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Digitalisierung wird nur sehr wenige Berufe verschwinden lassen

Dr. Britta Matthes
Dr. Britta Matthes

Kaum ein Beruf ist derzeit vollständig durch Computer ersetzbar. Nur 0,4 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in Berufen, die durch Computertechnologie und Automatisierung komplett verschwinden könnten. Dazu gehören vor allem Berufe im Bereich der Industrieproduktion. Bei sozialen und kulturellen Dienstleistungen ist  die Wahrscheinlichkeit dagegen vergleichsweise gering, dass die beruflichen Tätigkeiten demnächst von Computern erledigt werden. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die am Montag veröffentlicht wurde.

Insgesamt sind 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland dem Risiko ausgesetzt, dass innerhalb ihres Berufs mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen übernommen werden könnten.

Der größte Teil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, etwa 45 Prozent, arbeitet in Berufen mit einer mittleren Substituierbarkeit. Das heißt, dass zwischen 30 und 70 Prozent der Tätigkeiten eines Berufs potenziell durch Computer erledigt werden können.

Bei 40 Prozent der Berufe können der IAB-Studie zufolge weniger als 30 Prozent der Tätigkeiten innerhalb des jeweiligen Berufs automatisiert werden. Darunter fallen mit einem Anteil von acht Prozent auch die Beschäftigten in Berufen, die keine Tätigkeiten aufweisen, die durch Computer ersetzbar sind.

Die Anteile der Tätigkeiten, die innerhalb eines Berufs bereits heute potenziell durch den Einsatz von Computern oder computergestützten Maschinen ersetzt werden könnten, wurden anhand der Tätigkeitsbeschreibungen in der Datenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit berechnet. Es sei aber nicht anzunehmen, dass dies in vollem Umfang geschehen werde, betonen die IAB-Forscherinnen Katharina Dengler und Britta Matthes. So können beispielsweise Kostengründe oder rechtliche Hürden dazu führen, dass nur ein Teil des technisch möglichen Automatisierungspotenzials ausgeschöpft wird.

Die Studie zeigt auch, dass Bildung und Qualifikation erst ab einem bestimmten Punkt dem Risiko entgegenwirken, dass berufliche Tätigkeiten von Computern übernommen werden könnten. So weisen Helferberufe, für die typischerweise keine berufliche Ausbildung erforderlich ist, mit 45 Prozent ein etwa gleich hohes Substituierbarkeitspotenzial auf wie Fachkraftberufe, für die eine mindestens zweijährige Ausbildung absolviert werden muss. Dagegen ist bei Berufen, für die man eine Meister- oder Technikerqualifikation braucht, das Substituierbarkeitspotenzial mit rund 30 Prozent deutlich geringer. Bei Berufen, für die mindestens ein vierjähriges Hochschulstudium erforderlich ist, liegt das Substituierbarkeitspotenzial bei weniger als 20 Prozent.

Definition des Substituierbarkeitspotenzials

Katharina Dengler
Katharina Dengler

Das Substituierbarkeitspotenzial sagt etwas darüber aus, in welchem Ausmaß Berufe gegenwärtig potenziell durch den Einsatz von Computern oder computergesteuerten Maschinen ersetzt werden könnten. Es wird für jeden Beruf durch den Anteil der Tätigkeiten bestimmt, der schon heute von Computern oder computergesteuerten Maschinen nach programmierbaren Regeln erledigt werden könnte. So können Tätigkeiten wie „Sortieren von Produkten“ oder „Berechnen“ bereits heute potenziell von Computern übernommen werden, während Tätigkeiten wie „Managen“ oder „Beraten“ lediglich unterstützt, aber nicht ersetzt werden können. Das Substituierbarkeitspotenzial konzentriert sich nur auf die technische Machbarkeit, Tätigkeiten durch Computer oder  computergesteuerte Maschinen zu ersetzen. Rechtliche und ethische Hürden aber auch kostentechnische Gründe werden nicht berücksichtigt. Tätigkeiten, die Computer eventuell zukünftig übernehmen könnten, bei denen es derzeit jedoch noch technische Hürden für einen serienmäßigen Einsatz in Deutschland gibt, gelten als (noch) nicht durch Computer ersetzbar. So gilt – trotz selbstfahrender LKWs und PKWs – das Führen eines Fahrzeuges als derzeit noch nicht durch Computer ersetzbar, weil diese gegenwärtig nur teilautonom, zu Testzwecken und nur auf bestimmten Strecken zum Einsatz kommen können. Vor allem in unvorhersehbaren und unübersichtlichen Verkehrssituationen – wie Baustellen oder Unfällen – sind die technischen Fahrassistenzsysteme noch nicht in der Lage, angemessen zu reagieren. Ähnliches gilt für Pflegeroboter in Deutschland. So lange die technischen Probleme nicht gelöst sind, gilt auch die Pflegetätigkeit in Deutschland als nicht von Computern ersetzbar. Nähere Einzelheiten finden sich in unserem zeitgleich erschienenen IAB-Forschungsbericht, der online verfügbar ist (Dengler/Matthes 2015).

 

Insgesamt sprächen die Ergebnisse dafür, dass die Befürchtungen eines massiven Beschäftigungsabbaus im Zuge der Digitalisierung derzeit unbegründet seien, erläutern Dengler und Matthes. Es würden keineswegs nur Tätigkeiten wegfallen, sondern auch neue entstehen. In der Gesamtbilanz könnte es daher sogar einen positiven Beschäftigungseffekt geben.

Innerhalb der Berufe werde es aber große Umbrüche geben. Entscheidend sei daher, Ausbildungen so zu gestalten, dass alle Auszubildenden mit den neuesten technologischen Innovationen in ihrem Beruf vertraut gemacht werden. „Um das Wissen und Können auf dem neuesten technologischen Stand zu halten, wird (Weiter-)Bildung immer wichtiger – nicht nur für Geringqualifizierte, sondern auch für Fachkräfte“, schreiben die Forscherinnen.

Die IAB-Studie ist im Internet abrufbar unter http://doku.iab.de/kurzber/2015/kb2415.pdf (Kurzbericht) bzw. http://doku.iab.de/forschungsbericht/2015/fb1115.pdf (ausführlicher Forschungsbericht).

 

 

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
Pressestelle: Wolfgang Braun, Miriam Dreschel, Sophia Koenen
Weddigenstraße 20-22, 90478 Nürnberg
Telefon (0911) 179-1946
E-Mail presse@iab.de

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