Bewerberberater Gerhard Winkler: Innere Bewegung
Von Gerhard Winkler, jova-nova.com
Innere Bewegung
Am Ende Ihres tabellarischen Lebenslaufs werden Sie persönlich. Sie schreiben:
„Was mich bewegt
Menschen, ihre Vielfalt und ihr Potential. Ich freue mich über Offenheit und Authentizität.
Wertschätzung ist mir eine Herzensangelegenheit, Einfühlungsvermögen mein natürliches Talent.“
– Ich fürchte, dieses Statement ist weder bewegend noch irgendwie erregend.
Ich erkläre Ihnen, warum.
Ihr Berufsziel ist doch Kommunikationsexpertin.
Na klar, dass Sie da keine Bienen im Blindflug trainieren, sondern Menschen.
Ebenso klar, dass eine wesentliche Voraussetzung für Ihren Job die menschliche Vielfalt ist – gegen Einfalt schult auch die beste Kommunikationsexpertin vergebens an.
Gebongt ist auch, dass alle diese so wunderbar unterschiedlich getakteten Menschen ein Potential aufweisen. Wo die Einfalt ihren Mangel an Mitteln und Fähigkeiten verwaltet, da findet auch der didaktisch versierte Kommunikationsguru nicht viel zu entwickeln.
Halten wir fest: Sie sind von den wesentlichen und notwendigen Voraussetzungen Ihres Jobs bewegt. Ja, was würden Sie denn eigentlich schreiben, wenn Sie Müllfrau wären?
Etwa:
Was mich bewegt – Müll, seine Vielfalt und sein Potential.
Na, dann bewegen wir mal die Tonne, liebe Kollegin.
Als nächstes freuen Sie sich ostentativ über Offenheit und Authentizität.
Ostentativ meint geflissentlich, gewollt, betont und bemüht. Eine deutliche Haltung, wie sie etwa eine Landesmutter, eine Diskussionsleiterin oder eine Klassenlehrerin nachdrücklich von ihren Schäflein einfordern, wenn sie auf Offenheit und Authentizität in der Rede insistieren.
Offenheit und Authentizität, – immer die beste Einstellung, wenn man unterwegs auf einem Kirchentag mit Repräsentanten der menschlichen Vielfalt in ihrer potentialgesättigten Offenheit und Authentizität ins Gespräch kommt.
Ich freue mich gern mit ihnen darüber, dass Offenheit und Authentizität Ihnen so viel Freude macht. Ich wette aber um den gemittelten Stundensatz der ersten zehn von Google gelisteten Kommunikationsexperten: Noch mehr freuen wir uns beide, wenn wir als Kommunikationsexperten (in spe) auf verschlossene und unauthentische Menschen treffen. Da nämlich ist Beratungsbedarf angesagt!
Eine andere Frage wäre, ob Sie über die Bedingungen, Implikationen und Grenzen von Offenheit und Authentizität schon einmal nachgedacht haben, insbesondere, ob diese Kommunikationsweisen dem Sprecher in allen Lebens- und Verhandllungslagen eitel Freude bringen. Egal, Sie betonen:
Wertschätzung ist mir eine Herzensangelegenheit.
Einmal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wer hier wen genau herzensmäßig wertschätzen soll (Sie selbst die Klienten oder die Klienten eher Sie): Als Klient, Kunde, Kollege, Lernpartner wäre es mir völlig gleich, ob Sie eine im Berufsleben standardmäßig zu erbringende Leistung (nämlich Respekt) mir gegenüber aus ganzem Herzen oder nur mit in diversen Sales-Trainings angeeigneter, herzloser Routine erbringen. Hauptsache, Sie lächeln und Sie haben eine Antenne für das, was ich brauche.
Sind wir schon fertig? Es kommt noch das dünne Ende:
Einfühlungsvermögen mein natürliches Talent.
Als Kommunikationsliebhaber liebe ich Ellipsen! Auslassungssätze haben enorm Potential. Da will ich nicht stänkern und behaupten, dass Jobanbieter auf Sätze ohne Verb schauen wie der Hund auf das Brötchen. Wo ist bloß der Schinken?
Einfühlungsvermögen wurde Ihnen quasi in die Wiege gelegt. Da sollten wir miteinander reden. Wie 100 % aller Kommunikationsexperten finde ich, dass 95 % der Kommmunikationspartner jegliche Empathie vermissen lassen. Andererseits sind die verbleibenden 5 % mit ihrer Dauer-Einfühlung schon nervig genug.
Sie wissen doch so gut wie ich:Einfühlungsvermögen ist ein distinktives Merkmal bestimmter Berufsangehöriger. Key Account Manager haben das, Zahnprophylaxe-Assistenten sollten das haben, und wenn unsere Hautärztin das nicht hat, dann zeigen wir ihr auch nicht diese ominöse Stelle.
Ohne Verständnis für den Kunden kein Sales-Erfolg. Ohne Empathie-Vermögen scheitert jedes pädagogische Bemühen. Ohne Erkennen des Klienten kein Erfolg als Bewerbungshelfer. Warum betonen Sie dann eine Qualität, die Sie mit allen Befähigten unter Ihren Mitbewerbern teilen, die sich aus Ihren im Lebenslauf notierten Leistungen immer locker ableiten lässt, und auf die zu verweisen, letztendlich den Verdacht aufkommen lässt, dass sich hier jemand ohne Not komplett selbst entäußert?
Schauen wir uns doch das genau an, womit Sie kommunizieren:
Menschen, Vielfalt, Potential sind Abstrakta.
Offenheit, Authentizität, Wertschätzung, Einfühlungsvermögen sind Kommunikationsideale.
Sie schreiben sich damit eine Haltung zu und verleihen sich bestimmte, positiv besetzte Wesensmerkmale. Wenn das alles so richtig wahr ist, was Sie da so generös von sich behaupten, dann sind Sie wahrlich ein herzensguter Mensch, erfüllt von besten Absichten, beseelt von einer besonders passenden mentalen Ausstattung.
Diejenigen, die eine Kommunikationsexpertin anstellen, suchen allerdings keinen Engel, sondern jemanden, der die Ansprache und Gewinnung von Zielgruppen, die Informations- und Vertrauensarbeit, kurzum die erfolgreiche geschäftliche Kommunikation zu seinem Beruf gemacht hat.
Und genau auf solche im Ungefähren verharrende Innerlichkeitsbekundungen wie der Ihren reagieren Jobanbieter nicht begeistert, sondern somatisch. Mit Hautausschlag und Bluthochdruck.
Beachten Sie bitte: Kommunikation mit den falschen Wirkstoffen und in zu hoher Dosierung hat gerade für innerlich besonders bewegte Bewerber fatale Nebenwirkungen. Notieren Sie deshalb nur dann persönliche Bemerkungen bestmenschlicher Art, wenn die Produktion solcher Sprüche ausdrücklich in der Jobbeschreibung verlangt wird.
Gerhard Winkler
J O V A – N O V A . C O M
Gerhard Winkler
Parkstraße 5a
15366 Neuenhagen bei Berlin
+49 170 8138311
gwinkler@jova-nova.com