Büropflanze wirft ungeliebte Schatten: Kein Beseitigungsanspruch bei Verschattung
Ein Gastbeitrag von Christina Diegel, Associate, Ingeniam
Haben Mitarbeiter in einem Großraumbüro Anspruch auf die Beseitigung der Verschattung durch die Büropflanze? Noch ist es nicht soweit, dass diese Frage in höchstrichterlicher Instanz geklärt werden müsste – ganz im Gegensatz zur Verschattung bei Grundstücken. Gastautorin Christina Diegel berichtet aus der Welt der Gerichtsurteile.
Kein Beseitigungsanspruch bei Verschattung eines Grundstücks durch Bäume des Nachbarn – § 1004 I BGB Urteil des BGH vom 10. Juli 2015 (Az. V ZR 229 / 14)
Mit Urteil vom 10. Juli 2015 hatte der BGH sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob die Verschattung von Bäumen eines Nachbargrundstücks eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 I BGB darstellt, die wiederum einen Beseitigungsanspruch zur Rechtsfolge hätte.
Vorliegend ging es in dem Fall laut Pressemitteilung des BGH um Eigentümer eines Grundstückes in Nordrhein-Westfalen. Sie bewohnen ein Reihenhausbungalow neben einer öffentlichen Grünanlage auf der wiederum mehrere Bäume stehen. Nun werfen während des Sommers augenscheinlich zwei dieser Bäume – ca. 25 m hohe und offensichtlich sehr gesunde Eschen – einen von den Eigentümern des Grundstücks nicht gewollten Schatten auf das Häuschen. Insbesondere echauffierten die Kläger sich, man könne nun die sehr anspruchsvollen Bonsai nicht pflegen, wie gedacht. Außerdem wäre das ganze Fiasko bei Eigentumserwerb gar nicht absehbar gewesen. Sie hätten sich ja bei diesen Voraussetzungen gar nicht für das Eigentum entschieden – dass die Bäume so hoch werden und eine derart schattige Wohnatmosphäre schaffen, hätte niemand ahnen können.
Ein Anspruch aus § 906 II S.1 BGB im Übrigen wurde bereits dahingehend abgelehnt, dass der Entzug von Luft und Licht als „negative“ Einwirkung nicht von den Einwirkungen aus § 906 umfasst sei. Dies hatte bereits zuvor in ständiger Rechtsprechung das Reichsgericht begründet und wurde nun abermals durch den Senat bestätigt.
Das Gericht hatte sich also damit auseinanderzusetzen, ob solch ein Umstand schon eine Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger nach § 1004 I BGB darstelle.
Grundsätzlich gilt für den § 1004 I BGB gefassten Beeinträchtigungsbegriff, dass darunter jeder „dem Inhalt des Eigentums widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers zu verstehen ist, der unterhalb der vollständigen Besitzentziehung liegt.“ (Palandt, § 1004 Rn. 6 ff.) Der BGH stellte nunmehr fest, dass eine solche Beeinträchtigung vorläge, wenn die entsprechend in NRW gültigen Abstandsvorschriften nicht eingehalten worden wären. Im genannten Fall war dies aber nicht der Fall. Letztlich wurde festgestellt, dass die Bepflanzung den Klägern insbesondere auch deshalb noch zumutbar sei und es insofern auch keine Regelungslücke gäbe, weil die bemängelte Beschattung des Grundstücks ohnehin vegetativ bedingt nur eine gewisse Zeit im Jahr entstehe. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Mindestabstand der Bäume zu dem Grundstück sogar um mehr als das Doppelte überschritten worden wäre.
Schließlich, so der BGH, sei es eben Ausdruck einer öffentlichen Grünanlage, dass auf ihr auch Bäume zu finden seien, die auf den übrigen privat genutzten Grundstücken eben keinen Platz fänden und damit den notwendigen Ausgleich für die Natur biete.
Das Urteil überzeugt insbesondere dahingehend, dass der Beeinträchtigungsbegriff aus § 1004 BGB mit Rücksicht auf dessen Rechtsfolge – den Beseitigungsanspruch hinsichtlich der Beeinträchtigung – nicht zu weit gefasst werden darf. Ein anders lautendes Urteil hätte insbesondere die Gestaltung und Erhaltung öffentlicher Grünanlagen zusätzlich zu den ohnehin bereits vorhandenen Vorschriften eingeschränkt. Eine solche Einschränkung auf Kosten des öffentlichen Interesses an Grünflächen zugunsten einzelner Individualinteressen scheint unangemessen, zumal die Interessen des Einzelnen ohnehin bereits durch eine weitgehende Privatautonomie geschützt sind.
Christina Diegel
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