Azubi-Gewinnung: großer Bedarf an pragmatischen Lösungen
Felicia Ullrich von u-form Testsysteme über die aktuelle Konjunktur von Azubimarketing- und -Recruiting, den Informationsbedarf von Ausbildungsverantwortlichen und die A-Recruiter-Tage.
Wie groß ist derzeit die Aufmerksamkeit für die Themen Azubi-Marketing und -Recruiting?
Ausbildung hat Konjunktur – in und außerhalb der Personalwelt. Vor wenigen Jahren war das noch ein Spezialgebiet für die eingeschworene Community der Ausbildungsverantwortlichen… Mittlerweile steht es auf der Agenda sehr vieler HR-Verantwortlicher. Fachzeitschriften veröffentlichen Sonderausgaben, es gibt mehr Veranstaltungen, die das Thema aufgreifen und einige Buchpublikationen. Auch viele HR-Dienstleister und -Berater entdecken ihr Herz für Ausbildungsthemen. Aber auch außerhalb der Fachwelt hat das Thema zunehmende Resonanz, da es den Wissens- und Bildungsstandort Deutschland berührt. Es ist plötzlich wieder „sexy“ über Ausbildung zu reden.
Dafür reicht ein Blick in Tageszeitungen, Wirtschaftsmagazine und in die Abendnachrichten im Fernsehen. Selbst die Bundesregierung zeigte sich ja kürzlich besorgt über den Azubi-Mangel – und fachte damit das Medienfeuer in Sache Ausbildung an.
Aber bei so viel Aufmerksamkeit gibt es doch eigentlich kein Grund zur Klage…
Klage ist das richtige Stichwort. Es wird relativ viel gejammert, etwa über den Mangel an oder die fehlende Eignung von Bewerbern. Da ist auch durchaus etwas dran: In einigen Branchen und Regionen können schon jetzt Ausbildungsplätze nicht mehr besetzt werden. Aber auffallend ist, dass es trotz der allgemeinen Klage nach wie vor erhebliche Defizite in der Azubi-Ansprache gibt, die einfach im Durchschnitt immer noch nicht bewerbergerecht genug ist, obwohl sich die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt längst gedreht haben. Im Fachchinesisch der Fachbereiche oder in allgemein gehaltenen Personalmarketingphrasen verfasste Stellenanzeigen etwa, Absageschreiben mit Gruselfaktor oder Karrierewebsites ohne zielgruppengemäße Kontaktmöglichkeiten bestimmen nach wie vor das Bild. Zudem wählen Unternehmen ihre Azubi-Bewerber immer noch so aus, als gäbe es zu viele davon.
Was heißt das konkret?
Im Ausbildungsmarketing kommen wir ja aus einer sehr komfortablen Angebotssituation, in der sich Betriebe jahrzehntelang entspannt zurücklehnen und ihre Ansprüche immer höher schrauben konnten. Das ist vorbei, aber das Umdenken fällt schwer. Ausbildungsbetriebe können sich die Jugendlichen nun einmal nicht nach ihren Wünschen backen sondern müssen mit dem arbeiten, was da ist – und daraus das Beste machen. Die durch der Ausbildung vorgelagerte Systeme (Gesellschaft, Bildung) bestimmte Situation werden sie nicht verändern. Einzelne Ausbildungsbetriebe werden Defizite im Bildungssystem eben so wenig korrigieren können wie die Auswirkungen des demografischen Wandels.
Was ist Ausbildungsbetrieben zu raten?
Ein Ansatz ist zum Beispiel, in der ersten Runde nicht mehr rigide nach Noten auszuwählen, sondern die vorhandenen Talentreservoirs an versteckten Kompetenz- und Potenzialträgern besser auszuschöpfen – und diese dann betrieblich zu qualifizieren. Das hat weitreichende Folgen für Inhalte und Methoden in den bisherigen Auswahlverfahren. Es muss stärker in Richtung Potenzialdiagnostik gehen und bedarf alternativer Verfahren in der Auswahl, von Tests über strukturierte Interviews bis zu Arbeitsproben.
Und im Hinblick auf die Kommunikation und den Umgang mit Azubi-Bewerbern?
Unsere Studie „Azubi-Recruiting-Trends“ (siehe Kasten) hat 2013 gezeigt, dass sich die meisten Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz nicht als Bittsteller sehen, sondern auf Augenhöhe mit den Betrieben agieren wollen. Aus dieser grundlegenden Wahrheit lassen sich die meisten Anforderungen für ein zeitgemäßes Azubimarketing und –recruiting ableiten.
Studie „Azubi-Recruiting Trends 2014“
Die Ergebnisse der Studie werden im Mai 2014 veröffentlicht. Haben Sie Interesse an den Ergebnissen? Dann schicken Sie eine E-Mail an studie@uforme.de.
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Einige Beispiele dafür?
Zum Beispiel bedarf es gut strukturierter und an der Erfahrungswelt der Azubi-Bewerber orientierter Prozesse, einer durchgehenden Nettigkeit in der Ansprache und Ansprechpartner, mit denen 16jährige Schüler tatsächlich ins Gespräch gehen können und möchten. Das ist in aller Regel nicht der 55jährige Personalchef… Die grundlegende Nachricht „der Talentmarkt hat sich gedreht“ hat mittlerweile auch in Ausbildungsbetrieben die Runde gemacht. Aber der Bedarf an pragmatischen Antworten auf die mit dieser Situation verbundenen Fragen ist sehr groß, ebenso wie die Unsicherheit. Es fehlt dabei nicht an großen theoretischen Entwürfen und immer sportlich gesetzteren Maßstäben, wohl aber an praxisbezogenen Anregungen und Impulsen.
Wie bieten die von u-form Testsysteme veranstalteten A-Recruiter-Tage solche Impulse?
Ausbildungsverantwortliche brauchen nicht immer höhere Messlatten, sondern konkrete und praxisfeste Tipps, wie sie aktuelle Hürden überwinden sowie den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Betrieben. Deshalb spielen Workshops und Networkingelemente bei unserer Veranstaltung eine so große Rolle (siehe Kasten unten). Austausch bietet Sicherheit: Was funktioniert bei anderen? Wie haben die es umgesetzt? Die Ausbildungsverantwortlichen, die bei den A-Recruiter-Tagen zusammenkommen, stammen aus unterschiedlichen Branchen und Regionen. Daher treten sie sich nicht gegenseitig auf die Füße. Der Kreis ist groß, aber nicht unüberschaubar. Teilnehmer können nach der Veranstaltung auch mit den entsprechenden Kollegen telefonieren und sich Ratschläge holen. Die praxisnahen Workshops bei uns aktivieren die Teilnehmer, die an konkreten Ausbildungsfragen aus ihrem Betrieb arbeiten.
Warum braucht es ein spezifisches Forum für Azubimarketing, es gibt zu Recruiting und Employer Branding doch genug Veranstaltungen?
Azubis sind eine besondere Zielgruppe, mit eigenen Erwartungen, Vorstellungen und medialen Gewohnheiten. Das allgemeine Employer Branding- und Recruiting-Blabla hilft den Verantwortlichen nicht weiter. Zudem fehlt bei den allgemeinen Veranstaltungen der konzentrierte Austausch von Ausbildungsverantwortlichen. Wir halten es für äußerst wichtig, dass sich Ausbildungsverantwortliche in diesem besonderen und geschützten Rahmen austauschen können. u-form Testsysteme hat ein Interesse daran, dass auch künftig in Deutschland erfolgreich ausgebildet wird. Deshalb bieten wir nicht nur Produkte zum Thema Ausbildung, sondern fördern Wissen und Austausch – mit den A-Recruiter-Tagen, aber auch mit unserer regelmäßig erscheinenden Studie.
Wo liegen in diesem Jahr die Schwerpunkte im Programm der A-Recruiter-Tage?
Im Blick hinter die Stirn der Zielgruppe. Wir möchten dazu beitragen, dass Ausbildungsverantwortlich die Zielgruppe besser verstehen und ansprechen können.
Geben Sie uns zum Schluss drei Tipps, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer die A-Recruiter-Tage optimal nutzen können?
- Intensiv Workshops besuchen und dort aktiv eigene Fragestellungen bearbeiten.
- Pausen zum Networking nutzen – Ihre Kolleginnen und –Kollegen aus anderen Betrieben sind oft die besten Berater.
- Abends zusammen mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Spaß haben, denn Spaß verbindet.
A-Recruiter Tage: zündende Ideen fürs Azubirecruiting
Das detaillierte Programm zu den „A-Recruiter-Tagen“ 2014 sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Interessierte unter www.a-recruiter.de/arecruitertage.
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Frau Ullrich, vielen Dank für das Gespräch.