Corinna Lütsch: Coaching kann den Methodenkoffer einer Führungskraft bereichern
von Helge Weinberg
Coaching der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten? Geht das – und wenn ja, wie? Gibt es hier nicht einen Rollenkonflikt? Das Thema ist ein Dauerbrenner in der Personalerwelt. Helge Weinberg vom Crosswater Job Guide hat dazu zwei Executive Coaches befragt: Gudrun Happich vom Galileo Institut für Human Excellence und Corinna Lütsch von mentalenz. Ihre Antworten veröffentlichen wir in zwei Beiträgen. Heute kommt Corinna Lütsch zu Wort. Ihre Meinung: Das geht, wenn eine Führungskraft in der Lage ist, einen Mitarbeiter in einem Prozess unbefangen und erwartungsfrei zu begleiten. Dies allerdings ist meist nicht der Fall.
Crosswater Job Guide: Sollen / können Vorgesetzte ihre Mitarbeiter coachen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen wäre das denkbar?
Corinna Lütsch: Coacht ein professioneller Coach einen Klienten, so kann der Coach nach meinem Coaching-Verständnis durchaus Anregungen geben – so lange er in der Lage ist, diese unbefangen wieder loszulassen. Nur dann ist der Coach kein Berater oder gar Manipulator.
Ebenso verhält es sich auch mit dem Vorgesetzten, der einen Mitarbeiter coacht. Wesentlich ist, dass Vorgesetzte es schaffen – obwohl sie stets eigene Ziele im Unternehmenskontext verfolgen – unbefangen in Bezug auf den Prozess, den sie begleiten wollen, zu sein. Das heißt, zum Beispiel erwartungsfrei zu sein im Hinblick auf den Lösungsweg, den ein Mitarbeiter einschlägt. Offen zu sein für unerwartete oder unkonventionelle Ansätze. Echtes Interesse zu haben an Ideen, die neu sind.
Wenn eine Führungskraft in der Lage ist, einen Mitarbeiter in einem Prozess unbefangen zu begleiten, tut sie das, was auch ein Coach tut.
Erwartungsfrei und unbefangen coachen – das fällt Führungskräften schwer
Das fällt vielen Führungskräften ausgesprochen schwer, da sie einen Weg der Mitarbeiterführung gewohnt sind, der mit Coaching wenig gemeinsam hat. Vielmehr ist der Führungsalltag oft geprägt von Urteilen und Bewertungen, die in einem Coaching keinen Platz haben. Wer als Vorgesetzter bereits den vermeintlich besten Lösungsweg vor Augen hat und Fragen bestenfalls nutzt, um Mitarbeiter in diese nach den eigenen Vorstellungen beste Richtung zu lenken, der wird schnell als Manipulator enttarnt. Dann begreifen Mitarbeiter die Begleitung durch den Vorgesetzten nicht mehr als Unterstützung, sondern fühlen sich verständlicherweise nicht ernst genommen in Bezug auf eigene Ideen und Lösungsansätze. Kreativität und Eigeninitiative versiegen so schnell.
In Zeiten, die geprägt sind von schnellem Wandel, Internationalisierung und Komplexität, gilt es für Führungskräfte, ihre Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, Konflikte selbständig zu lösen und kreativ zu handeln.
Coaching kann dabei den Methodenkoffer einer Führungskraft wesentlich bereichern, vorausgesetzt, sie ist bereit, sich mit ihrem Führungsverständnis auseinanderzusetzen.
Über Corinna Lütsch:
mentalenz – Mit Herz und Verstand (http://www.mentalenz.de/)
Corinna Lütsch, Business Coach und Teamentwicklerin aus Hamburg, unterstützt unter dem Motto „Führen(d) mit Persönlichkeit“ Menschen dabei, sich selbst und andere im Einklang mit der eigenen Persönlichkeit zu führen. Mental intelligentes Handeln beinhaltet dabei die Nutzung von Verstand und Gefühls(er)leben und ermöglicht die Entfaltung ungenutzter Potentiale.
Lesen Sie auch die Meinung von Gudrun Happich, Executive Coach aus Köln: https://crosswater-job-guide.com/archives/72413
Über den Autor:
Helge Weinberg ist Journalist aus Hamburg und Mitglied der Redaktionen des „PR-Journals“, „DPRG Journals“ und des „Crosswater Job Guide“. Zudem schreibt er als Freelancer in diversen Fachzeitschriften über Arbeitgeberkommunikation, Employer Branding und Personalmarketing.