Jetzt mit Kaffeetag: Die schleichende Kommerzialisierung des Xing-Business-Netzwerks
Kontaktpflege ist Routine, Recruiting-Angebote basieren auf den umfangreichen Mitglieder-Profile, mit Event-Vermarktung werden neue Geldquellen erschlossen. Das alles passt noch halbwegs in das Xing-Geschäftsmodell. Doch nun verkündet Xing in einer Pressemitteilung den nächsten Schritt zur beschleunigten Kommerzialisierung des Business-Netzwerks: Mittwoch ist Kaffeetag. Jawoll!
Damit treffen der Kaffeeröster Tchibo und die Xing Marketeers den Nerv der arbeitenden Bürobeschäftigten. Sie stellen als Begründung ihrer neuen Kooperation fest: „Zwei von drei Deutschen trinken während der Arbeit Kaffee, aber nur 2,5 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen der Kaffee dort schmeckt. Hier wollen wir zusammen mit XING gern Abhilfe schaffen. Wir werden den Premium-Mitgliedern immer wieder eine wechselnde Überraschung anbieten – so wie man es von Tchibo gewöhnt ist. Und den Start machen wir mit unseren besten, zu 100 Prozent nachhaltigen Kaffeespezialitäten in den Filialen.“
Xing-Mitglieder können fortan mit dem Nachweis ihres Premium-Status in den Tchibo-Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz kostenlos eine Kaffeespezialität ihrer Wahl erhalten. Zur Begründung heißt es bei Xing: „Das XING-Vorteilsprogramm begleitet unsere Premium-Mitglieder durch ihren Berufsalltag. Sie erhalten bereits heute News, Fortbildungsangebote, Coworking-Spaces und die Möglichkeit, vom Büro aus online einzukaufen, um nur einige Beispiele zu nennen. Und ab jetzt kostenlos jeden Mittwoch das wohl wichtigste Bürogetränk: Kaffee.“
So wandern also die Gebühren einer Xing-Premium-Mitgliedschaft teilweise in die Vermarktung von Produkten eines Kaffeerösters – natürlich ist die landesweite Verfügbarkeit dieses Gimmicks begrenzt auf die etwa 750 Filialen in Deutschland sowie diejenigen in der Schweiz und in Österreich. Ob die in den Großraumbüros der Republik installierten Kaffeautomaten jetzt abgeschafft werden, davon ist in der Pressemeldung nicht die Rede.
Was kommt als nächstes? Vielleicht entwickelt nun Xing eine Kooperation mit Pizza Hut und integriert den Pizza-Lieferdienst auf der Xing-Smartphone-App. Coca Cola oder McDonald’s wären sicher auch bereit, sich um die Ernährung der Büroangestellten unter den Xing-Premium-Mitgliedern zu kümmern.
Vielleicht ist die schleichende Kommerzialisierung des Xing-Business-Netzwerks auch eine Steilvorlage für den bekennenden Xing-Kritiker Lars Hahn, der auf seinem Blog „Systematisch Kaffeetrinken“ sich viele Gedanken und Sorgen um Xing macht. Zunächst hauptsächlich um die Lösungen bei Smartphones, bald vielleicht auch um Lösungen zum Kaffeetrinken. Nomen est Omen.
XING – Ich mache mir Sorgen um Dich
XING, ich mache mir Sorgen um Dich! Nicht deswegen, weil Du so seriös und wenig spritzig rüber kommst. Das kannst Du sogar noch als Pluspunkt verkaufen.
Ich mache mir Sorgen um Dich, weil ich befürchte, dass Du die mobile Revolution im Web verpasst. Aber auf den Smartphones und Tablets spielt heute die Musik der Social Media-Kommunikation.
Ich mache mir Sorgen um Dich, weil ich glaube, dass Du mehr und mehr zum Nischenanbieter für Fragen der HR, des Recruitings, der Karriere und der Bewerbung wirst. Das wahre Social-Business fände dann woanders statt.
Ein Karriere- und Recruitingportal allein? Ob das reichen würde? Ich glaube kaum?
XING, ich bleibe noch, aber ohne Liebe
Nicht, dass Du glaubst, XING, dass ich Dich verlassen werde. Da denke ich zu strategisch, ganz in dem Sinne, wie Kerstin Hoffmann just schrieb: „Wer in bestimmten, eher traditionell geprägten Branchen oder in der Weiterbildung oder im Personalwesen unterwegs ist, kommt um eine Präsenz hier gar nicht herum.“
Noch brauche ich Dich. Und all anderen, die sich mit Karriere und Recruiting befassen. Ich brauch Dich, aber lieben tu ich Dich nicht mehr.
Was ich mir wünsche: Mobile mit klarer Sprache, Struktur und Funktionalität der Apps und vielleicht ein bischen mehr „Social“.
Bis auf weiteres nutze ich Dich aus Prinzip nur noch stationär. Unter Windows 8. Aber nur mit klassischer Webseite.
Bis dahin viel Erfolg!
Dein Lars
Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‘Systematisch Kaffeetrinken’. Hier bloggt er persönlich. Als Geschäftsführer der LVQ Weiterbildung gGmbH beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.