Karriere ab 40: Das Pippi Langstrumpf-Prinzip
Von Conrad PRAMBÖCK
Wer die wichtigen Karriereschritte schon hinter sich gebracht hat, kann sich das Leben nach den eigenen Vorstellungen richten – „ich mach mir die Welt wiedewiedewie sie mir gefällt“.
Hier einige Strategien:
Die Karrieren von heute verlaufen sehr viel steiler als in früheren Jahrzehnten. Während meinem Vater noch geraten wurde: „Arbeiten Sie bis 40, und übernehmen Sie dann Verantwortung“, sind viele junge Menschen nicht mehr bereit, so lange zu warten. Die Karrieresprünge müssen immer rascher, immer höher erfolgen. Geduld ist nicht die Stärke der jungen Generation. Für die Besten führt der Karriereweg schon in den ersten 10 Jahren steil bergauf.
Erste Hürde gemeistert
Eine erste schwierige Phase in der Karriere stellt sich für die besonders Erfolgreichen meist zwischen Mitte und Ende 30 ein. Zu dieser Zeit in ihrem Leben haben die Besten bereits alles erreicht, was sie sich vorgenommen haben, und ein weiterer beruflicher Aufstieg ist nicht mehr möglich oder erstrebenswert. Alle Grundbedürfnisse haben sie erfüllt, alle materielle Sicherheit und beruflichen Status aufgebaut. An diesem Punkt erkennen viele, dass nichts frustrierender ist als ein Traum, der in Erfüllung geht. Mit aller Kraft haben sich die Karrieristen viele wertvolle Jahre lang für ihre beruflichen Ziele eingesetzt. Doch es fühlt sich für viele leer an, sie erreicht zu haben.
Um an die Pension zu denken, ist es noch viel zu früh. Auf dem gleichen Niveau weiterzumachen, fühlt sich perspektivlos an. Ein beruflicher Abstieg kommt für die meisten auch nicht infrage, da sie ihren Lebensstil nicht aufgeben wollen und die eigene Familie, die sie in der Zwischenzeit gegründet haben, finanzielle Ressourcen benötigt. So kommen viele erfolgreiche Menschen im Alter von 40 Jahren an einen Scheideweg, um die Weichen für die nächsten 20 bis 30 Berufsjahre zu stellen.
Anders als in den ersten 10 bis 20 Berufsjahren gibt es dafür weniger soziale Konventionen, die Orientierung bieten. Wer einen erfolgreichen Start ins Berufsleben haben will, hat es einfacher, denn er muss nur die gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen erfüllen: Mach eine gute Ausbildung, such Dir einen guten Job, übernimm immer mehr Verantwortung, werde Führungskraft, und verdiene immer mehr Geld. Wer all dies erreicht hat, muss niemandem mehr etwas beweisen, weder den eigenen Eltern noch dem Partner, weder Freunden noch Rivalen.
Der neue Freiraum, es niemandem mehr recht machen zu müssen, wirkt auf viele Menschen verwirrend. Zur Entwicklung einer neuen Strategie für die nächsten beruflichen Jahrzehnte bietet sich das Pippi Langstrumpf-Prinzip an: „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Es geht dabei darum, das Berufsleben immer mehr den eigenen Vorstellungen und weniger den sozialen Konventionen anzupassen.
Strategien ab 40
Folgende Strategien haben sich bewährt, um in der neuen Unsicherheit im Alter von rund 40 Jahren neue Perspektiven für die eigene berufliche Tätigkeit zu finden. Diese Strategien können einzeln ausgelebt oder beliebig kombiniert werden.
Cash In
Für Arbeiten, an denen Sie zu Beginn Ihrer Karriere eine Woche gesessen sind, benötigen Sie heute nur noch eine Viertelstunde. Ihre Produktivität ist enorm gestiegen, und Sie können deutlich mehr in wesentlich kürzerer Zeit leisten. Dadurch ist es möglich, deutlich mehr zu verdienen. Bis zum Alter von 30 Jahren konnte noch Ihr Chef zu Ihnen sagen: „Diese Arbeit ist eine wunderbare Lernerfahrung für Sie“, und wollte damit ausdrücken: „Hier habe ich neue Arbeit für Sie, aber mehr Geld gibt es dafür nicht.“ Mit mehr Berufserfahrung müssen Sie Tätigkeiten nur noch annehmen, wenn für mehr Leistung auch mehr bezahlt wird.
Nur noch Dinge tun, die Spaß machen
Wer ohne Leidenschaft tätig ist und nur arbeitet, um Geld zu verdienen, gerät nach spätestens 10 bis 15 Jahren in ein Burnout. Es ist unmöglich, im Leben glücklich zu sein, wenn das Berufsleben nur aus Tätigkeiten besteht, die keinen Spaß machen. Mit zunehmendem Alter wählen viele erfolgreiche Menschen den Weg, nur noch an jenen Themen zu arbeiten, die ihnen große innere Freude bereiten. Wer beruflich alles erreicht hat, muss sich nicht mehr an allem quälen. Tätigkeiten, die keinen Spaß machen, werden automatisiert oder von jemandem anderen erledigt.
Der Arbeit einen Sinn geben
Mehr und mehr Geld anzuhäufen, ist nur für wenige Menschen ein echtes Lebensziel. Viele Studien, auch meine eigenen Erhebungen, zeigen deutlich, dass ab einem Einkommen von 100.000 Euro brutto pro Jahr jeder zusätzliche Euro für viele Menschen die Lebensqualität nicht mehr erheblich steigert. Es geht daher nicht mehr um Geld, sondern um die Frage, etwas Sinnvolles mit der verbleibenden Lebenszeit anzufangen. Für manche bedeutet dies eine Tätigkeit im sozialen Bereich, Engagement in Vereinen oder auch der Verbleib im bisherigen Job, solange er die eigenen Vorstellungen von Sinn unterstützt. Sinnlose Tätigkeiten sind schon bei der jungen Generation out. Und auch Menschen mit mehr Berufs- und Lebenserfahrung verfolgen immer stärker den Gedanken, nur noch sinnstiftende Tätigkeiten auszuüben.
Nur noch mit guten Leuten zusammenarbeiten
Während der Pflichtschule und im Elternhaus ist es für keinen jungen Menschen möglich, sich nur mit Menschen der eigenen Wahl zu umgeben. Auch beim Berufseinstieg fühlen sich viele jungen Leute verpflichtet, sich mit unliebsamen Chefs oder Kollegen gutzustellen, um beruflich weiterzukommen. Mit zunehmendem Alter ist es immer mehr möglich, nur noch mit Menschen zu arbeiten, die eine gute Umgebung sind, mit denen es Freude macht zu arbeiten und zu denen ein Verhältnis von unumschränktem Vertrauen und Sympathie herrscht. Mit dem Alter entwickelt sie eine Unduldsamkeit, dass sie ihre Lebenszeit nicht mit Idioten verbringen möchten.
Arbeitszeit verringern
Wer beruflich viel erreicht hat, schuldet dies häufig auch erheblichem zeitlichen Arbeitseinsatz. Dabei sind manche wichtigen Themen, wie etwa Partnerschaft, Zeit mit Kindern oder Hobbies, für viele zu kurz gekommen. Eine beliebte Strategie für jene, die bereits die körperlichen Folgen der vielen Arbeit von 60 bis 80 Stunden-Wochen spüren, ist die Reduktion der Arbeitszeit. Wie bei einem Spitzensportler geht es darum, Zeiten der Regeneration zu nutzen, um die physische Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten. Für manche genügt dafür auch ein „Power Nap“ nach der Mittagspause, andere arbeiten nur noch halbtags. Einige denken die Balance von Arbeit und Entspannung sogar so weit, dass sie niemals in Pension gehen werden, sondern so lange arbeiten werden, wie es körperlich möglich ist.
Größere Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort
Die Flexibilität von Ort und Zeit ist schon heute für die jungen Menschen ein wichtiger Faktor für die berufliche Entscheidung. Flexible Arbeitszeiten und Home Office sind stark nachgefragt. Die technischen Möglichkeiten bieten gerade in qualifizierten Tätigkeiten ungeahnte Chancen, Zeit und Arbeitsort so flexibel wie möglich zu halten. Nicht nur Selbständige, sondern auch Angestellte sind dadurch immer besser in der Lage, die Arbeit dem eigenen Biorhythmus anzupassen und dadurch mehr zu leisten bei gleichzeitig mehr Freude und besserer Vereinbarkeit mit dem Privatleben.
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