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Gaedt: Mythos Fachkräftemangel – Recruiting ist Teil des Problems und der Lösung

Martin Gaedt
Martin Gaedt

Von Helge Weinberg, Strategie & Kommunikation, Hamburg.

Wir alle kennen die vielen Informationsbits, die uns täglich zum Arbeitsmarkt erreichen: Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung, Zahlen über fehlende Ingenieure, Klagen über fehlende Kompetenzen bei Azubis, über fehlende Bewerber allerorten.

Martin Gaedt, Gründer und Geschäftsführer der YOUNECT GmbH in Berlin, hat sich für sein Buch „Mythos Fachkräftemangel“ die Mühe gemacht, diese Info-Bits in einen aussagekräftigen Zusammenhang zu bringen. Und dies alles versehen mit einer fundierten Meinung, resultierend aus reichlich Berufserfahrung als Unternehmer und HR-Experte. Diese lautet: Der Fachkräftemangel ist hausgemacht und somit vermeidbar. Sicher gibt es ihn in einzelnen Berufen und Regionen, nicht aber flächendeckend.

Gaedt verweist auf Unternehmen, die im Recruiting so vorgehen, wie sie dies schon seit 20 Jahren tun. Lieblose Stellenanzeigen mit schwammigen Floskeln, wenig durchdachte Auswahlprozesse und nichtssagenden Absagen – viele Recruiter leisten sich den Luxus, Bewerber eher abzuschrecken als deren Interesse zu wecken. Im Produktmarketing würde so etwas nie passieren, meint Gaedt. Unternehmen seien gut darin, Produkte verkaufen, aber ihnen fiele es schwer, sich selber zu verkaufen.

Den Stellenanzeigen und vor allem den Absagen widmet Gaedt sein besonderes Interesse. Denn gerade hier sieht er Chancen für Unternehmen und Regionen. Er plädiert dafür, dass Unternehmen abgelehnte vielversprechende Bewerber einem regionalen Talentpool empfehlen.

Nicht müde wird er, auf Vorbilder und Leuchtturmprojekte hinzuweisen, die zeigen, dass Unternehmen auf dem platten Land erfolgreich um Fachkräfte werben können. Erstaunlich sei dabei, dass diese so wenige Nachahmer finden würden. Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen. Gejammert wird viel, getan wird wenig.

Er regt an, sich nicht nur auf Zuwanderer zu konzentrieren, sondern die nicht genutzten Potenziale im deutschen Arbeitsmarkt stärker zu berücksichtigen. Mit dieser Argumentation steht er nicht allein, hatte doch schon unter anderem McKinsey in 2011 in einer Studie der Politik ans Herz gelegt, die Potenziale weiblicher Arbeitskräfte, älterer Arbeitnehmer und „jungen Menschen mit schlechten Startchancen“ stärker zu nutzen.

Gaedt gibt zu bedenken, dass Zeugnisse niemals die komplette Realität der Fähigkeiten einer Person abbilden würden und plädiert dafür, auf den ersten Blick wenig attraktiven Bewerbern eine Chance zu geben. Mindestens so wichtig wie Zeugnisnoten seien schließlich Erfahrungen und Stärken. Auch mit dieser Sichtweise befindet er sich in zunehmend guter Gesellschaft.

Fazit: Martin Gaedt leistet mit seinem Buch einen wichtigen Beitrag, um die Diskussion über den Fachkräftemangel zu versachlichen. Seine Argumentation erscheint schlüssig, die von ihm genannten Fakten sind allgemein zugänglich und oft wohlbekannt. Gaedt räumt zu Recht mit dem Mythos Fachkräftemangel auf, denn dieser Mangel ist keineswegs belegbar.

Vielfach belegbar sind hingegen die Versäumnisse im Recruiting der Unternehmen, in Schule und Ausbildung und in der staatlichen Arbeitsvermittlung. Entscheidern in Unternehmen sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. Aber auch die Politik sollte sich von den Erkenntnissen in diesem Buch inspirieren lassen.

Martin Gaedt: „Mythos Fachkräftemangel. Was auf Deutschlands Arbeitsmarkt gewaltig schiefläuft“, Verlag: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2014, 240 Seiten, Preis: 19,99 Euro, ISBN: 978-3-527-50769-6

http://www.amazon.de/Mythos-Fachkräftemangel-Deutschlands-Arbeitsmarkt-schiefläuft/dp/3527507698/ref=sr_1_fkmr0_1?ie=UTF8&qid=1393410228&sr=8-1-fkmr0&keywords=Martin+Gaedt%3A+%E2%80%9EMythos+Fachkr%C3%A4ftemangel.

 

Helge Weinberg
Helge Weinberg

Verfasser der Rezension:

Helge Weinberg ist Inhaber des Beratungsunternehmens Strategie & Kommunikation in Hamburg. Er ist spezialisiert auf Personalkommunikation / HR-PR. Den vielfältigen „Touchpoints“ in der Kommunikation mit Bewerbern im Personalmarketing und Recruiting gilt sein Interesse. Darüber schreibt er auch als Blogger (http://blog.helge-weinberg.de/) und als Fachjournalist.

 

2 Comments

  • […] Meine ausführliche Rezension des Buches finden Sie im Crosswater Job Guide. […]

  • Eine schöne Utopie, aber solange man noch nicht einmal Absagen auf Bewerbungen als gut ausgebildete Fachkraft erhält, was inzwischen ziemlich häufig vorkommt, ist es noch lange hin bis zur perfekten Außendarstellung der Unternehmen! Zudem scheint mir, dass man lieber (billige) Fachkräfte aus dem Ausland holt als auch älteren deutschen Arbeitnehmern eine Chance zu geben.

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