Berufsausbildung in Deutschland: Betriebe und Bewerber finden schwerer zusammen
Übernahmen sind häufiger denn je
Die Forscher Sandra Dummer, Marek Frei und Ute Leber vom IAB untersuchen im Kurzbericht 230/2014 die derzeitige Situation der Berufsausbildung in Deutschland. Dabei ziehen sie ein ernüchterndes Fazit. Eine der Wurzeln des Fachkräftemangels liegt einerseits bei den fehlenden Qualifikationen der Auszubildenden, andererseits sorgt das Mismatch am Arbeitsmarkt für einen hohen Anteil unbesetzter Ausbildungsplätze.
- Über die Hälfte aller Betriebe verfügte im Jahr 2013 über eine Ausbildungsberechtigung. Wiederum gut die Hälfte dieser Betriebe bildete auch tatsächlich junge Menschen aus. Der Anteil ausbildungsberechtigter sowie ausbildungsaktiver Betriebe ist in Westdeutschland höher als in Ostdeutschland und steigt mit zunehmender Betriebsgröße.
- In einem Beobachtungszeitraum von sieben Jahren (2007 bis 2013) haben sich 44 Prozent aller ausbildungsberechtigten Betriebe kontinuierlich und 37 Prozent mit Unterbrechung an der Ausbildung beteiligt. Ein knappes Fünftel der berechtigten Betriebe war dagegen zu keinem Zeitpunkt ausbildungsaktiv.
- Betriebe haben zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen. Im Jahr 2013 blieb jeder fünfte angebotene Ausbildungsplatz unbesetzt. Dabei sind es vor allem kleine und ostdeutsche Betriebe, die immer schwerer Auszubildende finden. Gleichzeitig ist auch die Zahl der unversorgten Ausbildungsplatzbewerber gestiegen.
- Demgegenüber ist die Situation an der zweiten Schwelle, dem Schritt von der beruflichen Erstausbildung in das Arbeitsleben, so gut wie nie zuvor seit Beginn der Erhebung 1996. Im Jahr 2013 wurden rund zwei Drittel aller Ausbildungsabsolventen von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen.
Nachdem sich die Situation am deutschen Ausbildungsmarkt in den letzten Jahren etwas entspannt hatte, zeigen sich seit 2012 wieder zunehmende Probleme. Dem aktuellen Berufsbildungsbericht zufolge ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit 2012 rückläufig und die Zahl der unversorgten Ausbildungsplatzbewerber hat zugenommen.
Zugleich klagen viele Unternehmen über Schwierigkeiten bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen. Die betriebliche Berufsausbildung stellt eine wesentliche Säule zur Deckung des Fachkräftebedarfs in den Betrieben dar. Deshalb ist es besonders problematisch, wenn die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sinkt und Ausbildungsstellen zunehmend unbesetzt bleiben. Ein genaueres Bild von der betrieblichen Ausbildungsmarktsituation in Deutschland zeichnen die Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel.
Im Folgenden wird sowohl auf die Struktur und Entwicklung der Ausbildungsbeteiligung sowie auf Stellenbesetzungsprobleme in verschiedenen Segmenten des Arbeitsmarktes eingegangen als auch die Übernahme von Ausbildungsabsolventen thematisiert.
Ausbildungsberechtigung und Ausbildungsbeteiligung
Ein Betrieb darf in Deutschland nur dann ausbilden, wenn er die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt. Nach den Daten des IAB-Betriebspanels verfügte im Jahr 2013 über die Hälfte aller Betriebe über eine Ausbildungsberechtigung. In Westdeutschland lag der Anteil ausbildungsberechtigter Betriebe 2013 mit 57 Prozent über dem in Ostdeutschland mit 52 Prozent und im Zeitverlauf haben sich diese Werte nur geringfügig verändert.
Ein Grund für die kleinere Ausbildungsbasis – also den geringeren Anteil an ausbildungsberechtigten Betrieben – in Ostdeutschland liegt in der eher kleinbetrieblichen Strukturierung der dortigen Wirtschaft. Kleinere Betriebe sind deutlich seltener zur Ausbildung berechtigt als Großbetriebe. Es zeigt sich jedoch auch, dass in Ostdeutschland der Anteil ausbildungsberechtigter Betriebe in jeder Betriebsgrößenklasse geringer ist als in den westdeutschen Bundesländern. Betriebe, die die formalen Voraussetzungen zur Ausbildung erfüllen, sind in Ostdeutschland somit insgesamt – also unabhängig von der Betriebsgröße – weniger verbreitet als in Westdeutschland.
Von den Betrieben, die zur Ausbildung berechtigt sind, bildete im Jahr 2013 gut die Hälfte auch tatsächlich aus. Im Unterschied zur Ausbildungsberechtigung sind hinsichtlich der zeitlichen Entwicklung der Ausbildungsbeteiligung durchaus Änderungen zu beobachten. Zwar blieb der Anteil ausbildender Betriebe in Westdeutschland in den vergangenen Jahren weitgehend konstant, in Ostdeutschland ist er jedoch gesunken .
Beteiligten sich im Jahr 2000 noch 50 Prozent aller ausbildungsberechtigten Betriebe in Ostdeutschland an der Ausbildung, so waren dies zuletzt nur noch 42 Prozent. Damit lag die Ausbildungsbeteiligung in den ostdeutschen Bundesländern deutlich unter dem Niveau der westdeutschen (53 %). In Westdeutschland verfügen also nicht nur mehr Betriebe über eine Ausbildungsberechtigung, diese wird auch von einem größeren Teil der Betriebe tatsächlich genutzt.
Fazit
Die aktuellen Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel haben gezeigt, dass zahlreiche Betriebe die Möglichkeit nutzen, ihren Bedarf an Fachkräften durch eigene Ausbildung zu sichern. In Ostdeutschland und im kleinbetrieblichen Segment war die Ausbildungsbeteiligung in den letzten Jahren allerdings leicht rückläufig. Dennoch bedeutet dies nicht, dass viele Kleinbetriebe generell ausbildungspassiv sind – vielmehr bildet der Großteil von ihnen zumindest in einzelnen Jahren aus. Fragt man nach den Möglichkeiten zur Erhöhung des Ausbildungspotenzials, geht es also nicht nur darum, den Pool ausbildungsaktiver Betriebe zu erweitern, sondern auch darum, die Regelmäßigkeit ihrer Ausbildungsbeteiligung zu verfestigen bzw. zu erhöhen.
Gleichwohl hatten zahlreiche Betriebe mit Ausbildungsplatzangeboten Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Viele Betriebe sind grundsätzlich zur Ausbildung bereit, finden aber keine (geeigneten) Bewerber. Dies trifft vor allem auf ostdeutsche und auf kleinere Betriebe zu, was auf differenzierte Problemlagen hinweist. Die größeren Schwierigkeiten dieser Betriebe hängen jedenfalls nicht mit einer geringeren Kompromissbereitschaft zusammen. In Ostdeutschland sind insbesondere die demografische Entwicklung und die Abwanderung vieler Jugendlicher in den Westen als spezifische Probleme zu nennen. Dass kleine Betriebe oftmals ein nicht ausreichendes Bewerberangebot haben, könnte auch mit den (vermeintlich) weniger attraktiven Arbeitsbedingungen und mangelnder Transparenz zu tun haben. Mögliche Ansatzpunkte zur Reduzierung dieser Probleme sind Aktivitäten zur Erhöhung des Informationsstandes der Bewerber und der Attraktivität als Arbeitgeber. Dies kann beispielsweise durch die Nutzung neuer Such- bzw. Rekrutierungswege von potenziellen Ausbildungsplatzbewerbern sowie das Angebot von Praktika oder Betriebsbesuchen geschehen.
Unbesetzte Ausbildungsstellen können für die Betriebe nicht nur ein momentanes Problem darstellen, sondern auch ihre grundsätzliche Entscheidung, Ausbildungsplätze anzubieten, beeinflussen. So ist es denkbar, dass sich Betriebe, die angebotene Ausbildungsplätze wiederholt nicht mit geeigneten Bewerbern besetzen konnten, dauerhaft aus der betrieblichen Berufsausbildung zurückziehen und keine Ausbildungsplätze mehr anbieten.
Obwohl die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen zugenommen hat, ist gleichzeitig auch die Zahl der unversorgten Ausbildungsplatzbewerber gestiegen. Offene Ausbildungsstellen auf der einen und unversorgte Bewerber auf der anderen Seite stellen die Betriebe, aber auch die Politik, vor zunehmende Herausforderungen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den jüngsten IAB/BIBB-Projektionen vor allem auf der mittleren Qualifikationsebene Fachkräfteengpässe zu erwarten sind, gilt es, regionale und berufliche Passungsprobleme so weit wie möglich zu lösen und so den Bedarf an Fachkräften zu sichern.
Während die Situation an der ersten Schwelle des Ausbildungsmarktes zuletzt aufgrund von regionalen, beruflichen oder qualifikatorischen Passungsproblemen wieder etwas schlechter wurde, hat sie sich an der zweiten Schwelle, beim Übergang von der Ausbildung in das Erwerbsleben, deutlich verbessert. Die im Zeitverlauf stark gestiegenen Übernahmequoten von Ausbildungsabsolventen machen ebenfalls darauf aufmerksam, dass der Ausbildung als Instrument zur Sicherung des Fachkräftebedarfs große Bedeutung zukommt.
(Quelle: IAB-Kurzbericht 20/2014)