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Blockchain: Eine Technologie auf der verzweielten Suche nach Anwendungen

Deutsche Wirtschaft zögert bei der Blockchain

  • Mehrheit sieht großes Potenzial für Handelsplattformen und Datensicherung
  • 9 von 10 diskutieren aber aktuell nicht einmal über Einsatz der Technologie
  • Unternehmen beklagen fehlende Use Cases und Mangel an Blockchain-Experten

Die deutsche Wirtschaft sieht große Chancen in der Blockchain, zögert aber noch, die Technologie im eigenen Unternehmen einzusetzen. Vor allem fehlende Anwendungsfälle, der Mangel an Blockchain-Experten sowie rechtliche Unsicherheiten werden dabei als Herausforderungen gesehen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 1.004 Unternehmen ab 50 Mitarbeitern im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die heute im Vorfeld des Digital-Gipfels der Bundesregierung vorgestellt wurde. „Rund um die Blockchain gibt es weltweit viele Pilotprojekte, die die Möglichkeiten der Technologie erahnen lassen – aber noch wenig Vorzeigbares oder Alltagstaugliches. Wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen, kann Deutschland bei der Entwicklung von Blockchain-Lösungen ganz vorne dabei sein“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg.

Blockchain-Technology

In Großunternehmen steht Blockchain auf der Agenda

Die Mehrheit der Unternehmen (60 Prozent) hat sich generell überhaupt noch nicht mit dem Thema Blockchain beschäftigt. Gerade einmal jedes achte Unternehmen (12 Prozent) sieht sich selbst dem Thema gegenüber aufgeschlossen. Jedes Elfte (9 Prozent) ist kritisch und ablehnend eingestellt. Entsprechend zögerlich sind die Unternehmen auch beim Praxis-Einsatz der Technologie. 9 von 10 Unternehmen (86 Prozent) haben noch nicht einmal darüber nachgedacht, ob und wie Blockchain genutzt werden könnte. Gerade einmal 2 Prozent diskutieren aktuell den Einsatz, 4 Prozent sind in der Planungs- oder Testphase und bei weiteren 2 Prozent laufen bereits Projekte. Bei den Großunternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten sieht das Bild etwas anders aus. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) hat sich bereits mit dem Blockchain-Einsatz befasst: Jedes Neunte (11 Prozent) diskutiert darüber, jedes Vierte (26 Prozent) ist in der Planungs- oder Testphase. Und immerhin 17 Prozent geben an, dass bereits Projekte laufen.

Für den Blockchain-Einsatz fehlen Use Cases, Experten und Rechtssicherheit

Die große Mehrheit der Unternehmen verzichtet bislang vollständig auf Blockchain-Projekte, weil sie derzeit keinen praktischen Anwendungsfall, so genannte Use- oder Business Cases, sehen (88 Prozent). Ebenso viele geben an, dass es dafür an qualifiziertem Personal fehlt. Jeweils 7 von 10 Unternehmen beklagen rechtliche Unsicherheit (72 Prozent) und fehlende Standardisierung (70 Prozent) rund um Blockchain. Zwei Drittel nennen Anforderungen an den Datenschutz (66 Prozent) und an die IT-Sicherheit (64 Prozent) als Hemmnisse. 6 von 10 sagen, dass die Blockchain-Technologie noch nicht ausgereift sei (59 Prozent), jedes dritte Unternehmen (37 Prozent) hält die Investitionskosten für zu hoch.

Unternehmen sehen Anwendungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Bereichen

Das größte Potenzial für die Blockchain sehen die Unternehmen beim Einsatz als dezentrale Handelsplattform oder dezentrales Transaktionssystem (70 Prozent). Ein Beispiel dafür sind Kryptowährungen wie Bitcoin. Rund zwei Drittel (63 Prozent) nennen die Möglichkeit, die Aktivitäten aller Partner einer Wertschöpfungskette nachvollziehbar zu gestalten. So lässt sich feststellen, ob das Ersatzteil wirklich vom Original-Hersteller stammt oder das Fleisch in der Kühltheke tatsächlich vom Bio-Rind. Rund jedes zweite Unternehmen geht davon aus, dass mit Blockchain die sichere und transparente Übertragung von Nachweisen über Eigentumsrechte möglich wird (57 Prozent). Damit ließe sich etwa der Kaufvertrag über die Immobilie manipulationssicher auf einer Blockchain speichern, so dass kein Notar mehr erforderlich wäre.

Jene Unternehmen, die Blockchain bereits nutzen, darüber diskutieren oder den Einsatz planen, haben große Erwartungen an die Technologie. Praktisch alle (98 Prozent) gehen davon aus, bestehende Produkte oder Dienstleistungen anpassen zu können. 82 Prozent wollen so gänzlich neue Produkte und Dienstleistungen anbieten. Und zwei Drittel (66 Prozent) geben an, dass sie dank Blockchain neue Geschäftsmodelle entwickeln können.

Kooperationen zur Blockchain: Startups werden außen vor gelassen

Den Weg in die Blockchain-Welt will nur eine Minderheit alleine beschreiten. Rund zwei Drittel (63 Prozent) gehen die Implementierung der Blockchain mit Partnern an. Jedes vierte Unternehmen (27 Prozent) tauscht sich in Branchen- oder Interessenverbänden aus oder hat ein IT-Beratungsunternehmen (25 Prozent) an Bord. Jeweils 12 Prozent kooperieren mit wissenschaftlichen Einrichtungen oder ihren eigenen Zulieferern, nur 3 Prozent mit Wettbewerbern. Gerade einmal 8 Prozent arbeiten rund um die Blockchain mit Startups zusammen. Berg: „Unternehmen sollten bei der Blockchain die Zusammenarbeit mit Startups suchen, die bei der Technologie-Entwicklung häufig weit vorne mit dabei sind. Hier sollten gerade auch mittelständische Unternehmen ihre Chancen nutzen.“

Bitkom: Politik muss Deutschland zum Blockchain-Vorreiter machen

Berg forderte, „Deutschland zum Vorreiter bei Blockchain-Anwendungen zu machen“. Dazu seien neben einem verstärkten Einsatz der Unternehmen auch flankierende Maßnahmen der Politik notwendig. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass Blockchain-Technologien Teil von Ausbildung und Studienangeboten werden. Wir haben bei anderen Technologien gesehen: Wenn es an den klugen Köpfen fehlt, dann fehlt es auch an marktfähigen Anwendungen“, so Berg. Darüber hinaus müsse die Forschung zur Blockchain massiv gefördert werden, etwa durch anwendungsbasierte Forschungscluster zwischen Industrie und Hochschulen, aber auch durch Förderprogramme. Berg: „Wir brauchen Förderprogramme zur Blockchain-Technologie, von denen auch Startups und Kleinunternehmen profitieren können.“ Zusätzlich sollten Bund, Länder und Kommunen vorangehen und Blockchain-Pilotprojekte in der öffentlichen Verwaltung etablieren, etwa für öffentliche Register. Damit aus diesen Projekten auch marktfähige Anwendungen werden können, müssen nach Ansicht des Bitkom die rechtlichen Rahmenbedingungen überprüft und wo nötig angepasst werden. „Ein Token muss als digitaler Mechanismus dieselbe Funktion haben dürfen wie eine Papierurkunde“, sagte Berg.

Bitkom veranstaltet am 3. Dezember, dem ersten Tag des Digital-Gipfels der Bundesregierung, in Nürnberg, erstmals einen Blockchain Business Summit. Erwartet werden mehr als 300 Teilnehmer von Großunternehmen, Mittelständlern und Startups sowie aus Wissenschaft und Politik. Alle Informationen online unter blockchain-business-summit.de.

Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.004 für das Thema digitale Technologien verantwortliche Personen (u.a. Leiter Informationstechnik, Leiter Digitalisierung, technische Direktoren) von Unternehmen aller Branchen mit 50 und mehr Beschäftigten telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.