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Mit Sprache ”Werte schaffen” – Professionelle Kommunikation im HR-Bereich

Ein Gastbeitrag von Simone Burel

Simone Burel

Ein Unternehmen wirtschaftet nicht nur mit Gütern oder Dienstleistungen, sondern es handelt ebenso, wenn es kommuniziert. Sprache entscheidet über Unternehmenserfolg ebenso, wie die hard facts – Bilanzen und Unternehmenskennzahlen – die ohne sprachliche Codes ohnehin nicht zu transportieren wären. Im HR-Bereich, in dem sich alles um die Domäne „Mensch“, um den Austausch von Einstellungen, Motiven und Werten dreht, hat professionelle Kommunikation (intern sowie extern) einen Sonderstatus einzunehmen.

 

Die Bedeutung von Sprache und Kommunikation wurde lange in der Wirtschaftspraxis und -theorie unterschätzt. Doch haben Wirtschaftskonzerne, aber auch Körperschaften öffentlichen Rechts (kommunale Einrichtungen, Krankenhäuser, Verbände), diverse Bildungseinrichtungen (Universitäten, Hochschulen) sowie Non-Profit-Organisationen, u.a. durch Konkurrenzdruck und verstärkte öffentliche sowie mediale Wahrnehmung, seit einigen Jahren begonnen, die traditionellen Felder des Wirtschaftens in einen umfassenden, ganzheitlichen Entwicklungsprozess zu integrieren: Dies zeigt sich exemplarisch im HR-Bereich, in dem nun auch die sprachliche Vermittlung des HR-Selbstverständnisses im Vordergrund steht. Die Relevanz dieser kommunikativen Transparenz ist erkennbar, z.B. in einer Reihe von textuell gefassten Leitbildern, Werten oder Philosophien, um in Textform eine Art Selbstbekenntnis vorzulegen.

Diese Entwicklung zeigt, dass Sprache auf einer sekundären Ebene – neben ihrer unmittelbaren instrumentellen Funktion der Informationsvermittlung – eine zweite essentielle Aufgabe zukommt: Sie wird zum Instrument der „Selbstherstellung“ der Human Resources und damit Grundlage für ihre “Persönlichkeit“. Sie kommuniziert ihr Selbstverständnis, ihren Sinn (“Wofür stehen wir?“) – kurz gesagt: ihre Identität. Hierbei stellt das Unternehmen auch eine Menge Fachwissen über sich zur Verfügung, aber auch Wissen um vergangene Traditionen, Unternehmensanekdoten, -pioniere oder -gründer. Es geht also vor allem um Menschen und um von diesen gemeinsam erarbeitetes Wissen (etwa in Gesprächen oder Diskussionen). Dieses Wissen wird von einer Mitarbeitergenration zur nächsten weitergegeben – durch Kommunikation. Ein großer Teil des Handelns von Mitarbeitern beruht folglich auf den Wissenselementen, die sprachlich vermittelt wurden.

Sprache muss ihrer Wertigkeit im HR-Bereich gerecht werden

Wie also kann Sprache im Personalbereich ihrer Bedeutung per se gerecht werden? Wie erlangt sie Anerkennung als Generator und Vermittlerin von Werten und Normen, als primäres Bindeglied zwischen den Mitarbeitern? Denn nur Sprache kann allen Mitgliedern der HR-Gemeinschaft zur Verfügung stehen, sich produktiv zu entwickeln und zu äußern, da das primäre Medium, über welches Informationen und Wissen über die Welt gefasst werden, eben nun einmal die Sprache ist.

Es bedarf dafür sicherlich einer ganzheitlicheren Strategie für Personalkommunikation, welche durch nach innen und außen gerichtete einheitliche kommunikative Aktivitäten ein strukturiertes Vorstellungsbild der Human Resources bietet, z.B. durch Instrumente wie Personalleitbilder. Diese „Leittexte“ sollten durch die HR-Führungsebene und idealerweise mithilfe von Mitarbeitern (z.B. durch Interviews, in denen sprachliche Operationen wie Vergleiche oder Bewertungen vorgenommen werden) zusammen in Workshops erarbeitet, eventuell auch mit Hilfe von externen Agenturen. Die gesamte HR-Kommunikation wird im folgenden auf das konkrete Leitbild abgestimmt, etwa zu publizierende Texte und die allgemeine Kommunikation diesem gegenübergestellt und dahingehend synchronisiert. Beispielsweise müssen Kündigungen oder Ablehnungen von Bewerbern entsprechend sprachlich gestaltet werden, wenn das Leitbild von „Respekt“ und „Anerkennung“ spricht. Checklisten können eine gute Übersicht dafür geben. Andere Vorschläge beziehen sich auf die Verfassung von HR-Wörterbüchern oder Wording-Manuals, die Fachvokabular definieren und erklären, denn Unternehmens- und Dienstleistungsbezeichnungen müssen einheitlich benannt und verwendet werden.

Werte zu schaffen und sprachlich festzuhalten, ist kein einfaches Unterfangen

Carl Benz

Unternehmen stehen vor ähnlichen existenziellen Sinnfragen wie Individuen: Fragen zur kollektiven Identität, zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft: Wohin gehen wir? Was erwartet uns? Was müssen wir tun? Was dürfen wir hoffen? Sie müssen also Verfahren besitzen, wie sie diese gemeinschaftlich beantworten, da somit ein soziales Sinnsystem und ein grundlegender Orientierungsrahmen generiert werden können. Namen spielen hierbei eine wichtige Rolle – denn man begegnet einem Gegenstand durch seine Bezeichnung schon „voreingenommen“. Hierzu ein Beispiel: Obwohl Daimler AG benannt, heißen die Werke in Mannheim noch Mercedes-Benz-Werke. Auch alteingesessene Mannheimer Mitarbeiter verwenden heute noch immer den Namen Benz als Antwort auf die Frage nach ihrem Arbeitgeber.

 

Diese kommunikativen Strukturen verweisen auf ein Wertgerüst zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitern, die sich stark an den Automobilpionier Carl Benz binden. Durch Namen wird also eine gemeinschaftsstiftende Wirkung geschaffen. Teilweise versuchen Unternehmen, eine ganz eigene Unternehmenssprache (corporate wording) zu entwerfen, um unterschwellige und atmosphärische Stimmungen, abstrakte Bilder oder Archetype, zu benennen und zu konkretisieren (z.B. Linde Spirit oder Merck Weg). Auch schwer fassbare Bedeutungsinhalte müssen in ein gemeinsames, möglichst bereichsunspezifisches Wissenssystem transformiert werden, was durch sprachliche Reflexions- und Konstruktionsprozesse gelingt. Beispielsweise wählen dynamische Unternehmen in Selbstpräsentationen oft kurze Sätze, wohingegen in bürokratischen Einrichtungen ein elitärer Sprachstil herrscht.

 

Das Image von HR als Ergebnis der subjektiven Wahrnehmung kann also in besonderer Weise durch sprachliche Strukturen und ihre Verdichtungen geprägt werden und somit Aufschluss über Merkmale oder Werte geben, die das Unternehmen prägen. Im HR-Bereich zeigt sich hierbei folgender Trend: Sätze werden gern in paralleler Anordnung gehalten und mit wir begonnen. Wortfelder wie ʻPartnerschaftʼ, ʻGruppe/Familieʼ, ʻLeistungʼ, ʻErfolgʼ und ʻZeitʼ (Tradition, Zukunft, nachhaltig) sowie Adjektive als Wertmarker stecken wichtige Themenbereiche des Personalbereichs ab. Metaphern, die als Sinnformeln eingesetzt werden, zeigen das Unternehmen zudem als Menschen (wir suchen den offenen, vertrauensvollen Dialog). Somit wird eine persönliche Beziehungsebene aufgebaut, die für die Personalkommunikation unabdingbar ist.

Unverzichtbar: Personalkommunikation erzeugt wertvolle Identität

Beschäftigen wir uns noch konkreter mit den Texten, die in den HR-Bereich fallen: Die Bezeichnungen Werte sowie Leitbild zeigen durch ihre häufige Nennung bereits in ihrem Gebrauch eine gewisse Konvention. Spezifische Wert- und Normvorstellungen sind ein wichtiger Baustein für die Identität des HR-Bereichs, die diese stützen und tragen – analog zur menschlichen Identität. Auch finden sich Bezeichnungen wie Vision und Mission, die – originär aus dem Wortschatz der Religion stammend – auf zukünftige Ziele des Bereichs hinweisen und Meilensteine abstecken sollen. Eine individuellere Bezeichnung lieferte die Commerzbank mit den COM-Werten. Der Konzern wählt hier ein zusammengesetztes Substantiv, bestehend aus dem abgekürzten Unternehmensnamen und dem Substantiv „Werte“, das eine breite Assoziationsebene besitzt. Das neu entstehende Wort soll (quasi als Neologismus „ComWerte“) der individuellen, unverwechselbaren und wiedererkennbaren Sprache des Unternehmens dienen. Diesem Beispiel folgen auch der Merck Weg sowie Linde Spirit.

Menschen machen den Erfolg: Personalbericht 2009. Commerzbank AG
Menschen machen den Erfolg: Personalbericht 2009. Commerzbank AG

An dieser Analyse sieht man aber auch, dass Unklarheit in Bezug auf Textbezeichnungen im HR-Bereich herrscht. Die Bezeichnungskonkurrenz mag aber auch daran liegen, dass es sich hierbei um (noch) marginale Textsorten für den Wirtschaftsbereich handelt, für die es noch keine prototypischen Textmuster gibt sowie keine klare Textsortenzuordnung hinsichtlich ihrer Bezeichnung. Textsorten mit hohem Stellenwert dagegen, wie etwa der Geschäftsbericht, der als „Königsdisziplin” der Unternehmenskommunikation gilt, haben standardisierte Begrifflichkeiten. Dennoch werden etwa Leit- oder Wertbilder im HR-Bereich immer wichtiger – auch in Geschäftsberichten finden sich zunehmend Textteile identitätsstiftender Selbstdarstellungen. Auch lässt sich eine Zunahme von wertstiftenden Bildern in Unternehmen beobachten (z.B. auch durch den Einsatz von Testimonials).

Bleibt nur noch zuletzt die Frage: Warum gewinnen Leit- oder Wertbilder im HR-Bereich immer mehr an Wichtigkeit? Natürlich geht es um Konkurrenzdruck, Globalisierung, Individualisierung und Abgrenzung. Aber auch um mehr: um Identität, um Sinnbildung. Die Texte fragen: Was tun wir? Wo tun wir das? Warum tun wir das? Wohin wollen wir? Durch die textuelle Beantwortung dieser Fragen kann es der HR-Bereich schaffen, intern Unsicherheit und Komplexität gegenüber der Umwelt zu reduzieren und eine gemeinsame Sinngemeinschaft zu bilden, die effizienteres Handeln ermöglicht. Die Mitarbeiter identifizieren sich durch eine gemeinsame Identität mit dem Unternehmen und fühlen sich damit emotional verbunden. Zweitens wird auch ein rational-ökonomisches Prinzip erfüllt: Die Mitarbeiter binden sich an das Unternehmen. Auch kann, z.B. durch gemeinsame Visionen, der Koordinationsbedarf unter den Mitarbeitern gesenkt werden. Extern positioniert sich der HR-Bereich in positiver Weise (sowie seine Dienstleistungen) und wird idealerweise textuell sowie sprachlich unverwechselbar und wiedererkennbar.

Sprache hat demnach im HR-Bereich einen enormen Stellenwert. Die richtige Kommunikation trägt dazu bei, den Personalbereich intern sowie extern zu stärken und zu definieren. Wer mit Menschen arbeitet, tut dies nur mit und durch Sprache.

Simone Burel M.A.

Der Artikel ist ein Auszug aus dem Dissertationsprojekt Sprachliche Konstituierung von Identität in Unternehmenstexten, das die Autorin seit April 2011 an der Graduiertenschule für Geistes- und Sozialwissenschaften (HGGS) der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg betreibt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass das Konstrukt der Unternehmensidentität als Konzept mit linguistischen Analysemethoden eruierbar ist und greifbar gemacht werden kann, da dieses sich durch programmatische Texte in der sprachlichen Realität niederschlägt und damit sprachlich materialisiert, zugleich auch spezifische Wissensdimensionen einer Sprachgemeinschaft (des Unternehmens) abbildet. Seit Oktober 2011 ist die Autorin Mitarbeiterin bei der Schelenz GmbH – HR Management Beratung & Personalkommunikation – und dort zuständig für die sprachliche Analyse und Vertextung von unterschiedlichen Medien der Personalkommunikation.

Schelenz GmbH, Großkarlbach, www.schelenz-gmbh.de

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