Weichenstellung Fachkräftemangel: Frühe Aufteilung von Haupt- und Realschülern führt in Bayern zu sinkenden Schulleistungen
München – Während zahlreiche europäische Länder in den letzten Jahrzehnten Schulsysteme einführten, die ein längeres gemeinsames Lernen vorsehen, ging Bayern im Jahr 2000 mit der flächendeckenden Einführung der sechsstufigen Realschule den entgegengesetzten Weg. Statt wie zuvor nach der sechsten Klasse wurden Haupt- und Realschüler nunmehr schon nach der vierten Klasse aufgeteilt. Eine aktuelle Studie des ifo Instituts zeigt, dass die Reform zu einem Rückgang der schulischen Leistungen sowohl unter Haupt- als auch Realschülern geführt hat. Insbesondere nahm die Anzahl leistungsschwacher Schüler in der Hauptschule zu.
Ziel der vom bayerischen Landtag im April 2000 beschlossenen Reform war es, Realschülern eine vertiefte und breitere Bildung zu ermöglichen und alle Schüler begabungsgerechter fördern zu können. Um die tatsächlichen Auswirkungen der bayerischen Schulreform auf die Schülerleistungen zu untersuchen, nahmen die Bildungsforscher des ifo Instituts die Ergebnisse der deutschen PISA-Erweiterungsstudien der Jahre 2000, 2003 und 2006 unter die Lupe. „Diese Tests erlauben Rückschlüsse auf die Durchschnittsleistungen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften in den verschiedenen Schularten und ermöglichen einen Vergleich zwischen Schularten, Bundesländern und über die Zeit“, erklärt Marc Piopiunik, ifo-Experte aus dem Bereich Humankapital und Innovation und Autor der Studie. Dadurch können die Leistungen der 15-jährigen Schüler in den Jahren 2000 und 2003, die zum größten Teil noch das alte Schulsystem besucht haben, mit den Leistungen der Schüler im Jahre 2006 verglichen werden, von denen die meisten bereits das neue Schulsystem besucht haben.
Verschlechterung der Leseleistung, Rückgang leistungsstarker Schüler
Die Leistungen der Haupt- und Realschüler in Bayern haben sich vor der Reform ähnlich entwickelt wie die Leistungen der entsprechenden Schüler in anderen Bundesländern. Nach der Reform haben sich die Leistungen der bayerischen Haupt- und Realschüler hingegen deutlich schlechter entwickelt, insbesondere im Lesen. Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern ist in Bayern der Anteil der Schüler mit besonders niedrigen Kompetenzen nach der Reform deutlich angestiegen. Der bayerische Leistungsrückgang ist dabei auf die Haupt- und Realschüler beschränkt und findet sich nicht für die bayerischen Gymnasiasten, die von der Reform nicht betroffen waren. Der Rückgang in den Durchschnittsleistungen war in Haupt- und Realschulen etwa gleich groß. Dabei ist in den Hauptschulen die Anzahl besonders leistungsschwacher Schüler besonders stark gestiegen, während in den Realschulen der Anteil besonders leistungsstarker Schüler zurückging.
Für die negativen Auswirkungen dieser Reform kommen mehrere mögliche Ursachen in Betracht: „Beispielsweise haben Schüler in beiden Schulformen durch die frühe Aufteilung weniger Anreize, sich in der fünften und sechsten Klasse besonders anzustrengen, da ja die Würfel bereits gefallen sind. Außerdem verringert eine frühere Aufteilung die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler dem für sie richtigen Schultyp zugewiesen werden. Beides beeinträchtigt sowohl Haupt- als auch Realschüler“, ergänzt Piopiunik abschließend.
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Aleksander Szumilas
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