Per Rasenmäher oder Heckenschere? Sorgfältige Analyse beim Personalabbau ist wichtiger denn je
27. Dezember 2009 (ghk). Ds Personalmanagement steckt in einem Dilemma: Die Wirtschaftskrise ist noch nicht ausgestanden und noch drohen unliebsame Überraschungen mit Kürzungen im Personalbestand. Andererseits sollen die Fehler der Krisenjahre 2001 bis 2004 nicht wiederholt werden. Damals hatte sich nach dem Platzen der Dot.Com-Blase große Ernüchterung breitgemacht und Personalabbau ohne Rücksicht auf die Knappheit der Fachkräfte und Spezialisten war die Folge.
Angesichts dieser Erfahrungen war es nur eine logische Folge, daß Themen wie Talent Management und Fachkräftemangel in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten sind und folgerichtig auch auf der StepStone Summit Konferenz in Düsseldorf einen breiten Raum einnahmen.
Dr. Michael Geke brachte es in seinem Eröffnungsvortrag „Strategic Workforce Planning als Fundament für nachhaltiges Talent Management“ auf den Punkt und stellte die kritische Frage: Wie entwickelt sich der Personalbestand eines Unternehmens in den einzelnen strategischen Kompetenzfeldern? Wirtschaftskrise hin – War for Talents her: In diesem Spannungsfeld müssen Personalmanager leben und sie müssen sich den betriebsinternen Herausforderungen – geprägt durch Kostensenkungsmaßnahmen, Umstrukturierungen, Personalabbau und dergleichen – stellen.
Jobfamilien und Skill-Abgleich
Empfehlenswert ist es, wenn der Personalmanager auf diese Herausforderungen gut vorbereitet ist und mehrere Pfeile im Köcher hat. Michael Geke führte anfangs aus, dass im Jahre 2007 Siemens einen entgangenen Umsatz in Höhe von rund 1.2 Milliarden Euro hinnehmen musste, weil Fach- und Führungskräfte nicht in ausreichendem Umfang eingestellt werden konnten.
Zu den unabdingbaren Schritten gehört laut Geke eine sorgfältige Workforce Planning, um aus den Anforderungen der Unternehmensstrategie und der Marktentwicklung die Mitarbeiter- und Kompetenz-Profile abzuleiten. Mit Hilfe dieses Mitarbeiter-Portfolios kann dann ein Abgleich mit dem Angebot am Arbeitsmarkt erfolgen, eine Simulation oder Projektion der Situation kann helfen, Risiken zu identifizieren und zu quantifizieren. Letztlich dient dieses dazu, die Rationale und den Handlungsbedarf daraus als Business Case abzuleiten – und entsprechend zu kommunizieren.
Der Prozess der Workforce Planning setzt dabei auf der Einordnung der Mitarbeiter in sogenannte Jobfamilien und Hierarchiestufen auf, eine Gruppierung nach Alter wird aus demografischen Gründen ebenfalls erforderlich. Somit ergibt sich ein transparentes Bild der Mitarbeiter-Zugänge aus der Übernahme von Azubis, Neueinstellungen, Fremdbesetzungen sowie einer Nachfolgeregelung. Auf der Seite der Abgänge werden Entlassungen, Verrentungen, Übergang in Altersteilzeit oder Kündigungen entsprechend berücksichtigt. Geke kommt in seinen Ausführungen zum prägnanten Fazit: „Workforce Planning ist in Krisenzeiten unerlässliche Basis des Talent Lifecycle Managements!“
Fachkräftemangel in schwierigen Zeiten
Frank Hensgens, Vorstand StepStone Deutschland, erläuterte in seinem wegweisenden Vortrag „Sustainable Recruitment“, wie dem Fachkräftemangel in wirtschaftlich schwierigen Zeiten begegnet werden kann. Eine hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland ist gewissermaßen schon fast ein Dauerzustand, doch der Arbeitsmarkt ist in der Tat zweigeteilt: Der Markt für Fach- und Führungskräfte und der gewerbliche Arbeitsmarkt. Die Bundesrepublik Deutschland genießt aufgrund einer starken und qualifizierten Ausprägung des Human Capital im Bereich der Fach- und Führungskräfte einen Standortvorteil, der insbesondere durch die MINT-Ausbildungsfächer (Mathematik, Ingenieure, Naturwissenschaften und Telekommunikation) an den Universitäten geprägt ist. Im August 2009 gab es Hensgens zufolge 60.000 offene Stellen, der Ingenieur-Mangel wird zusehends größer und der Akademiker-Nachwuchs verzeichnet weniger Absolventen. Hinzu kommt die unerbittlich voranschreitende Demographie: Der Altersquotient (Anzahl Rentner bezogen auf 100 Erwerbstätige) lag im Jahr 2007 bei 44, für das Jahr 2050 wird ein Altersquotient von 81 vorausgesagt.
Trotz Wirtschaftskrise hat sich ein spezifisches Segment des Arbeitsmarktes als krisensicher erwiesen: Der Öffentliche Dienst ist der Gewinner der Krise, so Hensgens. Es darf nicht unbeachtet gelassen sein, dass der Öffentliche Dienst nicht nur Verwaltungskräfte sucht, sondern in zunehmendem Maße auch Ingenieure, IT-Spezialisten und andere Fachkräfte und Experten. Dieses Arbeitsmarktsegment umfasst zur Zeit 4,5 Millionen Arbeitnehmer, doch 33% der Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst sind bereits 55 Jahre oder älter.
In der Auseinandersetzung mit dem Fachkräftemangel gibt es Handlungsbedarf. Hierzu gehören:
• Internationales Recruitment
• Einbindung älterer Mitarbeiter
• Aktive Ansprache von Absolventen
• Zielgerichtete, vorausschauende Rekrutierung
• Qualifikation bestehender Mitarbeiter
• Verstärkung der Arbeitgebermarke (Employer Branding)
• Intensivierung der Mitarbeiterbindung.
HR muss strategisches Thema werden, so das Credo von Frank Hensgens.
Geht’s raus und spielt’s Fußball
Wer sichdie Mühe macht, die Statistiken und Ankündigungen der Unternehmer zum geplanten Stellenabbau näher anzuschauen, gewinnt kaum die Gewissheit, daß hinter den nackten Zahlen ein Ringen um die optimale Mitarbeiter-Kapazitäten gestanden hat. Wie ein Controller-Mantra werden die Zahlen des Personalabbaus vorgebetet – eine differenzierte Analyse ist häufig Fehlanzeige. Und so drängt sich der Eindruck auf, daß nur wenige Unternehmen Analyse-Methoden eingesetzten um Kostensenkungsbedarf und den damit einhergehenden Personalabbau zu begründen – die all zu „runden“ Hiobszahlen hätten auch von einem Zauberer wie weiße Kaninchen aus dem Zylinder hervorgeholt werden können.
Unternehmen | Anzahl Stellen | Branche |
Deutsche Bahn | 6000 | Verkehrsunternehmen |
Opel | 4100 | Automobilindustrie |
Primondo/Quelle | 3100 | Versandhandel |
T-Systems | 3000 | Telekommunikation |
Hertie Warenhaus | 2700 | Handel |
Continental | 2600 | Autozulieferer |
Heidelberger Druckmaschinen | 2500 | Maschinenbau |
Thyssen Krupp | 2000 | Stahl |
Ergo | 1800 | Versicherung |
Metro | 1800 | Handel |
HVB Hypo Vereinsbank | 1500 | Bank |
Karmann | 1300 | Autozulieferer |
Koenig & Bauer | 1150 | Maschinenbau |
HSH Nordbank | 1100 | Bank |
Otto-Gruppe | 1000 | Versandhandel |
Harmann Becker | 950 | Autozulieferer |
Deutsche Bank | 800 | Bank |
Deutz | 800 | Motorenbau |
Jungheinrich | 800 | Gabelstabler |
NXP | 800 | Halbleiter |
Wacker Chemie | 800 | Halbleiter |
Deutsche Post DHL | 720 | Post |
Klöckner & Co | 700 | Stahlhandel |
Deutsche BP | 690 | Mineralöl |
Lufthansa | 670 | Fluggesellschaft |
Micronas | 667 | Halbleiter |
ATU Autoteile Unger | 650 | Autowerkstatt |
Kampa | 650 | Fertighaus |
Manroland | 625 | Maschinenbau |
Linde | 600 | Industriegase |
SAP | 600 | Software |
Leoni | 580 | Autozulieferer |
Hewlett-Packard | 556 | Computer |
Shell Deutschland | 550 | Mineralöl |
Winter Eisengießerei | 530 | Autozulieferer |
Demag Cranes | 500 | Kranbauer |
EDS | 500 | Software |
Q-Cells | 500 | Solarindustrie |
Securlog | 500 | Werttransporte |
DZ Bank | 450 | Bank |
Thyssen Krupp Marine Systems | 450 | Werft |
Federal Mogul | 436 | Autozulieferer |
Combase | 430 | Autozulieferer |
Tyco Electronics AMP | 430 | Autozulieferer |
Eberspächer | 420 | Autozulieferer |
Mahle | 420 | Autozulieferer |
Schmitz Cargobull | 410 | Nutzfahrzeuge |
AE-Group | 400 | Autozulieferer |
Eurohypo | 400 | Bank |
Ferchau Engineering | 400 | Ingenieurdienstleister |
Knaus Tabbert | 400 | Wohnwagen |
Märklin | 400 | Spielwaren |
Villeroy & Boch | 400 | Haushaltswaren |
Quelle: FAZ 7. Oktober 2009
Beim Beschäftigungsabbau geht es auch um die Gefährdung realer persönlicher Existenzen und die Betroffenen und die Öffentlichkeit haben es eigentlich verdient, die Notwendigkeiten des Personalabbaus differenziert ausführlich begründet dargestellt zu bekommen. Beim Sport, namentlich beim Fußballsport, könnte man eine gewisse Noncholance eher entschuldigen, wie weiland Teamchef Franz Beckenbauer, der den deutschen Nationalspielern bei der WM 1990 die Spiel-Taktik erläuterte: „Geht’s raus und spielt’s Fußball.“