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Gudrun Happich: Führungskräfte sollten Mentoren statt Coaches ihrer Mitarbeiter sein

von Helge Weinberg

Coaching der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten? Geht das – und wenn ja, wie? Gibt es hier nicht einen Rollenkonflikt? Das Thema ist ein Dauerbrenner in der Personalerwelt. Helge Weinberg vom Crosswater Job Guide hat dazu zwei Executive Coaches befragt: Gudrun Happich vom Galileo Institut für Human Excellence und Corinna Lütsch von mentalenz. Ihre Antworten veröffentlichen wir in zwei Beiträgen. Hier kommt Gudrun Happich zu Wort. Ihre Meinung: Führungskräfte sollten Mentoren sein, als Coaches sind sie nicht geeignet.

Gudrun Happich

Crosswater Job Guide: Sollen / können Vorgesetzte ihre Mitarbeiter coachen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen wäre das denkbar?

Gudrun Happich:

Erstens sollten wir uns genau überlegen, was eigentlich Coaching ist und was die Aufgaben einer Führungskraft sind.

Coaching bedeutet für mich: Jemand, ein Klient zum Beispiel, nennt mir sein Ziel und ich als Coach unterstütze ihn, sein Ziel auf seine Art und Weise zu erreichen.

Sprich: Die Aufgabe des Coachs ist es, „professionell neutral“ zu sein. Keine eigenen Anliegen oder Interessen. Keine Bewertung der Ziele des Klienten. Der Coach ist verantwortlich für den Prozess. Er ist verantwortlich dafür, dass der Klient SEINE Ziele bestmöglich erreicht.

Was ist die Aufgabe einer Führungskraft?

Eine Führungskraft wird dafür bezahlt, gemeinsam mit den Mitarbeitern bestimmte, vorgegebene Ziele zu erreichen.

Die Führungskraft steht in einem Interessenkonflikt

Und hier ist das Dilemma:

Als Führungskraft habe ich bestimmte Unternehmensziele zu berücksichtigen, die immer im Vordergrund stehen.

Bei einem klassischen Coach stehen die Ziele des Klienten im Vordergrund.

Als Führungskraft kann ich einen Mitarbeiter also in diesem Sinne gar nicht professionell coachen, weil ich immer die Ziele des Unternehmens im Fokus behalten sollte. Und damit in einem ernsthaften Interessenskonflikt stehe.

Coaching verkommt mir immer mehr zu einem „persönliches Gespräch unter vier Augen“. Wird es bald so sein, dass mich bei einem Einkauf beim Bäcker dieser bei der Brötchenauswahl „coacht“? Ich hoffe, mit diesem Beispiel wird deutlich, wie missbräuchlich dieser Begriff mittlerweile benutzt wird.

Seriöse Coaches sind „professionell neutral“

In einem „seriösen“ Coaching ist die professionelle Neutralität ein extrem wichtiger Punkt. Das ist nicht ohne, sind wir Menschen doch von Natur aus alles andere als neutral. Wir haben zu jedem und allem eine Meinung. Und brennen vielfach danach, anderen unsere Meinung kund zu tun, sie zu beeinflussen und entsprechende Ratschläge zu geben.

Also: Im klassischen Sinne sollen/können Vorgesetzte ihre Mitarbeiter gar nicht coachen.

Was können Sie allerdings tun?

Führungskräfte können eine „coaching ähnliche“ Haltung einnehmen

Führungskräfte können eine Haltung/Einstellung wie im Coaching einnehmen und einen Führungsstil entwickeln, der „coaching ähnlich“ ist.

Was heißt das?

Eine Führungskraft kann den Mitarbeiter immer mehr mit einbeziehen. Fragen, statt sagen und anordnen. Ihn nach seiner Meinung befragen, nach seinem persönlichen Stil, nach seinen Vorlieben. Und das bei der eigenen Führungsarbeit mehr berücksichtigen. Damit wird die Führungsarbeit deutlich individueller, der Mitarbeiter fühlt sich in der Regel mehr gewertschätzt, einbezogen.

Dies führt dazu, dass der Mitarbeiter engagierter und motivierter ist. Darüber hinaus wäre es gut, wenn in regelmäßigen Gesprächen, nicht nur in dem jährlich stattfindenden Mitarbeitergespräch, ein Austausch mit dem Mitarbeiter über Entwicklungsmöglichkeiten stattfindet.

Als Führungskraft habe ich wertvolle Dienste übernommen, wenn ich nicht mit aller Macht versuche, den Mitarbeiter in meinem Bereich zu behalten. Sondern offen dafür bin, dass sich der Mitarbeiter auch innerhalb des Unternehmens karrieretechnisch weiterentwickelt. Das ist das, was eine Führungskraft nicht nur tun könnte, sondern als moderne Führungskraft tun sollte.

Auf Mentoring fokussieren

Etwas kann die Führungskraft auf jeden Fall übernehmen, das auch ihrem Unterstützungswillen gut nachkommt: das Mentoring von Mitarbeitern. Sprich: Tipps und Tricks aus der eigenen Erfahrung ihrem „Nachwuchs“ mitgeben. Hier kann es auch vollkommen subjektive Tipps geben, weil beim Mentoring keine Neutralität erforderlich ist. Auch können Kontakte zu anderen wichtigen Personen durch die Führungskraft hergestellt werden. Das gehört zum Mentoring ebenfalls dazu.

Wenn sich mehr Führungskräfte in der Bezeichnung ihrer Arbeit auf „Mentoring“ fokussieren und die Formulierung „Coaching“ den dafür ausgebildeten Profis überlassen würden, dann hätten wir eine Menge Transparenz und Seriosität in einem undurchsichtigen Markt gewonnen.

Außerdem hätten viele Mitarbeiter deutlich mehr Orientierung und Hilfestellung gewonnen, als wenn über jede Maßnahme die Formulierung „Coaching“ gestülpt wird.

Über Gudrun Happich

Gudrun Happich unterstützt seit mehr als 20 Jahren als Executive Coach Vorstände, Manager, Geschäftsführer sowie Top-Führungskräfte sowohl bei Ihren beruflichen, als auch bei Ihren persönlichen Herausforderungen. Zuvor war sie selbst 12 Jahre als Geschäftsführerin und Führungskraft in einem  Wirtschaftsunternehmen. Für ihre Arbeit wurde die Diplom-Biologin, Blog- und Buchautorin („Was wirklich zählt“, „Ärmel hoch!“) mehrfach ausgezeichnet. Ihr biosystemik®-Managementkonzept verbindet ihr unternehmerisches, systemisches und naturwissenschaftliches Know-how. Ihre Spezialthemen sind moderne Unternehmensführung, Klarheit/Positionierung, Leistungserhalt und Transformationsprozesse.

Mehr Infos unter www.galileo-institut.de und www.leistungstraeger-blog.de

Lesen Sie in Kürze die Meinung von Corinna Lütsch, Business Coach und Teamentwicklerin aus Hamburg.

Über den Autor:

Helge Weinberg ist Journalist aus Hamburg und Mitglied der Redaktionen des „PR-Journals“, „DPRG Journals“ und des „Crosswater Job Guide“. Zudem schreibt er als Freelancer in diversen Fachzeitschriften über Arbeitgeberkommunikation, Employer Branding und Personalmarketing.