Arbeitsmarkt Fachkräftemangel

Blumenstrauß, Arbeitsvertrag und Flugticket in die Welt

Strategieworkshop Fachkräfte anlässlich 10-jähriger Kooperation der Region Heilbronn-Franken mit der Hochschule Eberswalde

Anlässlich der 10-jährigen Kooperation zwischen der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) und der Hochschule Eberswalde fand Mitte Juni 2011 am traditionsreichen Werbellinsee in Schorfheide in Barnim-Uckermark ein „Strategieworkshop Fachkräfte“ statt. Rund 30 geladene Gäste aus Wirtschaft, Wirtschaftsförderung, Hochschule, Arbeitsverwaltung und Regionalpolitik diskutierten zusammen mit dem Berliner TV-Journalisten Dr. Bernhard Büchel. Es wurde Strategien erarbeitetet, wie der aktuellen Situation am Arbeitsmarkt begegnet werden kann, so dass ost- und westdeutsche Partner gleichermaßen profitieren. Eberswalde war 2001 die erste Hochschule im heute europaweiten Hochschulnetzwerk der Region Heilbronn-Franken. In Heilbronn-Franken herrscht derzeit nahezu Vollbeschäftigung.

Moderator Dr. Bernhard Büchel (links) und Wirthwein-Werkleiter Ulf Sauerwald diskutieren am Werbellinsee

„Gute Kontakte, Beziehungen und Netzwerke stehen und fallen mit Personen“, das betonte Professor Michael Rösler von der Hochschule Eberswalde bei seiner einführenden Begrüßung zum „Strategieworkshop Fachkräfte“ anlässlich des Jubiläums einer ostdeutschen Hochschule mit einer westdeutschen Wirtschaftsregion. Hinter der erfolgreichen 10-jährigen Partnerschaft stehen sowohl er, als Professor für Regionalmanagement und Steffen Schoch, der Geschäftsführer der kooperierenden Standortmarketinggesellschaft Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF).

 

Schoch, der selbst viele Jahre beruflich in den ostdeutschen Bundesländern verbrachte, ist es ein Herzensanliegen, die Menschen in Ost und West zusammen zu bringen und Kooperationen mit gegenseitigem Nutzen zu stiften. „Damals sprach noch niemand von Demografie und ich erinnere mich gut, wie kritisch unsere Aktion in der Heimat beobachtet und diskutiert wurde, als wir bundesweit Hochschulen eingeladen haben, um im Rahmen von Exkursionen die Unternehmen und die Region Heilbronn-Franken kennenzulernen“, erinnert sich Steffen Schoch. Heute sind insbesondere die Unternehmen um unsere bundesweiten Netzwerke dankbar, weil auch in Heilbronn-Franken vor allem die 15-30 jährigen wegziehen. „Alle Unternehmen und Region stehen vor denselben Herausforderungen“, weiß auch Ralf Lauterwasser, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Main-Tauber GmbH in Tauberbischofsheim.

 

Bundesweit anerkannt und erfolgreich

 

Die Aktionen der Wirtschaftsregionen Heilbronn-Franken GmbH sind heute bundesweit anerkannt und vorbildlich.  Heilbronn-Franken ist einer von 365 Preisträgern, die jedes Jahr von der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ gemeinsam mit der Deutschen Bank unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten prämiert werden.

 

Noch viel Potenzial

 

Die Netzwerker Michael Rösler und Steffen Schoch sehen noch viel Potenzial in dieser Partnerschaft. Und es war schon etwas Besonders, dass man sich bei diesem Jubiläum nicht nur rückblickend gegenseitig auf die Schultern klopfte, sondern gemeinsam den Blick nach vorne richtete und sich mit einem gemeinsam drängenden Problem, nämlich der Fachkräftegewinnung, beschäftigte.


Umsiedlungsprämie sollte Kassen entlasten

 

Noch vor wenigen Jahren sah das alles ganz anders aus. Hohe Arbeitslosigkeit, kaum erfolgreiche Unternehmen. Hoffnungslosigkeit für die Menschen. Für dünn besiedelte Regionen in Brandenburg, wie in der Schorfheide, gab es von Experten sogar den Vorschlag, die Abwanderung zu fördern. Die im Auftrag des Brandenburger Landtages vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung erarbeitete Studie kam zu dem Schluss, dass es zu teuer ist, überall die jetzige Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Das berichtete noch im Herbst 2007 die „Märkische Oderzeitung“. Im Gutachten hieß es, dass man die entleerten Räume „zu einem Naturerlebnisgebiet ‚Wildnis‘ umwidmen“ könne, das Touristen anziehe.

 

In Brandenburg hat sich eine starke Wirtschaft entwickelt

 

Fast unbeachtet hat sich aber gerade im östlichen Brandenburg in den letzten Jahren eine starke Wirtschaft entwickelt, die qualifizierte Fachkräfte dringend braucht. „Westliche Regionen wie Heilbronn-Franken haben einfach mindestens 60 Jahre Vorsprung in der Marktwirtschaft und hatten Zeit zum Wachsen“, betont Christian Eydam. Er ist diplomierter Forstwirt, kommt aus Eberswalde und erlag vor wenigen Jahren der Verlockung der Umsiedlungsprämie nach Baden-Württemberg. Heute ist er als Arbeitsvermittler im Agenturbezirk Schwäbisch Hall tätig und würde jetzt wahrscheinlich seiner Heimat nicht mehr den Rücken kehren. Die Wahrscheinlichkeit der Rückkehr nehme aber mit jedem Jahr ab, betont der gebürtige Brandenburger.

 

„Trotz einer Arbeitslosenquote von derzeit 12 Prozent haben auch wir einen Mangel an qualifizierten Fachkräften“, bestätigte sein Kollege Christian Ramm, Leiter der Arbeitsagentur in Eberswalde. „Wir haben viel erreicht im Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren von 40.000 auf 20.000 halbiert. Wir wissen, dass Brandenburg heute mit seinen Unternehmen einiges zu bieten hat“, betont Ramm, der die jungen Menschen aufruft hier zu bleiben und eher die Ansiedlung von Unternehmen als die Abwanderung der Menschen hier sehen möchte.

 

35-Stunden-Woche wird kippen

 

Patrick von Hertzberg, einst als Unternehmensberater mit dem rostigen VW-Golf aus dem Westen hier angekommen, hat als Unternehmer im Walzwerk Finow Verantwortung übernommen und produziert heute mit 150 Mitarbeitern unter anderem Präzisionsstahlrohe für die Automobilindustrie. Das Werk, das eine wechselhafte Geschichte hinter sich hat, macht etwa 70 Millionen Euro Umsatz. „Der Demografiefaktor wird demnächst unsere 35-Stunden-Woche kippen“, da ist sich von Hertzberg sicher. „Früher konnte man sich die Bewerber aussuchen, heute muss man nehmen was kommt.“

 

Und auch Ulf Sauerwald, Werkleiter der Wirthwein Nauen GmbH & Co. KG betont: „Wir sind hilflos bis zum „Gehtnichtmehr“, wenn wir keine Arbeitskräfte kriegen.“ Fünf Ausbildungsplätze würde er gerne besetzen, nur eine Bewerbung ist bei ihm eingegangen.

 

Lösungen für Brandenburg und Heilbronn-Franken

 

Für Dr. Ronald Thiel, Wirtschaftsförderer der Stadt Eberswalde, sind Rückkehraktionen auch nur Aktionen mit begrenzter Wirkung. „Wir müssen unseren Vorsprung, den wir als „Laborregion“ der Bundesregierung mit Fördermittelmitteln und anderen Unterstützungen bekommen, auch nutzen. Es geht nur gemeinschaftlich und in Teamarbeit“, so Thiel.

 

„Sich dem öffnen, was Brandenburg zu bieten hat“, empfiehlt Nicole Schwuchow, Absolventin der Hochschule in Eberswalde, Praktikantin in Heilbronn-Franken und heute Direktorin in einem Berliner Hotel.

 

Aus Regionen und Städten Marken machen, damit man sie findet und Verbindlichkeit in einem Mehrjahresplan herstellen, das regt Marketingexperte Dr. Justus Bobke an.

 

„Als Industrie sind wir an der jetzigen Situation nicht ganz unschuldig“, sagt Ulf Sauerwald von Wirthwein Nauen ganz selbstkritisch. „Wir haben eben vielleicht auch nicht genügend darüber gesprochen, was wir tun in unseren grauen Kisten und was wir zu bieten haben“, so der Werkleiter. „Ohne den Standort Nauen, wäre Wirthwein nicht zum Weltmarktführer geworden. Wer weiß das schon?“

 

Um die Mitarbeiter zu motivieren bekommt jeder, der bei Wirthwein eine erfolgreiche Ausbildung absolviert neben dem obligatorischen Blumenstrauß und dem Arbeitsvertrag auch ein Flugticket, um die  ausländischen Standorte des Unternehmens in der Welt kennenzulernen. Zur Fertigung komplexer Kunststoffkomponenten in bewährter Qualität arbeiten bei Wirthwein in Deutschland, Polen, China, Spanien und den USA mittlerweile über 2.000 Mitarbeiter in 13 Unternehmen.

 

Lutz Pfister, der wesentlich das Funkwerk Dabendorf aufgebaut hat und heute an der Konzernspitze in Salzgitter tätig ist, empfiehlt eine hohe Ausbildungsquote und die Zusammenarbeit mit Praktikanten und Diplomanden auch in schlechten Zeiten. „Die jungen Menschen haben super Ideen und helfen uns die Augen zu öffnen und das Unternehmen nach vorne zu bringen“, so Pfister der zum Workshop ein Praktikantin aus Mexico mitgebracht hat.

 

Jungen Menschen schnell Verantwortung zu übertragen, Erfolgsprämien auszahlen sowie enge Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen als auch ein aktives Wissensmanagement mit den Partnern, das empfehlen Egon Ehrle und Kerstin Thomsen vom Weltmarktführer BE-Maschinenmesser in Spreenhagen.

 

„Und wenn wir Westmanager anwerben wollen, dann müssen wir denen einfach ein bestimmtes Umfeld bieten“, diese Erfahrung macht Dr. Peter Kretschmer vom IGV Institut für Getreideverarbeitung in Bergholz-Rehbrücke immer wieder.

 

Patrick von Hertzberg, der neben dem Walzwerk Finow noch weitere Unternehmen in Brandenburg begleitet wünscht sich insbesondere ein unbürokratisches, schnelles, offenes und selbstbewusstes Vorgehen. „Die mit Lothar Späth begonnene Wirtschaftspolitik und die selbstbewusste Präsentation des Bundeslandes Baden-Württemberg heute sind schon Dinge auf die man schaut. Da kann Brandenburg noch einiges lernen.“

 

„Wer stehen bleibt rostet oder hat schon verloren“, bringt es Dr. Peter Kretschmer auf den Punkt. Dass Heilbronn-Franken und Barnim-Uckermark nicht stehen bleiben, das hat der Strategieworkshop bewiesen für den es auch von Ute Trinkhof, der Vertreterin des Brandenburgischen Arbeitsministeriums viel Lob gab. „Beide Regionen haben vieles gemeinsam. Erfolgreiche Unternehmer und Menschen, die anpacken.“

Hintergrund

Seit Mai 2001 pflegen die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE) – insbesondere der Fachbereich Wirtschaft Schwerpunkt Regionalmanagement – und die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken in Baden-Württemberg  eine intensive Kooperation, um hier voneinander zu profitieren.

 

Ursprung der Idee ist es, Studenten und Absolventen auf die Möglichkeiten des Arbeitsmarktes in der Region Heilbronn-Franken in Baden-Württemberg aufmerksam zu machen, Netzwerke anzuregen, als auch am Studium Interessierte Menschen der Region Heilbronn-Franken auf die Studienmöglichkeiten an der HNE Eberswalde hinzuweisen.

 

Netzbildung, Standortmarketing und Fachkräftegewinnung, sind die Aufgabenschwerpunkte der WHF. In den vergangenen 10 Jahren haben mehr als 300 Studenten aus Eberswalde im Rahmen von mehrtägigen Exkursionen und Beiträgen im Rahmen ihrer Vorlesungen Unternehmen und Institutionen, aber auch das Denken und Handeln in der „Region der Weltmarktführer“ kennengelernt. Zahlreiche Projekt – und Diplomarbeiten wurden gemeinsam angefertigt und die Kooperation im Jahr 2007 mit einer offiziellen Kooperationsvereinbarung mit dem Präsidenten der Hochschule, Professor Wilhelm-Günther Vahrson, besiegelt.

 

Die WHF hat über die Jahre hinweg ein weiträumiges Netzwerk unter Hochschulen in Deutschland, Schweiz, Österreich, Niederlanden und USA aufgebaut. Die Hochschule Eberswalde im östlichen Brandenburg war die erste Hochschule, die im Jahr 2001 das Kooperationsangebot angenommen hatte.

 

Rund 3.000 Studenten aller Hochschulen besuchten bislang die Region auf Einladung der WHF. Bei rund 120 Exkursionen  fanden über 400 Firmenbesuche statt. Die Besuche werden regelmäßig evaluiert.

 

Im Herbst lädt die WHF zum 7. Internationalen Hochschullehrer- und Professorentreffen ein. Fast 100 Professoren tragen als Netzwerkpartner und Multiplikatoren die Botschaft „Region der Weltmarktführer“ zu ihren Studenten.

 

Derzeit sind in dem Netzwerk Hochschulen aus Luzern/Schweiz, Linz/Oberösterreich und Potsdam wie auch Stralsund an der Ostsee, s’Hertogenbosch in den Niederlanden sowie Indianapolis/USA integriert. Neben den Unternehmensbesuchen werden über das Netzwerk auch sehr erfolgreich Diplomanden und Praktikanten zu den Unternehmen vermittelt.

 

Auf der europaweit erfolgreichsten und umfangreichsten Akademikerjobbörse regiojobs24.de werden nunmehr seit dem Jahr 2005 qualifizierte Fachkräfte auf die beruflichen Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Region der Weltmarktkführer aufmerksam gemacht. Derzeit sind dort etwa 2000 offene Stellen von rund 430 regionalen Unternehmen für Akademiker abgebildet. Rund 10 Millionen Jobangebote wurden bislang Online aufgerufen und zu den regionalen Unternehmen vermittelt.

 

Von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ wurde die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) vor wenigen Wochen „Ausgewählter Ort 2011“, weil sie mit ihrer Verbindung von Standortmarketing und Fachkräftegewinnung ein Vorbild für ganz Deutschland darstellt.

 

http://www.heilbronn-franken.com/DATA/AUSBILDUNG_UND_FORSCHUNG/ausbildung_und_forschung_hochschulkooperationen.php

 

Weitere Informationen bei Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH, Weipertstr. 8-10, 74076 Heilbronn, Telefon: 07131-7669-860, Fax: 07131-7669-869, info@heilbronn-franken.com, www.heilbronn-franken.com

 

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