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Die Stützli-Revolution vom Paradeplatz

Thomas Minder (Foto: 20min.ch)

Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide

Das Abstimmungsergebnis der Schweizer Volksinitiative zur Begrenzung der Manager-Gehälter und Bonifikationen („Schweizer stoppen Manager-Abzocke„) hat wieder einmal mehr den Blick auf die sonst so betuliche Schweiz gelenkt. Mit einer Zustimmung von 68% hat das Volk die Initiative des Schaffhauser Kleinunternehmers und unabhängigen Politikers Thomas Minder bestätigt. Demzufolge sollen Vorstands-Gehälter und Bonifikationen zukünftig von denjenigen entschieden werden, denen das wirtschaftliche Gesamtergebnis eines Unternehmens besonders am Herzen und im Portemonnaie liegen – den Aktionären.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise mit ihren abenteuerlichen Rettungsaktionen finanziert durch Steuerzahler haben sich wenige konkrete Handlungen und Maßnahmen abgezeichnet. Zähneknirschend, mit der geballten Faust in der Tasche hat die Occupy-Wall-Street-Bewegung die Bürger mobilisiert – und Plakatmaler zu einfallsreichen Ideen animiert. Mehr ist daraus nicht geworden – bis die Schweizer Volksinitiative demonstrierte, dass es auch anders geht.

Occupy Wall Street

„Wir sind das Volk“ – diese schon seit langem in Vergessenheit geratene Forderung ist in der Form einer Volksabstimmung eigentlich ein Schlag ins Gesicht der PoLoBü-Kaste – der Gemengelage von Politik, Lobbyisten und Bürokraten/Technokraten, denen es in all den langen Jahren seit dem Ausbruch der Finanzkrise nur im Schneckentempo gelingt, neue, strengere Rahmenbedingungen zur Risiko-Eindämmung zu formulieren.

 

Die Erfolgsaussichten der Abzocker-Initiative kommentierte die ZEIT so:

„Warum fand die Initiative dennoch so viel Zuspruch? Entscheidend war die Stimmungswende, die sich Mitte Februar vollzog. Damals wurde öffentlich, dass sich Daniel Vasella, der Aufsichtsratsvorsitzende des Basler Pharmaunternehmens Novartis, nach seinem Rücktritt sechs Jahre lang 72 Millionen Franken bezahlen lassen wollte – nur damit er nicht bei der Konkurrenz anheuert. Der Manager hätte das Geld also für das Nichtstun bekommen. Die öffentliche Wut war so groß, dass der Aufsichtsrat den Vertrag rückgängig machte. So wollte man wenigstens den Imageschaden für das Unternehmen im Rahmen halten.“

Nun wendet sich der Blick der Politik auf die Confoederatio Helvetica. Im Zentrum der Schweizer Bankenwelt liegt der Zürcher Paradeplatz, ein symbolisches Schaltzentrum der Schweizer Wirtschaft. So ist der Paradeplatz nicht nur die Drehscheibe des Öffentlichen Nahverkehrs der Verkehrs-Betriebe-Zürich, dort wurde auch die erste Filiale der legendären Mövenpick-Bistro-Kette gegründet, die mit standardisierter Qualität und einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis begann, die Hotel- und Gastronomie-Branche aufzumischen.

Paradeplatz Zürich (Schweiz)

Ähnliches haben auch die „Gnome von Zürich“ erreicht. Die im Umfeld des Paradeplatzes domizilierten Banken wie die Schweizerische Kreditanstalt, der Schweizerische Bankverein, die UBS Bankgesellschaft, Bank Leu oder die Schweizerische Volksbank haben ihr eher biederes Geschäftsmodell renoviert und internationalisiert und sind in der Folge nach Übernahmen und Fusionen zu wichtigen globalen Player im Investmentbanking aufgestiegen. Wenn es nun um die Kritik an „Gier-Bankern“ geht, wird die UBS in einem Atemzug mit den schlimmen Hazardeuren der Finanzwirtschaft genannt.

Hand in Hand mit dem Aufstieg in die Weltliga der Investmentbanker ging ein Verlust der Risiko-Einschätzung einher, im Verbund mit exorbitanten Vorstandsgehältern und Boni-Verträgen für die aggresiven Händler. Und damit soll nun plötzlich Schluß sein? Die Volksinitiative spricht eine klare Sprache. Die Gehälter und Bonifikationen sollen wieder auf ein kleineres Niveau gekürzt werden, so wie es im Schweizer Dialekt der Begriff „Stützli“ verinnerlicht. Stützli ist kleines Geld, billiges Geld. Autowaschstraßen werben mit der „Stützli-Wäsche“ und auch die Bordsteinschwalben im Umfeld des Zürcher Hauptbahnhofs machen mit dem „Stützli-Sex“ Werbung für preiswerte private Dienstleistungen am Kunden.

Populistische Politiker in Deutschland erkennen nun die Weisheit des Volkes und agieren als Trittbrettfahrer mit ähnlich gelagerten  Forderungen („SPD fordert Anti-Abzock Gesetz auch für Deutschland„) . Peer Steinbrück – einer der Lautsprecher der klaren Worte – hatte vor geraumer Zeit gefordert, die Kavallerie in die Schweiz zu schicken um dort mit Steuerhinterzieher und dem Bankgeheimnis endlich aufzuräumen. Klüger wäre es vielleicht gewesen, eine Abordnung des Allensbacher Instituts für Demokratie vom Bodensee über die Grenze zu schicken und eine Meinungsforschung unter den Eidgenossen zum Thema „Abzocke“ zu machen. Auch von der Schweiz kann man lernen.

 

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