Mitarbeiter-Hemmschwellen bei der Digitalisierung abbauen
So profitiert ein Konzern von Automatisierung und nimmt seine Mitarbeiter mit.
- Wer sich bewusst ist, welche Vorteile die Digitalisierung im Privaten bringt, der sieht Automatisierung in der Arbeitswelt auch positiver.
- Auswahl der Prozesse ist entscheidend – am besten eignen sich Arbeiten, die als Pflichtaufgabe angesehen werden.
- Unternehmen kalkulieren bei wachsendem Geschäft oft mit weniger Personal – Software-Bots können für einen Kapazitätenausgleich sorgen.
Neue Mitarbeiter sind für ein Unternehmen etwas Positives. Sie bringen Arbeitskraft, frischen Wind und neue Perspektiven mit. Doch bevor die Neuen mit der Arbeit beginnen, machen sie erstmal Arbeit. Verträge müssen aufgesetzt und in der Personalabteilung eine Akte für sie angelegt werden. Arbeitsprozesse, die oft nach dem gleichen Schema ablaufen und bei denen viele Datensätze verarbeitet werden. Arbeit, die ideal von einem Software-Roboter erledigt werden kann. Der ist bis zu fünfmal schneller als ein menschlicher Mitarbeiter, der sich dank der Automatisierung auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren kann. Marc Ennemann, Partner, Lighthouse Germany – Center of Excellence for Data & Analytics, hat mit seinem Team für einen großen Logistikdienstleister so eine Lösung erarbeitet. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Können Sie kurz das Problem des Kunden umreißen?
Unser Kunde hatte es mit vielen Prozessen und einem hohen Anteil nicht digitalisierter Daten zu tun. Für die Mitarbeiter bedeutete das einen hohen Arbeitsaufwand. So konnten sie sich nicht den wirklich wichtigen Aufgaben widmen. Vielen Mitarbeitern waren die Möglichkeiten, die automatisierte Prozesse bieten, nicht bewusst.
Wie sind Sie und der Kunde zusammengekommen?
Wir haben dem Kunden bei internen Veranstaltungen verschiedene Automatisierungslösungen und Anwendungsfälle vorgestellt. Dabei konnten wir auch über aktuelle Probleme diskutieren und ein erstes gemeinsames Konzept erarbeiten, um die Digitalisierung im Unternehmen zu verankern. Im Rahmen eines Proof-of-Concept konnten wir dann die ersten Mitarbeiter schulen. Das war der Start zu unserem Projekt. Gleich zu Beginn haben wir in einem Business Case ganz klar skizziert, welchen Nutzen unser Kunde hat. Insgesamt geht es hier um Einsparungen im mittleren siebenstelligen Bereich innerhalb der nächsten drei Jahre.
Wie lange hat es gedauert, den Proof of Concept zu erarbeiten?
Etwa anderthalb Monate. Wir haben uns einen Prozess herausgesucht und diesen nach Robotics-Logik umgesetzt. Konkret ging es um die Einstellung neuer Auszubildenden. Wir haben einen automatischen Prozess entwickelt, um die Bewerbungen komplett zu digitalisieren. In einem weiteren Schritt haben wir ein Robotics-Process-Automation-System entwickelt, das die Arbeitsverträge erstellt und neue Mitarbeiter im System anlegt. Das sind in der Regel Arbeitsprozesse, bei denen viele Wiederholungen nötig sind. Ideal also für eine Software, weil die Prozesse vergleichsweise schnell angepasst werden können und weil ebenso schnell ein Erfolg zu sehen ist. Das steigert die Akzeptanz unter den Mitarbeitern für RPA-Systeme. So werden Hemmschwellen abgebaut. Ein psychologischer Effekt, den man nicht unterschätzen sollte.
Ihrer Erfahrung nach – wie lassen sich Hemmschwellen gegenüber Software-Bots noch abbauen und wie kann man einen Kulturwandel hin zu mehr Automatisierung anstoßen?
Ich denke, es ist wichtig, deutlich zu machen, wie wertvoll Digitalisierung und Automatisierung sein können. Konkret haben wir die Mitarbeiter in Schulungen gefragt, wie sie die Digitalisierung privat nutzen. Fast jeder hat ein Smartphone oder shoppt online. Wer sich bewusst ist, welche Vorteile die Digitalisierung im Privaten bringt, der sieht Automatisierung in der Arbeitswelt auch positiver. In einem weiteren Schritt haben wir gefragt, wie die Mitarbeiter zu regel-basierten und sich wiederholenden Aufgaben stehen. Diese Aufgaben werden von Vielen nämlich als Pflichtaufgabe angesehen, die man eben machen muss. Deswegen sind nicht wenige Mitarbeiter froh, wenn das künftig eine Software für sie unternimmt und sie so den Kopf frei haben für Arbeiten, die dem Unternehmen nachhaltig einen Gewinn bringen. Wenn wir beim Beispiel der Personalabteilung bleiben, wäre das etwa die Suche und die Auswahl geeigneter Auszubildender.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Automatisierung auch für einen Kapazitätenausgleich sorgt. Unser Kunde kalkuliert für die nächsten Jahre mit deutlich weniger Personal. Die Arbeit muss bei wachsendem Geschäft aber trotzdem erledigt werden. Da sind Roboter eine sinnvolle Alternative. Sie arbeiten schnell, nahezu fehlerfrei, in der Nacht, am Wochenende und kosten keine Sozialabgaben. Auch das sind Punkte, die für eine höhere Akzeptanz sorgen.
Angefangen hat das Projekt mit virtuellen Assistenten in der Personalabteilung. Wo wird RPA noch eingesetzt?
Zum Beispiel dann, wenn es zu Unfällen bei der Waren-Zustellung kommt. Dazu müssen Tickets erstellt und viele Daten erfasst werden. Auch wenn es wegen fehlerhafter Lieferungen zu Regressansprüchen kommt, wird für die Bearbeitung ein virtueller Assistent eingesetzt. Insgesamt haben wir für unseren Kunden mehr als 20 Roboter konzipiert, die im Einsatz sind.
Wie ist die Akzeptanz?
Die Rückmeldungen sind größtenteils positiv. Natürlich gibt es auch Mitarbeiter, die sich mit der Umstellung schwer tun. Das sind vor allem Mitarbeiter, die schon lange im Unternehmen arbeiten. Uns ist es wichtig, dass wir alle in die Entwicklungen einbinden, ihre Sorgen ernst nehmen, uns ihre Verbesserungsvorschläge anhören und diese nach Möglichkeit umsetzen.
Das Projekt von Marc Ennemann und dessen Team ist vom Fachmagazin WirtschaftsWoche mit dem „Best of Consulting“-Award ausgezeichnet worden. In der Kategorie „Digitalisierung“ erhielten sie den Bronze-Award.
Quelle: KPMG