Zu viel berufliche Flexibilität schadet der Psyche
Fehlzeiten-Report 2012 erschienen
Berlin/Heidelberg. Durch die zeitliche und räumliche Flexibilisierung der Arbeitswelt stoßen Arbeitnehmer an ihre psychischen Belastbarkeitsgrenzen. Insbesondere bei ständiger Erreichbarkeit, häufigen Überstunden, wechselnden Arbeitsorten und langen Anfahrtswegen zur Arbeit leiden Beschäftigte zunehmend an psychischen Beschwerden. Das belegt der heute in Berlin vorgestellte „Fehlzeiten-Report 2012 <http://www.springer.com/medicine/book/978-3-642-29200-2?changeHeader> “ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), erschienen bei Springer Medizin. „Im Grunde ist es gut für die Gesundheit, wenn Beschäftigte ihre Arbeit räumlich und zeitlich an die eigenen Bedürfnisse anpassen können. Aber diese Flexibilität braucht ihre Grenzen“, sagte Helmut Schröder, Herausgeber des Fehlzeiten-Reports und stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.
Ständige Erreichbarkeit und permanente Mobilitätsbereitschaft sind heute für viele Erwerbstätige Realität und haben den klassischen Büro-Arbeitstag von neun Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags abgelöst. Eine repräsentative Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den neuen Fehlzeiten-Report belegt dies deutlich. Mehr als jeder dritte Erwerbstätige hat in den letzten vier Wochen häufig Anrufe oder E-Mails außerhalb der Arbeitszeit erhalten (33,8 Prozent) oder Überstunden geleistet (32,3 Prozent). Auch Arbeit mit nach Hause zu nehmen (12,0 Prozent) oder an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten (10,6 Prozent) stellt kein Randphänomen dar. Nahezu jeder achte Beschäftigte gibt zugleich an, dass er Probleme mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit hat (13,2 Prozent) oder auch wegen beruflicher Verpflichtungen Pläne für private Aktivitäten geändert hat (12,8 Prozent).
„All diese Belastungen im Arbeitsalltag führen dazu, dass diese Beschäftigten mehr an psychischen Beschwerden leiden als diejenigen, die diesen Belastungen nicht ausgesetzt sind“, erläuterte Helmut Schröder. Dabei berichten die Befragten nicht nur über Erschöpfung (20,8 Prozent) oder das Problem in der Freizeit nicht abschalten zu können (20,1 Prozent), sondern auch über Kopfschmerzen (13,5 Prozent) oder Niedergeschlagenheit (11,3 Prozent). Nennt im Durchschnitt jeder Beschäftigte über 1,5 dieser Beschwerden in den letzten vier Wochen, führen die verschiedenen Entgrenzungsformen von Arbeit und Freizeit zu deutlich mehr psychischen Problemen:
Bei häufig mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit werden mehr als doppelt so viele Beschwerden benannt (3,2). Auch wer häufig private Aktivitäten aufgrund beruflicher Belange verschiebt (2,8), an Sonn- und Feiertagen arbeitet oder häufig Überstunden leistet (jeweils 2,0) berichtet häufiger von psychischen Beschwerden.
Fehlzeiten-Report 2012 – Krankmeldungen auf dem Prüfstand
Der Fehlzeiten-Report berichtet seit 1999 jährlich auch über die allgemeine Krankenstandsentwicklung und beschreibt wichtige Determinanten des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens. Damit können Aus- sagen rund um das Thema Arbeitsunfähigkeiten für die deutsche Wirtschaft, einzelne Regionen, Branchen, Tätigkeiten, Alters- oder Geschlechtsgruppen – basierend auf den Arbeitsunfähigkeitsmeldungen von 10,8 Millionen erwerbstätigen AOK-Mitgliedern – empirisch überprüft werden.
Insgesamt ist der Krankenstand im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken und lag 2011 bei 4,7 Prozent. Im Durchschnitt dauerte eine Arbeitsunfähigkeit im vergangenen Jahr 11,0 Tage. Dabei hat sich der Krankenstand auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau eingependelt. Die meisten der 140 Millionen Krankheitstage entfielen 2011 auf die Gruppe der Muskel- und Skeletterkrankungen (23,1 Prozent). Darauf folgen Atemwegserkrankungen (12,4 Prozent), akute Verletzungen (12,3 Prozent) und psychische Erkrankungen (9,6 Prozent).
Fehlzeiten differieren deutlich nach Branchen und Tätigkeiten
Die Fehlzeiten unterscheiden sich deutlich nach Branchen und Tätigkeiten. 2011 wurde in vielen Branchen ein Anstieg des Krankenstandes festgestellt. Der höchste Krankenstand war in der Branche „Energie, Wasser, Entsorgung und Bergbau“ mit 5,6 Prozent zu finden. Ebenfalls hohe Krankenstände verzeichneten die Branchen „Öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung“ (5,5 Prozent), „Verkehr und Transport“ (5,2 Prozent) sowie das Baugewerbe (4,9 Prozent). Die Branche „Banken und Versicherungen“ hatte mit 3,3 Prozent den niedrigsten Krankenstand.
Die Berufsgruppen mit den meisten Ausfalltagen waren im Jahr 2011 vor allem in körperlich stark beanspruchenden Berufen zu finden, wie etwa bei Straßenreinigern und Abfallbeseitigern (28,4 Tage) sowie bei Fleisch- und Wurstwarenherstellern (25,2 Tage). Die niedrigsten Krankenstände waren bei Hochschullehrern und Dozenten (4,4 Tage) zu verzeichnen.
Diese und weitere Ergebnisse zum Schwerpunktthema „Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt“ wie auch aktuelle Daten und Analysen zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft finden sich im soeben erschienenen Fehlzeiten-Report 2012.
Badura/Ducki/Schröder/Klose/Meyer (Hrsg.)
Fehlzeiten-Report 2012
Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt
<http://www.springer.com/medicine/book/978-3-642-29200-2?changeHeader>1. Aufl., 2012, XX, 528 S. 201 Abb. Brosch.
EURO 9,95 (inkl. 7% MwSt. in D); sFr 12.50
ISBN 978-3-642-29200-2
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