten. Während sich für die IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufe kaum Veränderungen in den drei Jahren ergeben haben, sind die Substituierbarkeitspotenziale in den Verkehrs- und Logistikberufen am stärksten gestiegen.
Definition des Substituierbarkeitspotenzials
Das Substituierbarkeitspotenzial gibt an, in welchem Ausmaß Berufe gegenwärtig potenziell durch den Einsatz von Computern oder computergesteuerten Maschinen ersetzbar sind. Es entspricht dem Anteil an Kerntätigkeiten in einem Beruf, die schon heute durch den Einsatz moderner Technologien übernommen werden könnten. Welche Tätigkeiten für einen Beruf wesentlich sind, haben Berufsexperten im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die knapp 4.000 in Deutschland bekannten Berufe auf Basis von Ausbildungsordnungen oder Stellenausschreibungen herausgearbeitet. Im BERUFENET (vgl. Infokasten 2) werden diese und eine Reihe anderer berufskundlicher Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Wir nutzen daraus die Daten über die beruflichen Tätigkeiten.
Drei Codierer haben unabhängig voneinander für jede dieser ca. 8000 Tätigkeiten recherchiert, ob es eine computergesteuerte Maschine oder einen Computeralgorithmus gibt, der diese Tätigkeit vollumfänglich automatisch erledigen kann. Kam es bei der Zuordnung zu abweichenden Einschätzungen der Codierer, wurde anhand von Rechercheergebnissen diskutiert und entschieden, ob eine Tätigkeit als substituierbar betrachtet werden kann. Bei dieser Einschätzung geht es ausschließlich um die technische Machbarkeit. Wenn eine Tätigkeit als ersetzbar eingestuft wurde, heißt das nicht, dass sie tatsächlich in den nächsten Jahren ersetzt wird.
Sofern die menschliche Arbeit wirtschaftlicher, flexibler oder von besserer Qualität ist oder rechtliche oder ethische Hürden einem Einsatz solcher Technologien entgegenstehen, werden auch ersetzbare Tätigkeiten eher nicht ersetzt. Weil uns keine Informationen darüber zur Verfügung stehen, wie viel Zeit in einem Beruf typischerweise für die Erledigung einer bestimmten Tätigkeit aufgewendet wird, gehen wir bei der Berechnung des Substituierbarkeitspotenzials davon aus, dass jede Kerntätigkeit in einem Beruf mit gleichem zeitlichen Umfang erledigt wird. Das kann einerseits zu einer Überschätzung des Substituierbarkeitspotenzials führen; nämlich dann, wenn insgesamt weniger Zeit für die Erledigung substituierbarer Kerntätigkeiten aufgewendet wird; andererseits aber auch zu einer Unterschätzung, wenn dafür insgesamt mehr Zeit aufgewendet wird. Deswegen wird im IAB-Job-Futuromat (http://job-futuromat.iab.de) nicht nur das berufsspezifische
Substituierbarkeitspotenzial berichtet, sondern auch die Möglichkeit geschaffen, einzustellen, wie häufig die einzelnen Tätigkeiten erledigt werden. Damit lässt sich ein jobspezifisches Substituierbarkeitspotenzial bestimmen.
Insgesamt sprächen die Ergebnisse dafür, dass die Befürchtungen eines massiven Beschäftigungsabbaus im Zuge der Digitalisierung dennoch derzeit unbegründet seien, erläutern Dengler und Matthes. Es würden keineswegs nur Tätigkeiten wegfallen, sondern auch neue entstehen.
Innerhalb der Berufe werde es aber große Umbrüche geben, erklären die Forscherinnen. Entscheidend sei daher, Ausbildungen so zu gestalten, dass alle Auszubildenden mit den neuesten technologischen Innovationen in ihrem Beruf vertraut gemacht werden. Die Möglichkeiten zur Weiterbildung, Höherqualifizierung und Umschulung müssten ausgebaut werden. Die Aus- und Weiterbildung sollte dabei nicht nur auf digitale Inhalte, sondern auch auf den Erwerb sozialer und fachübergreifender Kompetenzen gerichtet sein. Mit der Digitalisierung verändere sich auch die Art und Weise, wie gearbeitet wird – beispielsweise gewinne Arbeit in virtuellen Teams an Bedeutung. Deshalb werde es zukünftig noch wichtiger, über soziale Kompetenzen wie Kooperationsbereitschaft, Kommunikationsstärke, Selbstmanagement oder Empathie zu verfügen.
Die Studie ist im Internet abrufbar unter http://doku.iab.de/kurzber/2018/kb0418.pdf.
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
Pressestelle: Wolfgang Braun, Miriam Bär, Dagmar Heimbach, Janina Müller, Inna Felde
Regensburger Straße 100, 90478 Nürnberg
Telefon (0911) 179-1946
E-Mail presse@iab.de