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Recruiting ist wie Elfmeterschießen

Man kann nicht glänzen, aber dafür richtig versemmeln.

Von Stefan Renzewitz

Das ist mein Fazit nach 13 Jahren Personalmarketing und Recruiting. Können Sie sich noch an die Anfangsphase des Social Media Hypes erinnern? Der heilige Gral des Recruitings? Da wurde einem angst und bange, dass man schon morgen keine Kandidaten mehr auf dem herkömmlichen Weg bekommt. Inzwischen haben wir uns in die Formulierung „wichtig fürs Personalmarketing“ gerettet.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Social Media ist in der Tat wichtig für das Personalmarketing! Hat es aber die Prinzipien des Recruitings derart revolutioniert oder ist es vielmehr ein weiteres Marketinginstrument geworden? Dies bringt mich zu meiner Grundfrage: Wie hoch ist die Innovationskraft im Recruiting heutzutage wirklich?

Der limitierte Recruiting-Innovationskreis

Vergleicht man den Recruiting- mit dem Technologie-Bereich, dann hat aus meiner Sicht der Recruiting-Innovationskreis den Radius eines Bierdeckels. Auch hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der Änderungen und Neuerungen im Technologie-Bereich aufkommen, sind dies zwei völlig verschiedene Welten. Vergleichen Sie einmal die Innovationen wie Smartphones, Tablets, Smart TVs, vernetzte Autos, Apps für Digitalkameras, etc. mit den Innovationen im Recruiting-Bereich in den letzten Jahren. Die größte Innovationen der letzten 10 Jahre im Recruiting sind und bleiben die Business-Netzwerke Xing und LinkedIn. Diese haben in der Tat nachhaltig das Recruiting verändert (und Facebook teilweise das Personalmarketing). Allerdings… war dies meiner Ansicht nach weder das ursprüngliche Ziel der Plattform-Erfinder, noch wurde diese Entwicklung von HR vorangetrieben.

Warum ist das eigentlich so, dass ein solch begrenzter Innovationsgrad besteht? Fehlt es an kreativen oder intelligenten Köpfen in der Szene? Ich glaube nicht!

Einer der wichtigsten Gründe für die geringe Innovationskraft im Recruiting ist für mich das stark limitierte Spielfeld, auf dem wir agieren. So ist z.B. der Kandidatenmarkt vorgegeben und es können keine neuen „Märkte“ und Zielgruppen erschlossen werden. Recruiter sind daher gezwungen, mit dem Wettbewerb um die gleichen Kandidaten zu buhlen. Im übertragenen Sinne können Sie kein neues iPhone erfinden, das Millionen Menschen kaufen wollen, die zuvor eigentlich gar keinen Bedarf daran hatten.

Dabei gibt es gerade aktuell interessante Spielplätze fürs Recruiting auch im Ausland, aber hier stolpern wir noch, frei nach Andy Möller’s Worten: Köln oder Madrid? Hauptsache Deutsch!

Exogene Größen sind entscheidender beim Recruiting

Wenn die Märkte und Zielgruppen nicht viel Spielraum lassen, wie sieht es mit anderen Faktoren aus, um im Rahmen des Personalmarketings und Recruitings zu glänzen? Wie schafft es ein Unternehmen, bei Arbeitgeber-Rankings aufs Treppchen zu gelangen?

Ich glaube, die Einflussmöglichkeiten sind überschaubar. Es gibt einen Grund, warum die bekanntesten deutschen Automobilhersteller bei fast jeder Zielgruppe aktuell ganz oben auf der Wunschliste stehen. Die Recruiting- und Personalmarketingabteilungen der Unternehmen machen ohne Zweifel einen sehr guten Job. Im Vergleich zu anderen Arbeitgebern profitieren sie darüber hinaus jedoch von einem starken Produkt-Brand und spielen dadurch mit einem Messi im Team. Anders gesagt: wenn das gleiche Team mit dem gleichen Budget für die Schraubenmüller AG in Osnabrück (was auch ein schöner Ort ist) arbeiten würde, dann würde es sicherlich nicht das gleiche Ergebnis erzielen. Denken Sie auch an die führenden Technologie-Unternehmen, die jahrelang bei der Zielgruppe IT ganz oben standen, obwohl sie weder für Deutschland neue Mitarbeiter suchten, noch irgendwelche Personalmarketingmaßnahmen durchführten.

Was macht also ein Unternehmen attraktiv für Bewerberinnen und Bewerber? Um dies in aller Härte zu formulieren: Es ist der Kontakt mit dem Fachbereich, die Attraktivität der Produkte und die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen, natürlich verbunden mit einem fairen Gehaltspaket. Was zählt dabei die Arbeit des Recruiters? Ein klarer, professioneller und zügiger Recruitingprozess ist ohne Zweifel wichtig und unabdingbar (Stichwort „Candidate Experience“), aber ein Kandidat wird sich nicht für einen Arbeitgeber entscheiden, weil ihm der Recruiter sympathisch erscheint.

Nun liegt es aber in der Natur des Menschen, eine gewissermaßen bedeutende Rolle zu spielen und auch ab und zu einmal im Rampenlicht zu stehen. Lassen Sie mich dazu ein weiteres Beispiel aus dem Fußball nehmen: In einem Fußballteam gibt es auch unterschiedliche Rollen. Ein Jürgen Kohler hat als Fußballer Spiel für Spiel einen grandiosen Job gemacht, sehr (Vorsicht: Phrasendrescherei) mannschaftsdienlich gespielt, ohne dabei ins Rampenlicht zu treten. Übertragen auf unser Geschäft bedeutet dies: Nur wenn jeder seine Rolle und seinen Beitrag versteht und auch akzeptiert, können wir einen bestmöglichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Ansonsten drohen wir uns ins Abseits zu spielen. Welche Kandidaten morgen gesucht werden, entscheidet der Fachbereich und nicht HR. Kapitän und Trainer sind also andere.

 

Weiterlesen: http://www.access.de/un/blog/recruiting-ist-wie-elfmeterschiessen-8560

 

Stefan Renzewitz
Operations Lead Talent Sourcing D-A-CH
stefan.renzewitz@access.de

 

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