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Robinson-Recruiting: Verschollen im digitalen Niemandsland der Recruitingkanäle

Antje Haberkorn
Antje Haberkorn

Schichtbetrieb, Beginn um 04:00 Uhr, Wochenend-Einsatz, Vollbeschäftigung in Ballungsgebieten – so lassen sich die Recruiting-Bedingungen für gewerbliche Mitarbeiter im Convenience-Filialeinzelhandel kurz und knapp zusammenfassen. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass diese Bewerberzielgruppe nicht auf den klassischen Jobbörsen oder Karrieremessen zu finden sind, der Wunsch-Kandidat ist quasi wie einst Robinson verschollen im digitalen Niemandsland der Recruitingkanäle. Antje Haberkorn schildert im Interview mit Crosswater Job Guide, wie die Herausforderungen im nichtakademischen Arbeitsmarkt gemeistert werden können.

Crosswater Job Guide: Wie lautet Ihr Name sowie Ihre Tätigkeitsbezeichnung in Ihrem Unternehmen? Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Ihr Unternehmen?

Antje Haberkorn: Mein Name ist Antje Haberkorn. Ich bin in der Unternehmensgruppe Dr. Eckert für den Geschäftsbereich Personal zuständig. (Mitglied der Geschäftsleitung und Prokuristin). Wir beschäftigen aktuell 1420 Mitarbeiter in über 200 Filialen in ganz Deutschland.

Crosswater Job Guide: Der gewerbliche oder außerakademische Arbeitsmarkt läuft bei vielen Recruitingkanälen ein bisschen unter dem Radar. Wie groß sind Ihre Nöte, die richtigen Mitarbeiter zu finden und welche Profile aus dem gewerblichen Umfeld bereiten Ihnen die größten Sorgen?

Antje Haberkorn: Die Entwicklung in diesem Bereich ist in den letzten Jahren enorm. Noch vor ungefähr acht Jahren beschäftigten wir uns in erster Linie damit, den zahlreichen Bewerbungen habhaft zu werden und für die Entscheider die passgenauen Kandidaten zur Verfügung zu stellen. Seinerzeit ging es tatsächlich um die Masse der Bewerbungen und darum, die passenden Kandidaten zu selektieren. Seitdem ist allerdings die Quantität der eigehenden Bewerbungen von Jahr zu Jahr gesunken. Die Folge war, dass wir gezwungen wurden, die Auswahlkriterien immer weiter aufzuweichen. Die alte Selektionslogik über die das Recruiting in diesem speziellen Kandidatensegment bis dahin funktioniert hat, galt plötzlich nicht mehr. Vielmehr geht es mittlerweile um eine schnelle Reaktion auf (fast) jeden Kontakt.

Problematisch ist beispielsweise die personelle Besetzung der Filialen in den Bahnhöfen. Hier kommen durch die Öffnungszeiten an sieben Tagen der Woche sowie an Feiertagen die Arbeitszeiten als Schwierigkeit dazu. Unsere Bewerber müssen bereit sein im Schichtsystem zu arbeiten, morgens um vier Uhr zu starten und in der Spätschicht bis 23 Uhr zu arbeiten. Gerade in Gebieten mit Vollbeschäftigung wie z.B. in Stuttgart oder Konstanz führt dies teilweise zu null Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen.

Der Umfang des zu rekrutierenden Personals ergibt sich erstens aus dem hohen Durchschnittsalter unserer aktuellen Belegschaft und damit den anstehenden Übergängen in die Altersrente sowie aus unserem Wachstum, das sich durch die Eröffnung neuer Filialen ausdrückt.

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Crosswater Job Guide: Welche Kanäle nutzen Sie derzeit, um die richtigen Mitarbeiter im außerakademischen Bereich zu finden? Welche sind aus Ihrer Sicht nicht so gut geeignet?

Antje Haberkorn: Wir sind da sehr vielseitig unterwegs und versuchen, keinen Kanal außer Acht zulassen. Daher nutzen wir beispielsweise offline Plakate in den Filialen, Galaxykästen in den Filialen, Printanzeigen in regionalen oder überregionalen Zeitungen und Zeitschriften sowie teilweise in der Fachpresse. Darüber hinaus sind wir auf Karrieremessen und focieren ein Empfehlungssystem für unsere Mitarbeiter. Online nutzen wir unsere Karriere-Webseite, die Agentur für Arbeit und konventionelle Stellenbörsen.

Die Resonanz auf Printanzeigen geht dabei generell zurück. Hier ist das Preis Leistungsverhältnis nicht mehr gegeben. Da die Anzahl der arbeitssuchend Gemeldeten ebenfalls stark rückläufig ist, gibt es kaum Vermittlungsvorschläge von den Agenturen für Arbeit. Die Bewerber für die Stellen im Verkauf bewegen sich nicht auf denOnline-Stellenbörsen, die sich ja in erster Linie an Akademiker richten. Weder Kaufleute im Einzelhandel, Verkäufer noch die Aushilfskräfte nutzen StepStone, Monster.de oder andere. Jobmessen haben sich maximal im Bereich der Ansprache von Auszubildenden bewährt.

Crosswater Job Guide: mobileJob.com hat sich auf die Mitarbeitersuche im gewerblichen Arbeitsmarkt spezialisiert. Dabei setzt das Unternehmen auf Social Media Kanäle zur Ansprache der Kandidaten und auf mobile Endgeräte wie das Smartphone, um den kompletten Bewerbungsprozess abzuwickeln. Liegt in der Einbindung mobiler Devices auch aus Ihrer Sicht die Zukunft der Mitarbeitersuche?

Antje Haberkorn: Auf jeden Fall. Die ortsunabhängige Ausschreibung und Abbildung des kompletten Bewerbungsprozesses  kommt uns als filialisierten Einzelhandel sehr entgegen. So wie im Vertrieb ebenfalls verstärkt auf die Ansprache der Kunden über mobile Endgeräte nachgedacht wird, sehen auch wir im Personalbereich dort eine große Chance die richtigen Bewerber zu finden. Für die Nutzer der Smartphone wird ein bekannter Ablauf, den sie beispielsweise vom Einkaufen, chatten oder anderweitiger Kommunikation kennen, nun auch für die Bewerbung genutzt. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass diese Wege vom Bewerber voll akzeptiert sind.

 

Crosswater Job Guide: Welche Mitarbeiter haben Sie gemeinsam mit mobileJob.com gesucht und wie waren Ihre Erfahrungen?

Antje Haberkorn: Wir starteten die Zusammenarbeit mit mobileJob.com im Dezember 2016.

Im Kontext der Bewertung dieser Zusammenarbeit ist es wichtig zu erwähnen das es nicht nur darum geht, welche Mitarbeiter gesucht werden, sondern auch wo. Wir haben uns beim Start mit mobileJob.com die schwierigsten offenen Vakanzen herausgesucht. Zum Beispiel eine Stelle im Stuttgarter Umland, die seit einem Jahr nicht erfolgreich besetzt werden konnte. Wir haben bisher auf mobileJob.com Regionalleiter, Filialleiter, Verkäufer und Aushilfen gesucht. Generell können wir feststellen, dass die Anzahl der Bewerbungen höher ist als in allen anderen Kanälen. Die Auswahl beziehungsweise überhaupt eine Auswahl zu haben, ist ein sehr gutes Ergebnis. Die Oberfläche und in die Abläufe in der Software sind einfach und selbsterklärend.

Eine Herausforderung stellt das Umdenken der Recruiter und Vorgesetzten dar, die nun mit dieser neuen Form des Recruitings arbeiten. Kollegen, die einen kompletten Lebenslauf mit lückenlosen Zeugnissen erwarten, müssen zukünftig umdenken. Die schnelle Kontaktaufnahme- möglichst telefonisch- sichert eine hohe Quote an Gesprächen mit potentiellen neuen Mitarbeitern. Das Kennenlernen in einem Telefonat mit anschließender Terminvereinbarung zu einem Gespräch vor Ort verändert den kompletten Bewerbungsprozess.

Diesen neuen Ablauf zu akzeptieren, ist für viele Personaler ein Lernprozess! Das haben wir selbst auch festgestellt, beispielsweise bei der Kontaktaufnahme zum Bewerber. Die Kollegen, die zum Hörer greifen und schnell regieren, bekommen ein gutes Feedback vom Bewerber und sind entsprechend erfolgreich. Die Kollegen, die auf die digitale Bewerbung mit Brief oder zeitversetzter Mail antworten, haben die höchste Absagequote für das Bewerbergespräch. Hier hilft uns die enge Abstimmung mit den Betreuern von mobileJob.com, die uns in der Umstellung mit informativen Videofilmen und Webschulungen unterstützen.

Fazit: Wir haben mit dieser Form des Recruitings einen Zugriff auf viele passiv Jobsuchende erhalten und konnten 10 Stellen mit sehr guten Bewerbern besetzen.

Vielen Dank für das Interview.

 

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