Neue Studie: Bei Gruppenentscheidungen sind Frauen ehrlicher als Männer
Lügen Männer häufiger als Frauen? Ökonomen der Universität Regensburg sind dieser Frage nachgegangen. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass es darauf ankommt, ob Entscheidungen von Einzelnen oder gemeinsam in Gruppen getroffen werden. Das Geschlecht spielt demnach gerade bei Entscheidungsprozessen in Gruppen eine große Rolle. Wie die Wissenschaftler nachweisen konnten, wird vor allen Dingen in rein männlichen oder aber in gemischten Gruppen gelogen – weit häufiger als in Gruppen, die nur aus Frauen bestehen. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Economics Letters“ veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.econlet.2014.12.019).
Unethisches Verhalten ist ein allgegenwärtiges Phänomen in vielen sozialen Zusammenhängen. So existiert bereits eine große Zahl von Untersuchungen, die sich in diesem Zusammenhang mit möglichen geschlechtsspezifischen Unterschieden befassen. Einzelne Forscher haben die Frage aufgeworfen, ob auch beim Lügen – als einer prominenten Form unethischen Verhaltens – Unterschiede zwischen Männern und Frauen festzustellen sind. Allerdings beschäftigten sich die meisten Arbeiten mit Entscheidungen von Einzelpersonen, obwohl heutzutage bedeutende ökonomische oder politische Entscheidungen eher von Gruppen als von Individuen getroffen werden.
In Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Hamburg hat das Regensburger Team um Prof. Dr. Andreas Roider vom Institut für Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie deshalb untersucht, wie die geschlechtsspezifische Struktur von Gruppen den Grad von unethischem Verhalten – insbesondere das Ausmaß des Lügens – beeinflusst. Ein entsprechendes Experiment fand im Juni 2014 auf dem Campus der Universität Regensburg statt.
Dabei wurden zunächst einzelne Probanden aufgefordert, das Ergebnis eines Würfelwurfs, den nur sie beobachten konnten, zu notieren und den Forschern am Ende des Experiments bekannt zu geben. Die jeweils gemeldete Punktzahl bestimmte den Gewinn der Probanden. Die Augenzahl entsprach einer Auszahlung in Euro; ausgenommen war nur die „6“, für die es kein Geld gab. Hinweise auf Lügen zogen die Forscher aus dem Verhältnis der angegebenen Resultate und der sogenannten Gleichverteilung. Nach dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt sich – da die Wahrscheinlichkeit pro Wurf immer bei 1/6 liegt – ein „Wahrheits-Benchmark“ bzw. eine durchschnittliche Auszahlung pro Wurf von 2,5 (da die „6“ null Euro bringt).
Im zweiten Teil wurden andere Probanden zufällig in Zweiergruppen zusammengefasst. Den einzelnen – entweder rein männlichen, gemischten, oder rein weiblichen – Gruppen wurde nur ein Würfel und ein Antwortblatt zur Verfügung gestellt. Die Gruppenmitglieder mussten also gemeinsam entscheiden, wer den Würfel wirft und welches Ergebnis danach aufgeschrieben werden soll. Sie waren sich zudem darüber im Klaren, dass jeder von ihnen das angegebene Ergebnis in Euro erhält.
Die Forscher werteten schließlich die Ergebnisse aus. Schon bei den Individualentscheidungen ergaben sich Unterschiede zwischen Männern (Auszahlungsquote von 3,58 im Durchschnitt) und Frauen (3,40). Dies deutet darauf hin, dass Männer stärker dazu tendieren, zu lügen, als Frauen. Allerdings ist der Unterschied statistisch gesehen nicht signifikant. Größere Differenzen zeigen sich aber bei den Gruppen: Während die durchschnittliche Auszahlungsquote bei männlichen (4,00) oder gemischten Gruppen (3,71) relativ hoch lag, war das durchschnittliche Ergebnis bei rein weiblichen Gruppen weit niedriger (2,74).
Geschlechtsspezifische Unterschiede ergaben sich auch mit Blick auf das Ausmaß unethischen Verhaltens. Dies wurde anhand der Häufigkeit gemessen, mit der Würfelwürfe einer „4“ oder einer „5“ notiert wurden. Zwischen dem Verhalten von einzelnen Männern und rein männlichen Gruppen bestanden hier kaum Unterschiede, wobei bemerkenswert ist, dass gerade die rein männlichen Gruppen sehr häufig eine „5“ angegeben haben. Ein anderes Bild ergibt sich für die Frauen. Rein weibliche Gruppen gaben viel seltener eine „5“ an als einzelne Frauen. Gemischte Gruppen verhielten sich wiederum tendenziell wie rein männliche Gruppen.
Angesichts dieser Beobachtungen sind die Forscher der Ansicht, dass eine stärkere Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung von Entscheidungsgremien – bspw. in der Politik – ein Faktor sein könnte, um das Ausmaß von unethischem Verhalten zu reduzieren.
Der Original-Artikel im Internet unter:
http://epub.uni-regensburg.de/31293/7/EL_2015_128_GenderDifferences.pdf