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Kündigung – Aus der Praxis des Bewerberratgebers Gerhard Winkler

Kündigung

Sehr geehrte Frau XXXX,

Es erfüllt mich mit besonderer Genugtuung, Ihnen heute mit sofortiger Wirkung die Kündigung in der Probezeit nach § 22 Absatz 1 des BBiG auszusprechen.

Leider kann ich meinem viel zu blauäugigen, um nicht zu sagen von allen guten Geistern verlassenen Leiter des Personalwesens, auf dessen Drängen ich Sie widerwillig als Auszubildende eingestellt habe, nicht gleich mit kündigen. Ich könnte mich nur von ihm scheiden lassen. So ist das nun mal in kleinen und mittleren Unternehmen wie dem meinen.

Um einiges zu groß für unseren kleinen Betrieb ist in jedem Fall Ihr Ego. Wie ich zu meinem Erstaunen bereits im ersten Vorstellungsgespräch bemerkte, brauchten Sie es nicht einmal sonderlich aufzublasen. Es ist gleichsam von Natur aus prall. Nebenbei bemerkt, harmonisiert diese innere Fülle auf das Beste mit Ihrem überbordenden Äußeren. Das ganze Drama Ihrer Persönlichkeit bringen Sie zudem ja mit Ihrer Fülle an sorgsam platzierten Hautbildchen trefflich zum Ausdruck.

Zu dem von Ihnen gottlob nur kurz besetzten Ausbildungsplatz haben Sie ja schon anlässlich unserer ersten Begegnung deutliche Worte gefunden. Unser Eingang ziemlich versteckt. Das Firmenschild voll krass von gestern. Am Empfang wusste man nicht auf Anhieb, wer Sie sind, und auch Ihre Fahrtkosten wollte man Ihnen dort nicht schon vorab begleichen. Dass Sie Ihre künftige Ausbilderin schon beim ersten Rundgang als wohl zum Inventar gehörend titulierten, nahm die gute Seele Ihnen ja nicht übel. Aber mir.

Danke, dass Sie geduldig bis zum Ende unseres Vorstellungsgesprächs gewartet haben, um mir nebenbei zu offenbaren, dass Sie gleich für zwei, genau wie deren Väter hochgradig nervige Blagen zu sorgen haben. Angesichts Ihrer Ankündigung, Ihre Lehre nur mit je nach dem ca. 40 bis 60 prozentiger Verfügbarkeit absolvieren zu können, vermochte ich immerhin meine eigene Flexibilität und Belastbarkeit sowie mein tiefes Verständnis der gesellschaftlichen Anforderungen an die heutigen Arbeitgeber unter Beweis stellen. Konnte ich damit bei Ihnen punkten? Ich fürchte, Sie haben es nicht honoriert.

Am heutigen, ersten Arbeitstag haben Sie Ihre Bürokollegin, die schon von MS DOS bis Mac OS X  ohne größere Fehlzeiten oder Abstürze für mich tätig ist, fortlaufend über die moderne Büroorganisation belehrt. Zugleich ließen Sie sich von ihr erklären, wie man in Word diese doofe Rechtschreibprüfung abstellt und wo sich die coole Schrift, die so wirkt wie auf einer Bandidos-Jacke, im System versteckt. Wie Sie da offensichtlich noch die Muße gefunden haben, als Strap-On-Baby zeitgleich mehrere Chats zu führen, kann ich nicht nachvollziehen. (Ihre Chat-Protokolle haben wir ausgedruckt. Sie gehen mit separater Post an Ihre Eltern.)

Einen Beitrag zu Bildung und Integration zu leisten, zählt auch für KMU zu den vornehmsten Aufgaben der Zeit. Ich war willens und bereit, Ihnen noch einen zweiten Tag zu geben, um Ihre Ausbildungs- und Eingliederungsfähigkeit weiter wohlwollend zu prüfen. Doch Sie haben sich, bevor Sie heute ausnahmsweise schon um 16.37 Ihren ersten Tag bei uns beendeten, in meiner Hörweite bei einer Mitarbeiterin erkundigt, womit die eigentlich hier die Kohle machen. Auf die Antwort Knöpfe in allen Größen, Qualitäten und Preislagen antworteten Sie: Ehrlich? Schon mal was von Zip, dem Zipper gehört?

Sie werden verstehen, dass ich als Knopfproduzentin umgehend den Reißverschluss ziehe. Sie sind mit sofortiger Wirkung frei. Nein, Sie erhalten keine Vergütung bis zum Ende der Probezeit. Ja, Sie erhalten einen kurzen Nachweis, dass Sie uns mit Ihrer Präsenz beglückt haben. Mein Personalchef schreibt Ihr Zeugnis gerade hundert Mal ab. Apropos schreiben; den von meinem Schreibtisch entliehenen Montblanc-Füllfederhalter möchten Sie bitte umgehend wieder retournieren.

Insgesamt haben Sie binnen eines Tages und vor allem beim männlichen Teil der Belegschaft einen irreparablen Eindruck erzeugt, Baby-Strap-On (was immer Ihr Tarnname bedeutet). Mich und die Ausbilderin, Frau XXX, haben Sie vor allem nachhaltig verstört.

Ich wünsche Ihnen von allem das Beste und vor allem viel Glück für Ihre weitere private und professionelle Zukunft!

Freundliche Grüße

XXXXXXXXXXXX

Geschäftsführerin

 

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Juli 2012, Gerhard Winkler, jova-nova.com. Anschreiben texte ich noch weitaus besser. Beste Grüße vom Bewerbungshelfer!

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