Staatliche Umverteilung: Wer zahlt, wer empfängt
Wer viel hat, kann viel geben und wer wenig hat, wird unterstützt – in Deutschland gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die dafür nötige staatliche Umverteilung funktioniert deutlich besser, als es die öffentliche Diskussion häufig vermuten lässt. Das zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Staatliche Umverteilung ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Sozialsystems und geht weit über klassische Steuern hinaus. Mithilfe von Einkommen- und Mehrwertsteuern sowie Beiträgen zu Versicherungen wie der Krankenversicherung unterstützt der Staat Menschen mit geringem oder keinem Einkommen und finanziert beispielweise Pensionen und Arbeitslosengeld. Das System ist komplex, die Instrumente wirken sehr unterschiedlich: Die Mehrwertsteuer spüren ärmere Menschen viel stärker als reichere, bei der Einkommensteuer ist es umgekehrt.
Die reicheren 50 Prozent sind Nettozahler
So zahlten die reichsten zehn Prozent im Jahr 2019 durchschnittlich pro Haushalt und Jahr rund 47.600 Euro mehr Steuern und Abgaben, als sie an staatlichen Leistungen erhielten. Beim obersten 1 Prozent der Haushalte waren es sogar über 118.000 Euro. Das ärmste Dezil dagegen erhielt im Saldo über 4.400 Euro mehr Transfers, als es an den Staat abführen musste. Dennoch macht sich beim ärmsten Zehntel der Haushalte bemerkbar, dass beispielsweise die Mehrwertsteuer, Tabaksteuer oder auch die EEG-Umlage auf Strom nicht vom Einkommen abhängen und – prozentual betrachtet – ärmere Haushalte stärker belasten.
Ärmere haben mehr Ansprüche als sie einfordern
Tatsächlich ist es laut IW-Studie dann auch nicht das ärmste Zehntel, sondern das zweitärmste, das mit über 6.400 Euro pro Haushalt vom Staat unterm Strich am meisten bekommt. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Rentenzahlungen, von denen besonders viele ins zweite und dritte Dezil gehen.
„Das Leistungsfähigkeitssystem in Deutschland funktioniert insgesamt sehr treffsicher“, sagt Studienautor Martin Beznoska. Eine Stellschraube zur Optimierung sieht der Ökonom allerdings noch: „Jene, die wenig Lohn bekommen, nehmen nicht immer ihre Leistungsansprüche wahr – beispielsweise das Wohngeld. Würde sich das ändern, würde das die einkommensärmeren Haushalte weiter entlasten.“
Im interaktiven Tool, das parallel zur Studie erschienen ist, kann jeder Nutzer herausfinden, wo er im Verteilungsranking steht: Nach Angaben zum Haushaltseinkommen und der Familienkonstellation zeigt das Tool, wie viel Prozent der deutschen Haushalte mehr und wie viele weniger verdienen, wie viele Abgaben an dieser Einkommensposition 2019 durchschnittlich gezahlt und wie viele Transfers empfangen wurden – wahlweise in Euro oder in Prozent des Einkommens.