Fallstricke im AGG: Tipps zur korrekten Bewerberauswahl
Obwohl das AGG (also das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) nun doch schon geraume Zeit in Kraft ist, gibt es immer wieder einige Fallen, in die Recruiter nur allzu leicht tappen. Im aktuellen Newsletter von JobScout24 findet sich eine praktische Zusammenstellung von Praxistipps, was Recruiter im Bewerberauswahlprozess beachten müssen. Und das von Jobscout24 eingangs geschilderte Szenario wiederholt sich gelegentlich.
„Ihr Unternehmen sucht einen neuen Vertriebsmitarbeiter. Die Stellenausschreibung setzen Sie neutral und AGG-konform auf. Daraufhin meldet sich ein Bewerber telefonisch bei Ihrem Unternehmen und fragt nach, ob für die ausgeschriebenen Stelle Altersgrenzen gelten. „Eigentlich nicht“, antwortet ein Mitarbeiter. „Wie alt sind Sie denn?“ „59“, antwortet die Stimme am Telefon. „Naja“, meint der Mitarbeiter zögernd. „In dem Fall glaube ich nicht, dass es viel Sinn macht, uns Ihre Unterlagen zu schicken.“ Der Bewerber hält sich an den Tipp – und schickt stattdessen eine Klageandrohung mit Verweis auf das AGG.
Zehn Praxistipps für den Auswahlprozess
Tipp 1: Achten Sie auf eine AGG-konforme Stellenausschreibung.
Eine Stellenausschreibung muss so neutral formuliert sein, dass sie sich ausschließlich auf die Tätigkeit bezieht und nur Anforderungen enthält, die für die ausgeschriebene Stelle wirklich relevant sind (Siehe Newsletter vom 23. September). Wird die Stelle durch einen Dritten, zum Beispiel die Arbeitsagentur oder einen Jobvermittler ausgeschrieben, sind Sie für eventuelle Pflichtverletzungen des Dritten verantwortlich.
Tipp 2: Definieren Sie eine Bewerbungsfrist und geben Sie ein Datum für das Ende des Bewerbungsverfahrens an.
So beschränken Sie Ihre Haftungsrisiken, denn zu spät eingegangene Bewerbungen können mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass das Verfahren zum Zeitpunkt der Bewerbung bereits beendet war.
Tipp 3: Erstellen Sie im Vorfeld des Auswahlprozesses einen Kriterienkatalog für die zu besetzende Stelle bestehend aus harten und weichen Kriterien.
Nur so ist ein objektiver und umfassender Vergleich der Bewerber möglich und die Auswahlbegründung plausibel nachvollziehbar. Beispiele für harte Kriterien sind die Noten in der Berufsausbildung und des Studiums, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Gehaltswünsche etc. Weiche Faktoren, wie Offenheit, Kreativität, Ausdrucksfähigkeit usw. können im persönlichen Gespräch ermittelt und protokolliert werden.
Tipp 4: Prüfen Sie Online-Bewerbungsformulare auf AGG-Verstöße.
Oftmals verstecken sich darin noch Felder für die Angabe des Alters, des Geschlechts oder des Wohnortes. Achten Sie darauf, dass dies keine Pflichtfelder sein sollten.
Tipp 5: Dokumentieren Sie alle Gespräche und den gesamten Schriftverkehr mit dem Bewerber.
Das erleichtert Ihnen im Streitfall vor Gericht den Nachweis, dass der Auswahlprozess in Ihrem Unternehmen unter Einhaltung des AGG gestaltet wurde.
Tipp 6: Weisen Sie im Unternehmen an, dass nur geschultes Fachpersonal telefonisch Informationen an Bewerber geben darf.
Unbedachte Äußerungen anderer Mitarbeiter führen sonst eventuell dazu, dass nicht die Bewerbung sondern eine Klageandrohung auf Ihrem Schreibtisch landet.
Tipp 7: Bestellen Sie andere Mitarbeiter als Zeugen zum Bewerbungsgespräch.
Denn: Je mehr objektive Kriterien Sie im Zusammenhang mit der Besetzung für eine Position dokumentieren, desto eher wird Ihnen im Klagefall die Entlastung gelingen. Halten Sie die Beurteilung des Gespräches nach definierten Kriterien schriftlich fest.
Tipp 8: Formulieren Sie Ablehnungsschreiben und mündliche Absagen so kurz wie möglich.
Freundliches Trösten wie etwa: „Diese Absage hat nichts mit Ihren fachlichen Fähigkeiten zu tun. Wir haben uns für einen Bewerber entschieden, der besser zu uns passt“ können vermuten lassen, dass der Bewerbungsprozess nicht auf fachlicher Grundlage geführt wurde. Achtung: Ausnahmen gelten bei Schwerbehinderung (§81 Abs. 1 S.9 SGBIX).
Tipp 9: Achten Sie darauf, wann Absagen und Ablehnungsschreiben den Bewerbern und Bewerberinnen zugegangen sind.
Sichern Sie sich in kritischen Fällen den Zugangsnachweis! So können Sie schnell überprüfen, ob der Bewerber oder die Bewerberin – will er / sie einen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen – die Ausschlussfrist von zwei Monaten einhält.
Tipp 10: Archivieren Sie sämtliche Bewerbungen und die dazugehörigen Dokumentationen mindestens noch zwei Monate nach Absage.
In dieser Zeit hat der Bewerber oder die Bewerberin laut AGG das Recht, gegen die Absage zu klagen, sofern eine Diskriminierung glaubhaft gemacht werden kann. Gut, wenn dann alle wichtigen und entlastenden Unterlagen schnell auffindbar sind.
Quelle: Jobscout24