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Internet-basierte Geschäftsmodelle: Vor- und Nachteile der Netzneutralitätsregulierung

Analyse von vier Geschäftsmodellen für das Internet im Hinblick auf zunehmende Datenverkehre und die Folgen für die soziale Wohlfahrt

Hans W. Friederiszick, ESMT

Datenintensive Anwendungen wie Online-Videos und „Cloud-Gaming“ haben in den letzten Jahren die Nachfrage für hohe Internet-Bandbreiten gesteigert. Zusammen mit der  unehmenden kommerziellen Bedeutung des Internets hat diese Entwicklung eine globale Debatte über Netzneutralität angeregt. Politiker, Regulatoren, die Industrie, aber ebenso die allgemeine Öffentlichkeit haben lebhaftes Interesse an diesem Thema. Das zeigte auch der Konsultationsprozess der Europäischen Kommission im zweiten  Halbjahr 2010, in dem die Kommission über 300 Antworten von Interessierten zu dem Thema erhielt. „Trotzdem fehlte bisher eine gründliche Analyse, die Folgen von Netzneutralitätsregulierung auf mögliche Geschäftsmodelle für das Internet testet. Wichtig ist dabei, die Marktbedingungen in Europa zu berücksichtigen, vor allem die Zugangsregulierung“, erklärt Hans W. Friederiszick, Koautor der Studie „Assessment of a sustainable Internet model for the near future“.


In der unabhängigen wissenschaftlichen Studie von Hans W. Friederiszick, Jakub Kaluzny, Simone Kohnz und Lars-Hendrik Röller, die die Deutsche Telekom in Auftrag  gegeben hat, präsentiert ESMT Competition Analysis (CA) vier Geschäftsmodelle für das Internet und erwägt die potentiellen Regulierungsfolgen. Jedes Geschäftsmodell konzentriert sich auf einen speziellen Aspekt, wie das Management von Kapazitätsproblemen, die Ermöglichung von neuen Services oder die Produktauswahl für  Verbraucher. Die Analyse deckt so eine große Zahl potentieller Szenarien ab. Jedes Szenario führt zu unterschiedlichen Wirkungen in Bezug auf gesellschaftlich relevante Aspekte wie Innovationsanreize und die Lösung von Kapazitätsproblemen. Diese positiven und negativen Effekte sollte Netzneutralitätsregulierung nicht außer Acht lassen.

Da man nicht mit Sicherheit voraussagen kann, welches Geschäftsmodell in Zukunft dominieren wird, ist eine abwartende Haltung sinnvoll: Das bedeutet, die  Marktentwicklungen genau zu beobachten und erst bei aufkommenden Wettbewerbsbedrohungen konsequent zu reagieren, anstatt präventiv zu handeln und damit  vorteilhafte Geschäftsmodelle in ihrer Entwicklung zu blockieren.
Lars-Hendrik Röller, Präsident der ESMT und Senior Advisor bei CA, sagt: „Europäische Regulatoren sollten sorgfältig die ökonomischen Konsequenzen der Regulierung des  nternets bedenken. Dieser Bericht gibt ihnen umfassende Einblicke, wie verschiedene Regulierungen bestimmte Geschäftsmodelle beeinträchtigen.“ Die Autoren haben  vier profitable Geschäftsmodelle für das Internet identifiziert:

  • Das „Congestion Based“-Modell löst Kapazitätsprobleme durch Preisstaffelungen je nach Spitzenzeiten,  allerdings führt es keine unterschiedlichen Übertragungsqualitäten ein. Das Modell geht davon aus, dass Internetanbieter (ISPs) von Anbietern von Inhalten (Content  Providern) höhere Preise für Datenverkehr in Spitzenzeiten als außerhalb der Spitzenzeiten verlangen. Beispielsweise kostet es in diesem Szenario für einen Content Provider mehr, wenn ein Endnutzer einen Film in HD-Qualität in der Spitzenzeit am Abend herunterlädt als in den frühen Morgenstunden oder sogar innerhalb einer 24-stündigen  Periode. Endnutzer können in diesem Geschäftsmodell zwischen Flatrates mit verschiedenen Datenbeschränkungen wählen.
  • Das „Best Effort Plus“-Modell bewahrt das traditionelle „Best Effort“-Netzwerk für bereits existierende Services. Content Provider und Endnutzer zahlen Preise wie bisher,  solange sie auf dem „Best Effort“-Niveau bleiben. Zukünftige innovative Services, die hohe Übertragungsqualitäten benötigen, um ihre Dienste anbieten zu können, können  hingegen Lösungen mit den ISPs verhandeln, die Preise und minimale Serviceanforderungen individuell abstimmen.
  • Das „Quality Classes – Content Pays“-Modell basiert auf den unterschiedlichen Bedürfnissen bezüglich der Übertragungsqualität verschiedener Online-Services. In diesem  Model gibt es daher mehrere Qualitätsklassen, die allen – nicht nur den neuen innovativen – Online-Diensten offen stehen. Abhängig von ihren Anforderungen kann ein  Content Provider eine teurere Premium-Qualitätsklasse erwerben, um eine hohe Erlebnisqualität für die Endnutzer zu sichern. Endnutzer zahlen in diesem Modell eine  einheitliche Flatrate, die Qualität bestimmt der Content Provider.

Das „Quality Classes – User Pays“-Modell fokussiert auf die Verbraucherwahl und bietet zahlreiche Qualitätsklassen für Endnutzer an, die unterschiedliche Benutzerprofile  befriedigen. Ein Endnutzer, der zum Beispiel häufig interaktive Anwendungen nutzt, wird wahrscheinlich eine hohe Qualitätsklasse wählen, da diese Anwendungen eine  geringe Toleranz gegenüber Kriterien wie Delay und Jitter aufweisen.
Zum Download der Studie: http://www.esmt.org/info/latest

Über ESMT Competition Analysis

ESMT Competition Analysis ist eine Beratungsfirma, die forschungsnahe Analysen und Beratung in den Bereichen Wettbewerbspolitik und Regulierung bietet. Dazu gehört  die einzelfallbezogene Beratung in europäischen Wettbewerbsverfahren wie bei Firmenzusammenschlüssen, in Kartell- oder Beihilfeverfahren, aber auch ökonomische  Untersuchungen im Rahmen regulatorischer Verfahren und Studien für nationale und internationale Organisationen zu wettbewerbspolitischen Themen. In ihrer Tätigkeit  kombiniert Competition Analysis präzises ökonomisches Denken mit analytischer Kreativität und Robustheit der Argumente und erfüllt damit die höchsten  Qualitätsanforderungen internationaler Mandate. Als Partner der internationalen Business School ESMT European School of Management and Technology in Berlin arbeitet  Competition Analysis mit ESMT-Professoren und -Professionals an Spitzenforschung in den Bereichen Industrieökonomie und quantitative Methoden eng zusammen.

www.esmt.org/competition_analysis

 

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