Arbeitsmarkt

Konjunktur-Kippschalter umgelegt: Prognose für Deutschland

Die Weltkonjunktur hat im laufenden Jahr weiter Tritt gefasst, unterstützt von expansiven Impulsen der Geldpolitik und der staatlichen Konjunkturprogramme. Nach Ländern und Regionen differenziert ist die Dynamik der Erholung allerdings recht unterschiedlich. So hat sich das vom ifo Institut erhobene Wirtschaftsklima vor allem in Asien kräftig verbessert. Auch in Nordamerika stieg der Indikator und liegt nun leicht über seinem langfristigen Durchschnitt. In Westeuropa dagegen blieb er nahezu unverändert und erreichte nicht seinen langjährigen Mittelwert.

ifo Konjunkturprognose
ifo Konjunkturprognose

Dynamik der Schwellenländer

Im Prognosezeitraum wird sich die weltwirtschaftliche Erholung fortsetzen. Das Bruttoinlandsprodukt der Welt dürfte 2010 um 4,1% und 2011 um 3,5% zunehmen. Die Gruppe der Schwellenländer wird dabei die größte Dynamik entfalten. In den USA wird der diesjährigen kräftigen Erholung voraussichtlich ein Jahr sehr moderaten Wachstums folgen, da die fiskalische Stimulierung ausläuft und strukturelle Probleme wie die geringe inländische Ersparnisbildung ungelöst sind. Die Staaten der Europäischen Union (EU) können sich nur langsam aus der Krise lösen. Allerdings wird die Entwicklung sehr heterogen sein. Die vom Misstrauen der den Finanzmärkte am stärksten betroffenen Defizitländer haben einen  drastischen Konsolidierungskurs eingeschlagen und dürften in diesem Jahr in der Rezession verharren.

Geschäftsklima

Die deutsche Wirtschaft ist dagegen weiter auf Erholungskurs. Zwar wurde die Produktion im Winterhalbjahr 2009/10 durch Sonderfaktoren merklich gedämpft. Vorlaufende Indikatoren wie das das ifo Geschäftsklima zeigen jedoch, dass die konjunkturelle Grundtendenz der deutschen Wirtschaft nach wie vor aufwärts gerichtet ist. Im Juni hat es im  verarbeitenden Gewerbe erstmals wieder seit dem Herbst des Jahres 2008 einen Überhang der Unternehmen gegeben, die eine positive Geschäftlage meldeten, nach einer langen Periode, in der die negativen Meldungen weitaus überwogen. Getrieben wird die Erholung derzeit von den Exporten, befördert durch die Nachfrage insbesondere aus Asien. Die deutsche Wirtschaft, die aufgrund ihrer spezifischen Exportorientierung in besonderem Maße von der vorangegangenen Rezession betroffen war, profitiert nunmehr auch in  besonderem Maße von der weltwirtschaftlichen Erholung. Für das Jahr 2010 ist mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 2,1% zu rechnen.

Binnenkonjunktur

Im kommenden Jahr wird zudem die Binnenkonjunktur etwas an Fahrt gewinnen. Zwar schwenkt die Bundesregierung mit den Sparbeschlüssen der Klausurtagung vom 6. und 7. Juni 2010 auf einen Konsolidierungspfad ein, und die Konjunkturprogramme laufen aus, was für sich genommen dämpfend wirkt. Dem steht jedoch das positive Signal gegenüber, dass der deutsche Staat seine Haushalte im Einklang mit der Schuldenbremse zu sanieren beginnt. In einer Zeit großen Misstrauens gegenüber öffentlichen Schuldnern dürfte dies einen  expansiven Vertrauenseffekt auf die deutschen Konsumenten und Investoren haben, die zudem auch weiterhin von extrem niedrigen Zinsen profitieren werden. Insgesamt ist für das  Jahr 2011 zu erwarten, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion um 1,5% zulegt.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Die konjunkturelle Erholung wird auch auf den Arbeitsmarkt ausstrahlen. Im Durchschnitt dieses Jahres dürfte die Erwerbstätigenzahl um 80 000 steigen, im nächsten Jahr um 120 000. Die Zahl der Arbeitslosen wird dagegen 2010 und 2011 jeweils um 190 000 sinken. Das staatliche Budgetdefizit in Relation zum nominalen BIP beträgt im laufenden Jahr  voraussichtlich 4,2%. Im nächsten Jahr wird es aufgrund der weiteren wirtschaftlichen Erholung und damit verbundenen günstigeren Lage auf dem Arbeitsmarkt auf 3,4% des BIP sinken. Zu dieser Entwicklung trägt auch das Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung spürbar bei. Das strukturelle Defizit dürfte im Jahr 2010 etwa 3,5% betragen und auf 2,9% im Jahr 2011 sinken. Die Verbesserung des strukturellen Budgetsaldos um 0,6 Prozentpunkte genügt den Kriterien der deutschen Schuldenbremse.

Finanzmärkte

Im Zuge der griechischen Schuldenkrise sind die internationalen Finanzmärkte wieder in schwere Turbulenzen geraten. Die stark verschlechterte Haushalts- und Wirtschaftslage Griechenlands führte im Mai zu einem massiven Vertrauensverlust, von dem inzwischen auch andere Mitgliedsstaaten des Euroraums mit hoher Verschuldung erfasst worden sind. In diesen Ländern brachen die Kurse von Staatsschuldtiteln ein, und auch der Außenwert des Euro sank spürbar. Mit den zwischenzeitlich von den Finanzministern beschlossenen Stützungsmaßnahmen für Griechenland und der Schaffung eines Europäischen Stabilisierungsmechanismus konnte zwar dem Kursverfall von südeuropäischen Staatspapieren  entgegengewirkt und die Volatilität der Märkte reduziert werden; zu einer Trendwende an den internationalen Finanzmärkten ist es aber nicht gekommen. Die Zinsspreads waren zuletzt eher größer als vor dem Beschluss über die europäischen Rettungspakete am 8. und 9. Mai.

Zinsentwicklung

In den kommenden Jahren sind große Konsolidierungsanstrengungen aller Defizitländer erforderlich. Wichtig dürfte dabei der Abbau der Ungleichgewichte sein, der durch die Zinsentwicklung unterstützt wird. Hierzu tragen zwei Mechanismen bei. Zum einen sinken bei geänderter Risikoeinschätzung die relativen Ertragsaussichten in den Defizitländern. Dies hat zur Folge, dass verstärkt Kapital in den stabileren Überschussländern angeboten wird, was dort die Kreditkonditionen verbessert und die Renditen reduziert. Zum anderen dürften  die Notenbankzinsen aufgrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung im Euroraum insgesamt auf einem aus Sicht der Überschussländer niedrigen Niveau bleiben. Davon dürfte  speziell die deutsche Binnennachfrage profitieren, während die Risikoaufschläge in den Schuldenländern den Effekt der niedrigen Notenbankzinsen vermutlich mehr als kompensieren  werden.

Immobiliensektor

In Deutschland ist deswegen mit einem Anziehen der Wohnungsbauinvestitionen zu rechnen, aber auch die Unternehmensinvestitionen, der private Konsum und damit letztlich die Importnachfrage werden gestützt. Dies dürfte in Deutschland schneller steigende Löhne und Preise nach sich ziehen. Parallel dazu müssen sich die Defizitländer um eine sehr moderate Lohn- und Preispolitik bemühen. All dies wird ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Überschussländern verbessern und zu einem Abbau ihrer  Leistungsbilanzdefizite beitragen, während in Deutschland das Gegenteil zu erwarten ist. Deutschland dürfte mittelfristig einen investitionsgetriebenen Aufschwung durchleben, weil wieder mehr Sparkapital zu Hause investiert wird.

Insbesondere der Immobilienbereich dürfte davon profitieren. Dadurch wird das Wachstum gestärkt, während sich der Außenhandelsüberschuss vermindert. Die Krise hat quasi einen  Kippschalter der Kapitalmärkte umgelegt, der die Wachstumskräfte, die sich unter dem Euro in die Länder der südwestlichen Peripherie Europas verlagert hatten, wieder in  Deutschland erstarken lässt.

Stefan Schott
ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München
Presse, Redaktion, Konferenzen
Poschingerstraße 5
81679 München
Telefon ++49 (0) 89 92 24-1218
Telefax ++49 (0) 89 92 24-1267
mailto:schott@ifo.de
www.cesifo-group.de

Vorstand: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn (Praesident), Meinhard Knoche

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert