Die Jobs der Zukunft? Hauptsache digital
Von Dr. Holger Schmidt
50 Prozent der White-Collar-Jobs in der Verwaltung sind durch die Digitalisierung gefährdet, sagen Wissenschaftler. Weil künstliche Intelligenz und Machine Learning erstmals auch die Routinejobs in den Büros ersetzen. In diesem Text versuche ich zu erklären, welche Jobs wegfallen, welche dafür neu entstehen, wie sich die Einkommensverteilung ändert und wie unser Arbeitsmarkt umgestaltet werden muss.
Das iPhone und das Internet haben die Art, wie wir kommunizieren, uns informieren, einkaufen oder Musik hören, in wenigen Jahren vollkommen verändert. Ähnliches passiert nun wieder. Nur viel größer. Moderne Roboter, selbstfahrende Autos, künstliche Intelligenz, 3D-Druck oder Big Data werden Wirtschaft und Arbeitswelt ebenso grundlegend ändern. Die Vorstufen dieser digitalen Revolution sind schon zu sehen. Der Online-Händler Amazon lässt inzwischen 15 000 Transport-Roboter durch seine Logistikzentren fahren. Der chinesische iPhone-Produzent Foxconn ersetzt in einem ersten Schritt 30 Prozent seiner Belegschaft durch Industrie-Roboter. Versicherer lassen die Routinetätigkeiten zehntausender Sachbearbeiter in Kürze von intelligenter Software erledigen. Und die selbstfahrenden Autos, die bis vor wenigen Jahren noch als ferne Utopie galten, sind inzwischen auf unseren Straßen unterwegs.
Ob Fabrikarbeiter, Taxifahrer, Buchhalter, Immobilienmakler, Aktienanalyst oder auch Journalist – von den bevorstehenden technischen Quantensprüngen bleibt kaum ein Arbeitsplatz unberührt. Menschen mit Routine-Jobs, egal ob am Fließband oder im Büro, müssen damit rechnen, von einem Roboter oder einer schlauen Software ersetzt zu werden. In Deutschland sind nach heutigem Stand der Technik etwa fünf Millionen Jobs automatisierbar, hat das Mannheimer Forschungsinstitut ZEW errechnet (PDF). Doch Panik sei aber nicht angebracht, beruhigen die Wissenschaftler: Untersuchungen zeigten, dass 85 Prozent der Arbeitnehmer bei einem Wegfall ihrer Routinetätigkeit eine neue Aufgabe im gleichen Beruf fanden. Nur 15 Prozent mussten den Beruf wechseln. „Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Beschäftigte sehr flexibel sind. Arbeitslosigkeit entsteht nur dann, wenn sie sich nicht anpassen können“, hofft ZEW-Arbeitsmarktforscher Ulrich Zierahn.
Während die Wissenschaftler schon recht sicher beziffern können, wie viele Jobs bedroht sind, lassen sich die neuen Tätigkeiten wegen des rasanten technischen Fortschritts nur grob schätzen. Arbeitsplätze werden vor allem für die Menschen entstehen, die besonders gut mit den intelligenten Maschinen umgehen können, sie also entweder programmieren, bedienen oder ihre Ergebnisse interpretieren können. „Nennen Sie mir 10.000 gute Datenanalysten und ich habe 10.000 Jobs für sie. Wir brauchen vielleicht keine zwei Milliarden davon, aber den Wandel des Arbeitsmarktes darf man trotzdem nicht unterschätzen: Es gibt immer neue, interessante Herausforderungen – die immer schneller von weiteren Herausforderungen abgelöst werden“, erwartet der deutsche Wissenschaftler Sebastian Thrun, der das selbstfahrende Google-Auto entwickelt hat. Gesucht werden heute vor allem Datenanalysten, Softwareentwickler oder Experten für UX (neudeutsch für User Experience, also Nutzererfahrung). Hauptsache digital. Den wahrscheinlich sichersten Job der Welt haben die Entwickler von Robotern. Und einen der bestbezahlten obendrein. „Ihr Gehalt in der Zukunft hängt davon ab, wie gut Sie mit Robotern zusammenarbeiten“, sagt der US-Zukunftsforscher Kevin Kelly voraus.
Der technische Fortschritt erfasst die Bürojobs
Wer nun aber glaubt, technischer Fortschritt und die Automatisierung finden wie in der Vergangenheit vor allem in den Fabrikhallen statt, irrt gewaltig. Das Gegenteil ist der Fall: Die große Umwälzung der Digitalisierung ist eher in den Büros als in den Fabrikhallen zu erwarten. 61 Prozent aller Vollzeitarbeitsplätze in Deutschland sind mit einem Computer ausgestattet. Wer vor dem Rechner aber nur manuell Daten verarbeitet, trägt ein hohes Risiko, vom Computer schon bald ersetzt zu werden. „Besonders gefährdet sind jetzt die Routine-Jobs der Wissensarbeiter, zum Beispiel Buchhalter“, sagt MIT-Forscher Andrew McAfee voraus. Denn Computer können jetzt dazulernen und Dinge erkennen, die bisher nur das menschliche Gehirn verarbeiten konnte.
Verantwortlich dafür sind zwei technische Entwicklungen, die nach Jahrzehnten mühsamer Forschung in künstlicher Intelligenz jetzt riesige Fortschritte möglich machen: „Machine Learning“ und „Deep Learning“. Beim maschinellen Lernen merken Computer sich Anwendungsbeispiele, erkennen Gesetzmäßigkeiten und können mit diesem Wissen später auch neue Situationen ohne menschliche Hilfe meistern. Beim „Deep Learning“ werden viele Berechnungen nacheinander auf unterschiedliche Datenschichten angewendet, was nur mit gigantischer Rechenleistung und riesigen Datenmenge („Big Data“) möglich ist. Dann aber können Computer erstmals Klänge oder Bilder erkennen. „Deep Learning“ steckt noch in den Anfängen, aber viele Tech-Firmen haben sich schon mit Begeisterung darauf gestürzt. Zum Beispiel haben Google und Apple ihre Spracherkennungssysteme mit Hilfe dieser Methode wesentlich verbessert. Bald ist diese Technik soweit, die Jobs vieler Dolmetscher zu übernehmen. „Fremdsprachenkenntnisse sind nicht mehr wichtig, da Maschinen schon ziemlich gut übersetzen können und immer besser werden“, erwartet Matthias Hagen, der erste Professor für „Big Data“ in Deutschland.
„50 Prozent der „White-Collar-Jobs“ gefährdet
Die Folgen des technischen Fortschritts reichen aber viel weiter. „Die Digitalisierung führt zu einer Rationalisierungswelle bei den „White-Collar-Jobs“, also den indirekten Tätigkeiten in der Verwaltung. 50 Prozent aller Arbeitnehmer in diesen Bereichen müssen sich neue Aufgaben suchen“, warnt Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart. Routine-Tätigkeiten von Controllern, Einkäufern, Auftragsdisponenten oder Servicemitarbeitern erledigt intelligente Software bald besser und effizienter, prognostiziert Jochen Deuse, Professor für Arbeits- und Produktionssysteme an der Technischen Universität Dortmund.
Die beiden Wissenschaftler Carl Benedict Frey und Michael Osbourne haben mit Hilfe von Robotik-Experten eine Liste der Jobs (PDF) aufgestellt, die in den kommenden 20 Jahrzehnten höchstwahrscheinlich von Maschinen erledigt werden können. Dazu gehören: Disponenten in der Logistik, Kreditanalysten in Banken, Chauffeure, Kassierer, Buchhalter, Makler, Call-Center-Mitarbeiter und Busfahrer. Sogar Bibliothekare, Verkehrspolizisten und Piloten weisen eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent auf, bald durch eine Maschine ersetzt zu werden.
Meist gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Bildung, Einkommen und der Gefahr des Jobverlusts. Menschen, die nur über eine Elementarbildung verfügen, weisen eine Automatisierungswahrscheinlichkeit von 80 Prozent auf, während nur 18 Prozent der Promovierten um ihre Jobs bangen müssen. Ähnlich deutlich sieht der Zusammenhang zwischen Einkommen und Automatisierungswahrscheinlichkeit aus: Die Beschäftigten mit den 10 Prozent geringsten Einkommen weisen eine Wahrscheinlichkeit von 61 Prozent auf, während die Jobs der Gutverdiener am oberen Ende nur mit einer zwanzigprozentigen Wahrscheinlichkeit der Technik zum Opfer fallen, haben die ZEW-Forscher herausgefunden. Menschen mit geringer Bildung und geringem Einkommen stehen also unter dem größten Druck.
Ist alles technisch Mögliche auch sinnvoll und gewollt?
„Aber nicht alles, was technisch möglich ist, wird morgen schon Realität“, beruhigt Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit. In Japan wurde gerade das erste Hotel eröffnet, in dem Roboter die Arbeit machen. Ob sich die Roboter auch überall durchsetzen können, ist völlig offen. „Wollen Menschen tatsächlich Pflegeroboter, ohne Kontakt zu anderen Menschen? Vollautomatisierte Supermarktkassen sind 1966 erfunden worden. Aber noch immer sitzen Menschen an den Kassen. Wichtig ist auch immer die Überlegung, ob das technisch Mögliche auch wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt ZEW-Ökonom Zierahn.
Viele Berufe bleiben auch erhalten, weil sie sich die neue Technik zu nutze machen. Ein Beispiel für den sinnvollen Einsatz sind Schreibroboter, die inzwischen auch für renommierte Medien selbständig Berichte über Firmenbilanzen, das Wetter, den Börsenhandel oder Fußballspiele schreiben. „Wenn die Spieler noch auf dem Weg unter die Dusche sind, hat der Computer den Artikel schon fertig im Netz veröffentlicht“, erklärt Saim Alkan, Chef des Stuttgarter Technologie-Anbieters Aexea. Schneller als Roboter können Journalisten also nicht sein. Individueller allerdings auch nicht: Abhängig von den Vorlieben der Leser können sie ganz persönliche Zeitungen zusammenstellen, zum Beispiel mit Börsenberichten, die nur die Aktien aus ihrem Portfolio analysieren. Oder mit Wetterberichten, der genau auf ihren Wohnort abgestimmt sind. „Wenn die Journalisten den Roboter einmal richtig trainiert haben, lassen sie ihn die Routinejobs machen und gewinnen auf diese Weise viel Zeit für die Geschichten, die ein Computer niemals schreiben kann“, sagt Alkan. Denn die tiefgehende Recherche, die fundierte Analyse oder die elegante Schreibe werden für lange Zeit den menschlichen Journalisten vorbehalten sein.
Kreativität ist gefragt
Auf der Frey/Osborne-Liste der sicheren Jobs stehen neben den Redakteuren und Schriftstellern vor allem kreative und soziale Berufe sowie Wissenschaftler. Auch Menschen mit ausgeprägten sensomotorischen Fähigkeiten wie Physiotherapeuten oder Zahnärzte sind auf der sicheren Seite. „Jobs für Naturwissenschaftler gewinnen ebenso weiter an Bedeutung wie Bildung und Forschung “, glaubt Eichhorst. Um sich von den Computern abzuheben, sollten Unternehmen die Kreativität und Innovationskraft ihrer Mitarbeiter systematisch fördern. „Deutschland ist bisher nicht das Land, in dem die radikalen Innovatoren sitzen. Die Mitarbeiter in den Unternehmen müssen sich vorstellen können, wie radikal sich Märkte in der digitalen Welt ändern“, rät Eichhorst.
Dazu gehören auch Handwerker, die sich wahrscheinlich bisher nicht vorstellen konnten, was der australische Bauroboter Hadrian nun leistet. Er mauert ein ganzes Haus in nur zwei Tagen, wofür normale Maurer meist Wochen brauchen. Er liest die 3D-Baupläne, merkt sich die Position der einzelnen Ziegel, packt sie mit seinem 28 Meter langen Greifarm, lässt Mörtel darüber laufen und setzt den Stein an die richtige Stelle. Auf 0,5 Millimeter genau, rund um die Uhr. „Wir haben absolut nichts gegen Maurer. Aber ihr Durchschnittsalter nimmt zu und es wird immer schwieriger, junge Menschen für den Beruf zu begeistern“, erklärt Mark Pivac, der Chef der Entwicklerfirma Fastbrick Robotics. Angenehmer Nebeneffekt: Hadrian baut Häuser nicht nur schneller, sondern auch billiger. Nach der Markteinführung in Australien will Pivac seinen Bauroboter auf der ganzen Welt vermarkten.
„5 Prozent mehr Produktivität in den Fabriken – pro Jahr“
Mit solchen Innovationen haben die Menschen in den Fabrikhallen schon deutlich mehr Erfahrung. Der Einsatz von Robotern ist dort schon ziemlich weit fortgeschritten, bleibt aber natürlich nicht stehen. „Bei den „Blue-Collar-Workern“ in den Fabriken wird der normale Rationalisierungsprozess weitergehen. Pro Jahr 5 Prozent mehr Output bei gleicher Personalstärke oder eben gleiche Leistung mit 5 Prozent weniger Mitarbeitern. Ich erwarte aber keinen großen Sprung“, sagt Fraunhofer-Experte Bauernhansl. Je stärker ein Unternehmen im globalen Wettbewerb stehe, desto größer sei allerdings der Druck zur Rationalisierung. Auch hier treffe die Automatisierung durch die Roboter die Niedrig-Qualifizierten zuerst.
An einigen Rechenexempeln kommt die deutsche Wirtschaft allerdings nicht vorbei. „In der deutschen Automobilindustrie liegen die Arbeitskosten je Stunde bei mehr als 40 Euro je Stunde. In China gegenwärtig noch unter 10 Euro. Ein Roboter am Band kostet aber nur 5 Euro je Stunde“, rechnete Volkswagen-Personalvorstand Horst Neumann schon Anfang des Jahres vor, als er die verstärkte Automatisierung der Fabrikarbeit ankündigte. Da bei VW aber viele Mitarbeiter in den Ruhestand gingen, könnten ergonomisch ungünstige Arbeitsplätze abgebaut werden, ohne Mitarbeiter zu entlassen. Auch für Daimler soll die neue Technik kein Jobkiller werden. „Die Digitalisierung wird nicht zu einem Stellenabbau führen. Auf Sicht von 10 bis 15 Jahren rechne ich mit einer Belegschaft, deren Zahl auf dem gleichen Niveau wie heute bleibt“, sagt Oskar Heer, der die Arbeitspolitik beim Stuttgarter Autoproduzenten verantwortet. Die Entwarnung sind nicht nur Beruhigungspillen für die Gewerkschaften, sondern werden auch von der Wissenschaft bestätigt: „Aufgrund von Wachstum und demographischer Entwicklung wird sich die Digitalisierung nicht negativ auf die Beschäftigung in der Industrie in Deutschland auswirken“, sagt Deuse.
Den großen Druck haben die Chinesen
Den ganz großen Handlungsdruck verspüren eher die Chinesen, die ihre Vorteile billiger Arbeitskräfte und damit ihre Rolle als „Werkbank der Welt“ verlieren. Roboter gleichen die Produktionskosten weltweit an. Arbeitskostenvorteile als Standortfaktor verschwinden. Genau aus diesem Grund kaufen die Chinesen im Moment wie kein anderes Land der Welt Industrieroboter, bevor Unternehmen wie Apple auf die Idee kommen, ihre iPhones künftig von Robotern in den USA montieren zu lassen.
Nun sind Roboter in der Vergangenheit nie Job-Killer gewesen. Erste Untersuchungen der Wissenschaftler Georg Graetz und Guy Michaels zu den Effekten des Robotereinsatzes zeigen einen Anstieg der Arbeitsproduktivität, der Wertschöpfung und der Löhne, aber auch einen Ersatz vor allem niedrig ausgebildeter Arbeitskräfte. Einen signifikanten Einfluss auf die Beschäftigung konnten die Forscher allerdings nicht finden. Das gilt auch für Deutschland. Die Roboter werden Produktivitätsgewinne zwischen 10 und 30 Prozent bringen, schätzt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Wegen der hohen Lohnkosten wird Deutschland einer der größten Profiteure der Invasion der Roboter in die Fabrikhallen sein, weil die Wettbewerbsfähigkeit überdurchschnittlich weiter steigen wird. Das hat in der Vergangenheit immer zu mehr Wachstum und dann auch zu mehr Beschäftigung geführt.
Deutschland muss das „Internet der Dinge“ vorantreiben
Die beruhigenden Aussagen gelten aber nur für den Fall, dass Deutschlands Industrie ihre starke Stellung in der Welt behält. Das aber ist keineswegs sicher. Denn das „Internet der Dinge“ läutet gerade die nächste große Entwicklungsstufe der digitalen Wirtschaft ein. Maschinen, Transportmittel, aber auch langlebige Konsumgüter werden mit Mikroprozessoren und Sensoren ausgestattet. Sie werden damit Teil des Internet. Die moderne Informationstechnik ist dann nicht mehr auf Computer und Smartphones beschränkt, sondern wird auf Milliarden physischer Produktionsfaktoren und Konsumgüter ausgeweitet.
Diese Entwicklung ist die Grundlage für die nun beginnende Vernetzung großer Teile der Wirtschaft. Informationstechnik prägt Unternehmen seit vielen Jahren. Zuerst wurden interne Prozesse vereinfacht und automatisiert, dann kamen die externen Beziehungen, zum Beispiel zu Lieferanten und Kunden. „Aber nun erleben wir zum ersten Mal, wie Informationstechnik in Form der Sensoren auch in die Produkte eingebettet wird. Die smarten, vernetzten Produkte verändern die Art, wie Unternehmen funktionieren und wie sie organisiert sind, viel stärker als alle früheren Entwicklungsstufen der Informationstechnik“, erwartet der amerikanische Management-Guru Michael E. Porter. Wenn Sensordaten der Produkte künftig direkt in die Herstellung einfließen, werden aus der Massenproduktion Kleinstserien oder gar Einzelanfertigungen. Mit Hilfe der modernen 3D-Drucker wird die Herstellung von Einzelteilen immer einfach. Amazon hat schon ein Patent eingereicht, um 3D-Drucker auf Lastwagen zu montieren. Sie können das gewünschte Produkt dann direkt vor der Haustür des Kunden „drucken“.
Gefährliche Konstellation: „Google baut die Software, China die Roboter“
In der Industrie tobt inzwischen der Kampf um die Herrschaft in diesem Internet der Dinge, dessen Ausgang auch die Zukunft der in Deutschland so wichtigen Industrie-Arbeitsplätze bestimmt. Die Deutschen setzen auf ihre Industrie-Kompetenz, die Amerikaner auf ihr Software-Wissen und die Chinesen auf ihre Roboter. „China ist inzwischen der größte Roboter-Markt der Welt. Am Ende könnte China günstige Roboter bauen und US-Unternehmen wie Google die passende Software zum Betrieb der Roboter liefern. Das wäre eine gefährliche Konstellation für Deutschland“, warnt Bauernhansl. Nun seien Roboter zwar nicht so leicht zu steuern wie Smartphones, aber die Lernkurven sind steil. „Etwa 2020 werden wir sehen, ob Google oder andere US-Firmen in der Lage sind, auch das dominante Betriebssystem und entsprechende Plattformen für Roboter zu bauen“, erwartet der Wissenschaftler.
Das Rennen ist vollkommen offen. „Die letzte Phase in der Geschichte der Industrie, die so spannend war wie heute, war die Elektrifizierung“, schwärmt MIT-Forscher McAfee. Die Transformation von der Dampfmaschine zur elektrischen Maschine habe damals Jahrzehnte gedauert. „An ihrem Ende stand nicht mehr England an der Weltspitze, sondern Amerika war die führende Wirtschaftsmacht“. Ob Deutschlands Industrie-Jobs sicher bleiben, hängt nun also entscheidend davon ab, ob die Software-Ingenieure bei Siemens, Bosch, der Telekom oder SAP es schaffen, die wettbewerbsfähigen Plattformen für das Internet der Dinge zu etablieren.
Mehr IT-Bildung in den Schulen
Egal, wie das Rennen ausgeht: Mehr IT-Bildung ist nötig. Nicht nur in der Schule, von der Experten mehr Wert auf Fächer wie Mathematik, Informatik und Statistik fordern. Dabei ist ein grundlegendes Verständnis wichtiger als das Erlernen einer Programmiersprache, sagt Big-Data-Professor Hagen.
Offenbar gibt aber schon eine Schule, die Kinder besonders gut auf die neue Welt vorbereitet: Überproportional viele herausragende Digital-Köpfe wie die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin, Amazon-Chef Jeff Bezos und auch Wikipedia-Erfinder Jimmy Wales haben früher die Montessori-Schule besucht.
„Das Training dort, Regeln und Anweisungen nicht zu folgen, sich selbst zu motivieren und in Frage zu stellen, was in der Welt passiert, lässt uns Dinge heute anders machen“, sagt Larry Page.
Aber auch in den Unternehmen muss der Übergang in die digitale Welt vorangetrieben werden. „Wir brauchen mehr Mitarbeiter mit Zugang zur Welt der Algorithmen. Wir können dabei nicht nur auf die Hochschulen bauen, sondern wir müssen unsere eigenen Mitarbeiter weiterbilden. Das ist mit 3-Tage-Kursen nicht getan“, sagt Volker Deville, Leiter Zukunftsthemen beim Münchner Versicherer Allianz. Kontinuierliches Lernen ist nötig – „und zwar für alle, unabhängig von der Hierarchie. Denn der große Sprung der technischen Entwicklungen liegt noch vor uns“.
Wenn Maschinen schlauer als Menschen sind
Der Höhepunkt könnte 2029 erreicht werden. „2029 werden Maschinen schlauer als Menschen sein“, vermutet Ray Kurzweil, der Experte für künstliche Intelligenz in Diensten von Google. Während sein Forscherkollege Vikek Whadwa für diesen Tag eine eher düstere Prognose stellt, bleibt Kurzweil Optimist. „Man kann sich beinahe jeden Job anschauen und es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er automatisiert und eliminiert ist. Das passiert auch. Und trotzdem steigt die Beschäftigung. Weil neue Industrien geschaffen werden. 65 Prozent der Jobs in Amerika sind Informations-Job, die es vor 25 Jahren noch gar nicht gab. Wir kreieren und erfinden ständig neue Jobs“, sagt Kurzweil. Und hofft, dass das so bleibt.
Roboter machen Reiche noch reicher
Die Digitalisierung hat einen Nebeneffekt: Die Verteilung des Einkommens und des Wohlstands wird höchstwahrscheinlich ungleicher werden. Wie schon heute im Silicon Valley gut zu beobachten ist, geht die Einkommensschere zwischen den Mitarbeitern der Tech-Firmen wie Apple, Google oder Facebook und dem Rest der Bevölkerung stetig auf. Als Folge sind die Mieten in San Francisco für Normalverdiener beinahe unerschwinglich. Doch das ist nur der Anfang: Das Verteilungsproblem wird größer. „Wenn Maschinen immer mehr Jobs übernehmen, fallen diese Einkommen weg. In Deutschland ist das vielleicht nicht so schlimm wie in den USA. Ihr habt ein funktionierendes Sozialsystem. Bei uns hingegen landet man ohne Job sehr schnell auf der Straße“, sagt der Roboterexperte Martin Ford. Sein Lösungsvorschlag klingt wie aus der Mottenkiste der Sozialpolitik, wird aber gerade wieder populär. „Wir müssen über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachdenken. Ein die Existenz sicherndes Einkommen für jeden, egal ob er arbeitet oder nicht. Viele halten das für eine verrückte Idee. Aber ich weiß nicht, wie man den zu erwartenden Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt sonst begegnen könnte“, sagt Ford.
Schon seit etwa zwei Jahrzehnten sinkt der Anteil der Arbeit am Einkommen. Neu ist hingegen die wachsende Abhängigkeit des aktuellen Outputs von früheren Investitionen in Software, haben Seth Benzell, Laurence Kotlikoff und Guillermo LaGarda von der Boston University und Jeffrey Sachs von der Columbia Universität in ihrer Studie „Robots Are Us: Some Economics of Human Replacement“ (PDF) herausgefunden. Auch sie erwarten einen steigenden Bedarf an politischen Eingriffen zur Umverteilung der Einkommen sein. Die Autoren sprechen auch ein brandheißes politisches Thema an.
„Einwanderungsprobleme gewinnen dann an Bedeutung. Davon gibt es zwei: Eines am unteren Ende des Arbeitsmarktes, eines am oberen Ende. Eine Gesellschaft mit substantiellen Transfers wird mehr Einwanderer am unteren Ende anlocken, wo es ohnehin einen Überschuss an Arbeitskräften gibt. Am oberen Ende werden die besten Fachkräfte und Studenten ihre Heimat verlassen, um in den Ländern mit den höchsten Einkommen zu arbeiten, vor allem in den USA. Das beraubt viele Länder ihrer dringend benötigten Spezialisten“, folgern die Autoren.
Zum Beitrag auf Netzoekonom.de.