Fortgeschrittene Berufsbildung in Deutschland, Österreich und Schweiz gut etabliert
(Berlin/Paris, 13. November 2014) – In wenigen OECD-Ländern hat das Berufsbildungssystem einen so hohen Stellenwert wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nicht zuletzt dank der vielgestaltigen Möglichkeiten in der Berufsaus- und Weiterbildung verläuft der Übergang von der Schule ins Arbeitsleben in allen drei Ländern vergleichsweise reibungslos. Die berufliche Bildung des sogenannten Sekundarbereichs II (duales System) schafft ein solides Fundament für spätere Weiterqualifizierung, insbesondere durch die postsekundäre berufliche Bildung.
Mit dieser fortgeschrittenen beruflichen Ausbildung, die über mindestens sechs Monate Vollzeit erfolgt und sowohl am Anfang einer Berufslaufbahn stehen als auch eine Zusatzqualifikation für bereits erfahrene Arbeitskräfte bieten kann, beschäftigt sich der jüngste Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung „Skills Beyond School“. Der Bericht baut auf zwanzig Länder-Analysen zum Thema auf, die die OECD jüngst erstellt hat.
Fast zwei Drittel des gesamten Stellenwachstums in der Europäischen Union entfällt Prognosen zufolge in den kommenden Jahren auf technische und verwandte Berufe. Schon heute hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz etwa jeder fünfte Erwerbfähige zwischen 20 und 45 Jahren einen Abschluss der fortgeschrittenen Berufsbildung als höchste Qualifikation. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die Berufsbildung in den drei Ländern als vielversprechende Karriereoption verstanden wird – auch, weil der Arbeitsmarkt nach Absolventen der entsprechenden Ausbildungsgänge verlangt.
„Skills Beyond School“ führt an, dass Berufsbildung in vielen OECD-Ländern, darunter auch den deutschsprachigen, noch an Attraktivität gewinnen könnte, wenn der Übergang von beruflicher in akademische Bildung gestärkt würde. Zwar haben sowohl Deutschland, als auch Österreich und die Schweiz in dieser Hinsicht schon einiges getan, allerdings werden die einfacheren Zugänge zum Beispiel zu Fachhochschulen bisher noch immer verhältnismäßig schwach genutzt. In allen drei Ländern hängt es oft von individuellen Vereinbarungen zwischen verschiedenen Lerninstitutionen ab, ob früher erbrachte Bildungsleistungen anerkannt werden – ein wesentliches Zugangshindernis.
Der Bericht unterstreicht zudem, dass Deutschland und Österreich noch mehr tun sollten, um sicherzustellen, dass die Lehrkräfte in beruflichen Bildungsgängen gleichermaßen über Praxiserfahrung und pädagogische Kompetenzen verfügen. In Deutschland empfiehlt er vor allem Fachschulen darauf zu achten, dass Ausbilder ihre Qualifikationen regelmäßig auf den neusten Stand bringen – etwa, indem sie in definierten Abständen Praxisphasen in der Industrie absolvieren. Auch sollten Fachschulen die Möglichkeit erhalten, mehr Teilzeitkräfte einzustellen, die neben ihrer Lehrtätigkeit in Unternehmen arbeiten.
In österreichischen berufsbildenden höheren Schulen ist es bereits üblich, dass Experten aus der Praxis auch lehren. Allerdings macht es eine Gesetzesänderung seit Mitte der 90er Jahre schwerer, Lehrpersonal aus der Industrie einzustellen. Dass es auch anders geht, zeigt die Schweiz: Hier gibt es eine Reihe von flexiblen Arrangements, die es erlauben, Lehr- und Praxistätigkeit miteinander zu verbinden und die gleichzeitig gewährleisten, dass die Lehrpläne die Anforderungen der Industrie berücksichtigen.
Genauso wichtig wie für Lehrer ist die praktische Erfahrung für die Schüler. Gerade an deutschen Fachschulen aber hat die Berufserfahrung der Schüler in jüngeren Jahren deutlich abgenommen. Vor diesem Hintergrund sollten praktische Elemente verpflichtend in die Lehrpläne der Schulen aufgenommen werden. Auch in Österreich sind praktische Ausbildungsintervalle am Arbeitsplatz nicht obligatorisch. Wären sie es, hätte das neben der konkreten Erfahrung für die Schüler den Vorteil, dass die Arbeitgeber noch stärker in die Gestaltung des Ausbildungsprozesses eingebunden werden könnten als bisher. Die Schweiz ragt auch bei der Integration praktischer Lehrabschnitte heraus. Hier sind Praktika ein integraler Bestandteil aller Berufsbildungsprogramme. Insgesamt plädiert „Skills Beyond School“ dafür, die staatliche Förderung von Berufsbildungsgängen davon abhängig zu machen, dass sie verpflichtende Praxisteile haben.
Nach Erkenntnissen des Berichts gibt es weitere Elemente, die in den meisten erfolgreichen Berufsbildungssystemen anzutreffen sind. So hat es sich beispielsweise als sinnvoll erwiesen, am Anfang der Ausbildung zu prüfen, ob die Schüler grundlegende Rechenoperationen ausführen und Texte verstehen können. Die erste OECD-Studie über die Kompetenzen von Erwachsenen, PIAAC 2013, hat gezeigt, dass vielen Menschen selbst nach Beendigung der Schule wesentliche Fähigkeiten fehlen, um im Alltag zu bestehen. Deshalb sollten Kernkompetenzen wie Rechnen und Lesen in den Ausbildungsinhalt integriert werden.
Darüber hinaus verfügen erfolgreiche Berufsbildungssysteme in der Regel über eine große Spannbreite an Programmen in einer Vielzahl von Berufsgruppen. Dadurch bieten sie Lernoptionen für alle und minimieren die Abbruchraten. Flexible Lernangebote ermöglichen es dabei auch Berufstätigen, Job, Familien und Weiterbildung in Einklang zu bringen. Von entscheidender Bedeutung ist schließlich die enge Kooperation mit Arbeitgebern und Gewerkschaften. Nur so kann sichergestellt werden, dass die erworbenen Qualifikationen den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht werden.