Rechtliche Grenzen der Direktansprache am Arbeitsplatz für Personalberater
Ein Beitrag von Christina Diegel
Anfänglich nur den wirklich großen Unternehmen sympathisch, liebäugelt nach und nach auch der Mittelstand angesichts akuten Fachkräftemangels mit Recruitingunternehmen. So ist es nicht verwunderlich, dass es auch auf Arbeitnehmerseite mittlerweile zum guten Ton im Lebenslauf gehört, verschiedenste Stationen in der Arbeitswelt vorweisen zu können. Angesichts des demographischen Wandels sind sich derweil die allermeisten Kandidaten außerdem ihrer Rarität durchaus bewusst und scheuen nicht, sich selbst und ihre berufliche Laufbahn im Internet darzustellen. Die Angst, der Arbeitgeber könne etwas von dieser möglicherweise mangelnden Loyalität mitbekommen, hat in Konsequenz zunehmend abgenommen.
Nichtsdestotrotz sehen sich Recruiter im Arbeitsalltag oft immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, unmoralische Abwerbung zu betreiben. Insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die einen starken regionalen Fokus setzen, finden sich immer wieder Kandidaten, die von der direkten Ansprache durch den Headhunter eher abgeschreckt, als geschmeichelt sind.
Etabliert in den späten 50er Jahren, hat die Personalberatung zunehmend auch rechtlich Beachtung gefunden. Zunächst durch die Auflösung des Monopols für Arbeitsvermittlung durch den Staat am 1. August 1994, später vor allem durch das Urteil des OLG Karlsruhe vom 04.03.2004 (Az. I ZR 221/01) zur Direktansprache am Arbeitsplatz.
Während vor allem schon alteingesessenen Personalberatern bestimmte Thematiken bis zur Gänze bekannt zu sein scheinen, sind oftmals Berufsanfänger und studentische Aushilfskräfte durch einen nach wie vor vorherrschenden Mantel der Geheimniskrämerei über der Branche abgeschreckt. Grund hierfür scheint neben einer besonderen kommunikativen Eignung für die Berufsausübung nicht zuletzt auch die Unsicherheit hinsichtlich rechtlicher und moralischer Grenzen des Zulässigen zu sein. Aber auch jenen berufserfahrenen Recruitern soll verdeutlicht sein, dass sich wie für rechtsprechungsabhängige Thematiken üblich, das geltende Recht für Recruiter einer ständigen Entwicklung ausgesetzt sehen muss.
So stoßen die branchenüblichen Gewohnheiten und Vorgehensweisen erst nach und nach auf Rechtsprechung und kollidieren nicht selten mit dem Arbeitsalltag. Besonders erschütternd war dies am 17. Dezember 1999 der Fall, als das OLG Stuttgart in einer Entscheidung für erhebliches Aufschrecken bei allen Personalberatern sorgte und ein generelles Verbot der telefonischen Kontaktaufnahme mit einem Arbeitnehmer am Arbeitsplatz aussprach. Diese Auffassung ist durch die Entscheidungen des BGH zur Direktansprache am Arbeitsplatz mittlerweile überholt. Es entschied, dass das Abwerben fremder Mitarbeiter als Teil des Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt sei und nur bei Einsatz unlauterer Mittel oder Verfolgung unlauterer Zwecke gegen das Wettbewerbsrecht verstoße. Hierauf soll in späterem Beitrag detaillierter eingegangen werden.
Allerdings konfrontierte auch in jüngster Vergangenheit das Urteil des Landgerichts Bonn vom 3. Januar 2013 (Az. 14 O 165/12) viele Recruiter mit der Realität rechtlicher Grenzen, indem es der Nutzung von sogenannten Coverstories zur Identifikation von Kandidaten den Kampf ansagte.
Einige Researcher sehen sich innerhalb des Recruitingprozesses mit einer schieren Unerreichbarkeit der Kandidaten konfrontiert und greifen bei der Lösung dieses Problems vor allem auf das Erfinden von Coverstories zurück.
Im vom LG Bonn entschiedenen Fall rief ein Researcher in der Zentrale eines Unternehmens für Softwarelösungen auf dem Gesundheitsmarkt an und verlangte den von ihm gesuchten Kandidaten zu sprechen. Die Mitarbeiterin des Unternehmens behauptete im Verfahren, der Anrufer habe sich unter falschem Namen und falschem Firmennamen vorgestellt und darum gebeten, den entsprechenden Kandidaten zu sprechen. Der Researcher dagegen gab an, er habe sich unter richtigem Namen gemeldet und lediglich um Rücksprache mit dem Kandidaten gebeten.
Das Landgericht Bonn folgte den Aussagen der Mitarbeiterin des klagenden Unternehmens insbesondere deshalb, weil der beklagte Researcher sich nicht mehr an den Namen der Firma erinnern konnte, unter der er sich meldete. Das Gericht stellte entsprechend fest, er könne zumindest nicht im Namen der Personalberatung angerufen haben. Schließlich entscheidet es gegen den Beklagten. Zwar bestätigte das Landgericht auch hier die Rechtsprechung des BGH zur Direktansprache am Arbeitsplatz, stellte aber im geschilderten Fall vor allem eine unzumutbare Belästigung gem. § 7 Abs. 1 S. 1 UWG fest. Die Grenze zu einer unzulässigen Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG sei bereits überschritten, wenn der Anrufer einen Mitarbeiter des Arbeitgebers über seine Identität täusche. Entsprechend habe die angerufene Firma einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1; 3; 7 Abs. 1 UWG gegen den Personalberater, für den der Researcher tätig war. Zusätzlich waren alle Kosten des Prozesses durch den Personalberater zu tragen.
Für die Praxis bedeutet dies vor allem mehr denn je, den beauftragten internen oder externen Researchern mehr Bedeutung zuzumessen. Insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Aufklärung muss noch deutlicher über die rechtlichen Grenzen des UWG für den Recruitingsprozess aufgeklärt und die entsprechenden Alternativen im Arbeitsalltag aufgezeigt werden. Vor allem durch das Internet bieten sich solche, die keine unzumutbaren Belästigungen darstellen und nicht nur als zeitsparender, sondern auch als moralisch vertretbar gelten.
Schließlich kann auch das nur dazu beitragen, der Personalberatung den für viele Kandidaten teils unmoralischen Beigeschmack zu nehmen.
In Zusammenarbeit mit Kanzlei-job.de
Christina Diegel
Research Associate, ingeniam Executive Search & Human Capital Consulting, Frankfurt am Main