Hätten Sie’s gedacht? Mehr Diversity im Recruiting dank zeitversetzter Videointerviews
Alle reden drüber. Diversity, Vielfalt, Chancengleichheit für alle Bewerber. Egal, ob türkisch oder deutsch, Mann oder Frau, hübsche Nase oder nicht. Wunschdenken oder mittlerweile Wirklichkeit?
De facto hapert es immer noch an objektiven Entscheidungen in den Personalabteilungen – aller Diskussionen zum Trotz. Dabei sollten Bewerber einzig und allein nach ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen ausgewählt werden… Doch wie? Welche Methoden sind dafür geeignet?
Gerade beim Thema Videorecruiting scheiden sich die Geister: „Verfälschung des ersten Eindrucks“, „Attraktivität des Bewerbers beeinflusst den Personaler“, „Kandidaten werden im Videointerview nicht fair bewertet“… lauten die gängigen Vorurteile. Herkömmliche Methoden wie z. B. das Lebenslaufscreening oder das Telefoninterview seien einfach besser.
Unsere Studie zeigt: Das ist nicht nur schlichtweg falsch, sondern sogar das Gegenteil ist der Fall. Zeitversetzte Videointerviews unterstützen nachweislich eine faire, also diskriminierungsfreie und objektive Personalauswahl.
Prof. Matthias Ziegler hat seit 2008 die Professur für Diagnostik am Psychologischen Institut der Humboldt Universität Berlin inne und war als Leiter für die Durchführung der Studie verantwortlich.
Er untersuchte gemeinsam mit zwei Kolleginnen konkret den Aspekt Fairness, der von uns entwickelten Software für kompetenzbasierte, zeitversetzte Videointerviews.
Dabei ging er mit über 200 Teilnehmern der Frage nach, ob anhand von zeitversetzten Videointerviews überhaupt objektive Entscheidungen getroffen werden können. Wir sind nun gespannt auf die Einschätzung von Matthias Ziegler.
Alle Studienergebnisse können Sie hier als White Paper downloaden.
viasto: Herr Prof. Ziegler, was fanden Sie persönlich eigentlich am interessantesten an der Studie?
MZ: Ganz klar das Ergebnis. Es hat mich nämlich tatsächlich selbst überrascht. Es ist erstaunlich, dass die Fairness in der Bewertung der Videos insgesamt so hoch war. Es gab im Grunde überhaupt keinen verzerrenden Effekt durch das Geschlecht oder den Migrationshintergrund eines Kandidaten. Die Teilnehmer der Studie erhielten nur eine kurze Einweisung in die Bewertungssituation, keiner erhielt in dem Sinne eine ausführliche Beobachterschulung. Trotzdem beurteilten die Teilnehmer an der Studie die Kandidatenleistung einwandfrei und ließen sich nicht durch andere äußere Einflüsse wie das „fremdländische“ Aussehen eines Bewerbers irritieren. Das wäre in einem face-to-face interview oder der Analyse von Bewerbungsunterlagen sicherlich anders ausgegangen.
viasto: Sie haben ja über 200 Teilnehmer in der Studie gehabt. Was war eigentlich deren Reaktion auf diese Auswahlmethode?
MZ: Insgesamt hatten alle sehr viel Spaß bei der Umsetzung – die Teilnehmer haben wirklich gern mit der Methode der zeitversetzten Videointerviews gearbeitet. Und das Prinzip ist wirklich einfach nachzuvollziehen. Man kann sich die Videos ja auch öfter ansehen, das macht es auch für Laien leichter, die Sequenzen auszuwerten. Viele fanden es spannend, dass es diese Art der Eignungsdiagnostik gibt und dass so etwas heute möglich ist.
viasto: Ja die Reaktion kennen wir – die interview suite ist ja auch noch eine relativ neue Methode zur Personalauswahl. Wo wird denn aus Ihrer Sicht die Reise hingehen – was muss Eignungsdiagnostik in den kommenden Jahren leisten? Auch im Hinblick auf das Thema „Diversity“?
MZ: Die Methoden der Eignungsdiagnostik werden mit dem zunehmenden technischen Fortschritt und den verbesserten Systemen immer effizienter, standardisierter und somit auch tendenziell professioneller werden. Das ist ein Fortschritt in Richtung Objektivität. Ich glaube, dass wir zudem eine Veränderung unseres Fokus im Hinblick auf Kompetenzen und Anforderungen brauchen. Wir werden mehr in Richtung basale kognitive Eignung und Persönlichkeitsfacetten auswählen müssen. Es wird immer seltener den Kandidaten geben, der zum Zeitpunkt der Eignungsuntersuchung genau mit seinen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu den spezifischen Anforderungen einer Stelle passt.
viasto: Und was bedeutet das dann konkret für die Praxis?
MZ: Wir werden zunehmend aus einer PE- Perspektive auf die Auswahlsituation schauen müssen. Das heißt aber auch, dass wir andere Tools verwenden müssen.
viasto: Das bringt uns noch mal zurück auf die Studie. Gab es hinsichtlich der Ergebnisse etwas, das aus Ihrer Sicht überraschend war?
MZ: Wie gesagt, für mich war es völlig unerwartet, dass mit völligen Laien auf dem Gebiet der Eignungsdiagnostik, welche die Videoantworten der Kandidaten kompetenzbasiert ausgewertet haben, solche Ergebnisse erzielt werden konnten. Das war schon beeindruckend.
viasto: Lassen Sie uns kurz den advocatus diaboli spielen. Die Welt kam ja auch ohne die interview suite ganz gut aus – was bringt das zeitversetzte Videointerview denn jetzt wirklich im Vergleich zu anderen Auswahlmethoden?
MZ: Naja, wir kamen früher auch ohne Elektrizität aus… und heute ist es doch schon besser mit, oder? Kompetenzbasierte und zeitversetzte Videointerviews sind einfach eine Prozessverbesserung für die Personalauswahl. Und wir brauchen diese dringend. Die Basisraten (=grundsätzliche Quote von geeigneten Bewerbern in der untersuchten Gruppe) sinken stetig, wir befinden uns in der herausfordernden Situation, für immer komplexere Anforderungen rekrutieren zu müssen. Die Bedeutung einer guten Vorauswahl steigt.
Ich muss mir sehr gut überlegen, wen ich tatsächlich aus dem Prozess ausschließen kann und sollte. Mit so einem strukturierten Beobachtungsinterview ist das doch ziemlich perfekt. Die (Qualitäts-)Kennwerte, die wir mit den Videointerviews erhoben haben, versprechen definitiv höhere Erfolgsraten in den Folgeauswahlschritten. Und die Trefferquote in einem Schritt ist dann wieder die Basisrate für den nächsten. So wird es dann leichter mit weiteren Auswahlinstrumenten bessere Ergebnisse zu erzielen.
viasto: Wir können nachvollziehen, dass Psychologieprofessoren sich über diese Aussage freuen. Insgesamt bedeutet das dann für die Praxis also, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, die besten Kandidaten im Prozess zu haben. Und nur, wenn ich das sicher sagen kann, stelle ich auch die richtigen Bewerber ein.
Herr Professor Ziegler wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns auf ein nächstes Mal.
Alle Insights zum Thema Diversity sowie die Studienergebnisse können Sie hier als White Paper downloaden.
Sara Lindemann
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