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Byzantinische Prachtentfaltung im „ARD-Konzern“: Üppige Gehälter und Pensionen

Viktor Heese
Viktor Heese

Eine Analyse von Viktor Heese

In der heutigen Debatte um das Versagen der Medien ist es legitim, auch das „Pekuniäre“ bei den Öffentlich-Rechtlichen zu hinterfragen. Sind die ARD-Gehälter wirklich so attraktiv, wie behauptet wird?

Um darüber mehr zu erfahren, muss der Bürger nicht auf Spekulationen zurückzugreifen. Die Analyse der KEF-Berichte (Abk. Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) und der Jahresabschlüsse der Anstalten erlauben Gehaltsvergleiche mit verschiedenen Bezugsgruppen (Normalverdiener, Staatsbedienstete, Beschäftigte bei DAX-Firmen). Bei der durchschnittlichen Gesamtvergütung (Gehälter, Sozialabgaben, freiwillige Altersversorgung) liegt die ARD tatsächlich vorne, wie im nachfolgenden Beitrag dargelegt wird.


ARD & Co. – einige Kennzahlen und definitorische Abgrenzungen

ARD steht für die Abkürzung Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik. Wegen ihrer marktbeherrschender Stellung (45% der Einschaltquoten), der Finanzkraft (über 8,1 Mrd. € Einnahmen) und der immensen Beschäftigtenzahl wird oft vom „ARD-Konzern“ gesprochen. Inklusive der Beteiligungsgesellschaften und freiberuflicher Mitarbeiter arbeiten hier über 42.000 Menschen, was der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Kreisstadt entspricht. Allein für die Eintreibung und die Verwaltung der Gebühren auf den 44 Mio. Beitragskonten werden in der Gesellschaft Zentrale Beitragsservice über 1.000 Mitarbeiter beschäftigt. In Hinblick auf einige betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ist die ARD größer als der traditionsreiche Kosmetikhersteller Beiersdorf oder die DAX-Zwerge Infineon, Vonovia, ProSieben oder Deutsche Börse. Im Unterschied zu diesen jedoch muss er sich nicht im Markt behaupten – er „lebt“ zu 96% aus den GEZ – Zwangsgebühren.

Die einzelnen Rechtssubjekte, wie die Landesrundfunkanstalten des ARD (WDR & Co.) sowie das ZDF, die Deutsche Welle und das Deutsches Radio, sind verpflichtet, ihre Geschäftsberichte zu veröffentlichen. Sie stellen jährlich nach dem BilMoG (Bilanzmodernisierungsgesetz) Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen auf. Zudem publizieren sie im Zwei-Jahres-Rhythmus den „Bericht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Landesrundfunkanstalten“. Die letzte 20. Ausgabe dieses Werkes zählt immerhin 376 Seiten, von denen 50 Seiten den Personalbereich betreffen. Der Staat bestimmt also direkt über die KEF und die Besetzung der Kontrollgremien die Mitteleinnahmen und Ausgaben. Das dürfte den Begriff  „Staatsfernsehen“ rechtfertigen.

Dimensionen wie bei der  ARD wären bei börsennotierten Privatanbietern unvorstellbar. Der Konkurrent und DAX-Titel ProSiebenSat1 (Programme RTL, SAT 1, VOX) beschäftigt knapp 6.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 3,7 Mrd. €, die betriebswirtschaftlich mit den GEZ-Gebühren vergleichbar sind. Während dessen Personalkostenquote bei 16%, verharrt sie bei der ARD über der Marke von 50%.

Was berichtet die Medienwelt zu den Rundfunksgehältern?

Die üppigen Gehälter sind aber nur einer der Kritikpunkte, die an die Adresse des Medienmonopolisten geäußert werden. Darüber weiß die breite Öffentlichkeit nur sehr wenig und ist meist auf Vermutungen angewiesen. In der Presse findet der Leser sporadisch Einzelartikel, mit durchaus spannenden Überschriften. („Was verdient…?). Nach einer externen Studie, einer internen Präsentation respektive einem Vergütungsbericht wird er vergeblich suchen. Hin und wieder lüftet sich ein Geheimnis über die Höhe der Pensionen. So soll die Leiterin des Rundfunks Berlin Brandenburg RBB, Dagmar Reim, neben der gesetzlichen Rente eine betriebliche Pensionszahlung von rd.12.000 € monatlich erhalten, fast so viel wie Altkanzler Helmut Kohl (12.800 €).

Solche Presseberichte beschränken sich vorwiegend auf die Managergehälter und helfen bei einem Niveauvergleich nicht weiter, da sie nicht den Durchschnittwert für die Gesamtheit aller Beschäftigten angeben. In diesem Kontext ist es irrelevant, ob die Star-Moderatorin Marietta Slomka ein „Vermögen“ angehäuft hat oder die 386.100 € Jahresgehalt des WDR-Intendanten Tom Burow in 2015 im Vergleich zu den 16 Mio. € des VW-Chefs Martin Winterkorn zu viel oder zu wenig sind.

Werden in seltenen Fällen die Fernseh-Oberen auf das heikle Thema Gehälter angesprochen, bekommt der Zuschauer immer das gleiche Standardargument zu hören: diese müssen so hoch sein, weil sonst „gute Leute“ in die Privatwirtschaft abwandern. Das behaupten unisono auch Wirtschaftsmanager, wenn sie mit dem Weggang in die USA „drohen“. Es gibt aber nachweislich am deutschen Medienmarkt gar nicht so viele Stellen, zu denen die ARD-Top-Leute wechseln können.

9.021 € monatliche Durchschnittsvergütung unangefochtener deutscher Spitzenwert?

2016 erzielte ein ARD-Angestellter nach dem KEF-Bericht im Durchschnitt eine Gesamtvergütung von 108.252 € jährlich oder 9.021 € monatlich (Tabelle). Dieser Betrag setzte sich aus 7.238 € Gehalt und 1.783 € Zuführung zu den Pensionsrückstellungen, aus denen seine zukünftige Betriebsrente gespeist wird.

Diese Traumvergütung lag deutlich über der Marke vieler Vergleichsgruppen:

  1. Sie ist doppelt so hoch wie das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt der Gesetzlichen Rentenversicherung, die 2016 bei 36.267 € lag. Wird zwecks Vereinheitlichung eine monatliche Nebenkostenpauschale von 35% unterstellt, kommen wir im Bundesdurchschnitt auf 48.960 € jährlich oder 4.080 € monatlich. Ob der ARD-Wert bei diesem Vergleich noch angemessen ist, wird nicht einfach zu beantworten sein.
  2. Schneller wird sich der Bürger eine Vorstellung über die Angemessenheit machen, wenn er die niedrigeren Vergütungen einiger Spitzenbeamten z.B. eines Hochschullehrers oder eines Bundeswehrgenerals heranzieht. Er muss dabei wissen, dass im „Staatsfernsehen“ nicht nach dem Bundesangestelltentarif (BAT), sondern nach einem eigenen Tarif entlohnt wird.
  3. Wie fällt der Vergleich mit der Wirtschaft aus? Gehaltsreports von Personalberatungen belegen, dass Fach- und Führungskräfte in der freien Wirtschaft weniger als bei der ARD verdienen. Stepstone nennt für 2016 eine Gehaltzahl von 5.750 € monatlich, die bei einer großzügigen Nebenkostenpauschale von 40% eine Gesamtvergütung von 8.050 € monatlich ergibt. Von den analysierten Berufen könnten nur die Mediziner und Zahnmediziner (9.279 €) mithalten, die Mitarbeiter der führenden Branche Chemie und Erdölverarbeitenden Industrie, mit 7.958 €, schon nicht mehr.
  4. Der Vergleich mit den Vergütungen in den DAX-Firmen ergibt ebenfalls eine Fehlanzeige. In unsere Auswahl kommen Bayer (hoher Akademikeranteil), Volkswagen (Sieger beim letzten Gehaltszufriedenheits-Index der FAZ) und die Lufthansa (Traditionskonzern, in dem allerdings schlecht bezahlt wird). Zahlen für die Muttergesellschaften – Konzernzahlen würden wegen der vielen Tochtergesellschaften in Niedriglohnländern das Bild verzerren – ergeben,  dass auch die die Bayer AG mit 8.216 €, VW mit 7.336 € (trotz 2016er Bonus) und die Lufthansa mit mageren 4.940 € von der ARD übertroffen werden.

Weitere Vorteile – hohe Arbeitsplatzsicherheit und gedeckte Pensionsrückstellungen

Bei der Bewertung des Arbeitsverhältnisses geht s nicht allein um das Gehalt. Ebenso wichtig: Die Arbeitsplatzsicherheit, Diese kann mit der Fluktuationsquote oder dem Anteil der Zeitverträge ermittelt werden. Diese Angaben sind bei der ARD nicht zu erfahren. Personalfreisetzungen, wie in der Wirtschaft üblich, kommen bei Festangestellten wohl hier nicht vor. Bevor diese Bedrohung real wird, dürfte der Riese wohl zuerst auf seine „Reservearmee“ von den über 11.000 freien Mitarbeitern und Mitarbeitern mit Arbeitnehmerüberlassung zurückgreifen. Diese Gruppe weist trotz geringerer Altersvorsorgezusagen eine nur unwesentlich niedrigere Vergütung wie die Festangestellten aus (Tab. 67 KEF-Bericht).

Exkurs: Die Pensionsrückstellungen der ARD-Beschäftigten sind auf der Aktivseite der Bilanz durch Wertpapiere unterlegt. Die zukünftigen Betriebsrenten gelten daher formal als sicherer, weil sie nicht allein auf dem staatlichen Erfüllungsversprechen basieren. Aufgrund geänderten Bilanzierung (BilMoG) wird zuletzt auch bei der ARD eine Deckungslücke von 2,2 Mrd. € attestiert. Die Frage, wie hoch die Pensionen (Betriebsrenten) selber sind und welche Einschnitte die letzte Reform bringen wird, sprengt das Thema dieses Beitrages. Aus dem WDR-Geschäftsbericht von 2015 erfährt der Bilanzleser (S. 143), dass sie im Durchschnitt bei monatlich 1.839 € lag. Hinzu kommt noch die gesetzliche Rente.

Der Monopolist bekommt Risse – erste Sparanstrengungen, öffentlicher Mitbestimmungswille, bevorstehende „Neiddebatten“

Die geschilderten Gehalts- und Pensionsniveaus wecken Begehrlichkeiten. Wenn im Öffentlichen Dienst überall gespart wird, darf auch der ARD-Konzern nicht abseits stehen. Mehrjahresvergleiche zeigen eine moderat sinkende Beschäftigtenzahl, von etwa 4% in den letzten zehn Jahren. Nur beim WDR wird etwas mehr Personal abgebaut. Auch der Begriff „Rationalisierungsprogramm“ findet in der Rechnungslegung der Anstalten zunehmend seinen Eingang. Dennoch gewinnt der Berichtleser den Eindruck, dass diese „Sparanstrengungen“ Lippenbekenntnisse sind, wie der großzügige Umgang der KEF-Aufsicht mit den Budgetwünschen der Kontrollierten zeigt. Die Genehmigungen (Feststellungen) weichen nur wenig von den (Bedarfs-)Anmeldungen ab, so auch bei den Gehaltsvorstellungen. Ein Vergleich mit dem harten Tarifkampf in der freien Wirtschaft stellt sich nicht.

Der Bürger beginnt bekanntlich gegen die staatlich geschützte Monopolstellung der ARD zu protestieren. Die Zahlungsverweigerungen der GEZ-Gebühren sind erst der Anfang, dem bald „Neid-Debatten“ um die Gehälter folgen könnten. Nach dem Motto „Wehret den Anfängern!“ wünschen sich wohl weder die ARD-Eliten noch die Politik hierzu eine echte Kontrolle von außen. Es geht nicht allein um die 8 Mrd. GEZ-Gebühren, die aus Haushaltsmitteln notfalls zu kompensieren wären. Wer die Abschaffung der Gebühren zu erzwingen imstande ist, wird womöglich bald eine Mitsprache bei den Ausgabestrukturen – hier sickern „Skandalnachrichten“ über Mittelvergeudung nicht nur bei den Großveranstaltungen (Fußball-Weltmeisterschaft) durch – und über die Politikinhalte der ARD verlangen, so die Befürchtungen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die historisch gewachsenen Gehaltsprivilegien bei der ARD kommen zunehmend auf den Prüfstand. Das heutige Erkennungsdefizit hierzu wird sukzessive abgebaut, aber leider wohl in ein langes Handlungsdefizit übergehen. Denn ohne die grundlegende Politikwende wird die Regierung ihre „Meinungsbastion Staatsfernsehen“ nicht freiwillig aufgeben wollen. Die Monopolstellung der ARD und die Verquickung mit den Privatsendern lässt die Gefahr der Gründung eines Privatfernsehens zunächst in weite Ferne rücken. Kleine Systemkorrekturen ja, aber generell den Status Quo verteidigen so lange es geht, heißt anscheinend die augenblickliche Abwehrstrategie.

 

Viktor Heese ist Dozent, Fachbuchautor und Analyst für Finanztitel und Börse. Dieser Bericht ist vorab erschienen bei: https://deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/2017/2017_05_08_dav_aktuelles_ard.html

 

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