Gerade geringqualifizierte Beschäftigte sehen bei der beruflichen Weiterbildung viele Hürden
Ein Beitrag von Christopher Osiander und Gesine Stephan
Berufliche Weiterbildung ist in einer Arbeitswelt, die sich rapide wandelt, wichtiger denn je. Ausgerechnet Menschen ohne Berufsabschluss drohen hier weiter ins Hintertreffen zu geraten. Denn gerade sie befürchten nach den Ergebnissen einer IAB-Befragung, dass sich Weiterbildung für sie nicht auszahlt. Zudem geben zwei Drittel von ihnen an, dass sie das Lernen nicht mehr gewohnt seien.
Berufliche Weiterbildung gehört für viele Beschäftigte zum Arbeitsalltag – keineswegs aber für alle. Denn nicht allen werden tatsächlich konkrete Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Teils fehlen ihnen die entsprechenden Informationen. Und teils können oder wollen Beschäftigte nicht an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen – zum Beispiel, weil sie Kinder betreuen müssen, Zweifel haben, ob sich Weiterbildung für sie lohnt, oder weil sie das Lernen nach eigener Einschätzung nicht mehr gewohnt sind.Genaueren Aufschluss darüber bietet eine im Oktober 2017 durchgeführte Online-Befragung von 800 Erwerbstätigen, deren Ergebnisse als IAB-Discussion Paper 4/2018 publiziert wurden. Die Befragung ist nicht repräsentativ, da geringqualifizierte und ältere Personen bei den Befragten überrepräsentiert waren. Sie macht dennoch deutlich, dass der Informationsstand über berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten ebenso wie die Weiterbildungsbereitschaft der Befragten insbesondere mit deren Qualifikationsniveau variiert.
Höherqualifizierte sind besser über Beratungs- und Weiterbildungsangebote informiert
Um den Informationsstand der Befragten zu ermitteln, wurde unter anderem die folgende Frage gestellt: „In jüngster Zeit gibt es verstärkte Anstrengungen von verschiedenen Einrichtungen, Beratung zu Weiterbildungsthemen anzubieten. Kennen Sie Beratungsangebote zu beruflicher Weiterbildung, zum Beispiel von der Bundesagentur für Arbeit, den Handwerkskammern, den Industrie- und Handelskammern oder anderen Einrichtungen?“.
26 Prozent der formal Geringqualifizierten, Personen also, die nach eigenen Angaben keinen beruflichen Abschluss besitzen, bejahten diese Frage. Das waren deutlich weniger als in den anderen Gruppen. So kannten beispielsweise 35 Prozent der Befragten mit einer Berufsausbildung entsprechende Angebote, bei den Befragten mit Meister-, Techniker- oder Hochschulabschluss waren es mehr als 40 Prozent. Im Durchschnitt aller Befragten zeigten sich knapp 40 Prozent über Beratungs- und Weiterbildungsangebote informiert.
Weniger als ein Fünftel hat eine Beratung in Anspruch genommen
Weniger als 20 Prozent aller Befragten haben eine solche Beratung schon einmal in Anspruch genommen – und zwar relativ unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation. Von denjenigen, die eine Beratung in Anspruch genommen hatten, gab nur gut die Hälfte an, dass sie diese als hilfreich empfand. Von denjenigen, die solche Beratungsangebote nach eigenen Angaben kannten, aber noch nicht in Anspruch genommen hatten, fand es ein knappes Viertel hilfreich, dies zu tun.
Insgesamt fühlten sich knapp 40 Prozent der Befragten ausreichend über berufliche Weiterbildungsangebote informiert. Dies hängt erwartungsgemäß auch von der Kenntnis der Beratungsangebote ab: Personen, die entsprechende Angebote kannten, fühlten sich in 55 Prozent der Fälle ausreichend informiert. Für diejenigen, die keine Kenntnis von Beratungsangeboten hatten, galt dies nur für gut 25 Prozent. Insgesamt fühlten sich Personen ohne berufliche Ausbildung am schlechtesten – nämlich nur in etwa 30 Prozent der Fälle – ausreichend informiert.
Die Teilnehmenden wurden außerdem gefragt, ob sie innerhalb der letzten sechs Monate konkret überlegt hätten, an einer beruflichen Weiterbildung teilzunehmen. Hier war der Anteil der Geringqualifizierten mit 22 Prozent ebenfalls am niedrigsten. Bei Beschäftigten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung gaben 37 Prozent an, in letzter Zeit solche Überlegungen angestellt zu haben, bei solchen mit Meister-, Techniker- oder Hochschulstudium waren es etwa 50 Prozent.
Weiterbildungshemmnisse sind vielfältig
Die Befragten wurden darüber hinaus nach den Gründen gefragt, die einer beruflichen Weiterbildung entgegenstehen könnten (siehe Abbildung). Die Frage lautete: „Generell gibt es verschiedene Gründe, die gegen eine berufliche Weiterbildung sprechen können. Wenn Sie an berufliche Weiterbildung denken: Bitte geben Sie bei jeder Aussage an, ob diese auf Sie persönlich zutrifft.“ (die Ergebnisse einer ähnlichen Umfrage unter Arbeitslosen statt Beschäftigten wurden im IAB-Kurzbericht 14/2014 publiziert).
Während die Befragten im Durchschnitt knapp zwei Hinderungsgründe nannten, waren es bei Beschäftigten ohne Berufsausbildung fast drei, bei denen mit Hochschulabschluss im Mittel nur einer. Trotz der vergleichsweise niedrigen Anzahl an Befragten sind die Unterschiede zwischen den drei Gruppen in diesem Punkt statistisch hochsignifikant.
Ähnliche Ergebnisse zeigen sich, wenn man die Befragten nach ihrem Schulabschluss unterscheidet: Erwerbstätige mit Hauptschulabschluss nannten mehr Hindernisse als solche mit Abitur. Beschäftigte mit höherem Haushaltseinkommen sahen sich ebenfalls weniger Hindernissen gegenüber als Geringverdiener.
Unsicherheit, ob sich eine Weiterbildung auszahlt
Knapp 40 Prozent aller Befragten scheuten nach eigenen Angaben eine Weiterbildung, weil ihnen niemand eine Garantie dafür geben könne, dass sich diese zukünftig für sie auszahlt. Etwa die Hälfte der Befragten ohne Berufsabschluss vertrat diese Meinung, aber nur knapp jeder fünfte Hochschulabsolvent mit Master oder Diplom. Um die Unsicherheit über finanzielle Erträge zu verringern, könnte es sinnvoll sein, wenn Personalverantwortliche in Betrieben die konkreten Vorteile, zum Beispiel erhöhte Jobsicherheit oder innerbetriebliche Entwicklungsmöglichkeiten, schon vorab mit den potenziellen Weiterbildungsteilnehmenden besprechen und konkretisieren.
Befürchtung, das Lernen nicht mehr gewohnt zu sein
Etwa 36 Prozent aller Befragten führten an, das Lernen nicht mehr gewohnt zu sein. Auch hier gibt es qualifikationsspezifische Unterschiede: Gut zwei Drittel der Beschäftigten ohne beruflichen Abschluss stimmten dieser Aussage zu, bei den Hochschulabsolventen mit Master oder Diplom waren es weniger als 20 Prozent. Es könnte deshalb für Betriebe sinnvoll sein zu eruieren, auf welche ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies zutrifft, und diese dabei zu unterstützen, solche Vorbehalte gegenüber einer beruflichen Weiterbildung abzubauen.
Einschätzung, bereits ausreichend qualifiziert zu sein
Ein knappes Drittel aller Befragten hielt sich nach eigenen Angaben bereits für ausreichend qualifiziert. Hier gibt es zumindest moderate qualifikationsspezifische Unterschiede: Ein Drittel der Geringqualifizierten, aber nur ein knappes Viertel der Hochschulabsolventen stimmte dem zu. Das verweist auf die auch in anderen Untersuchungen vielfach diskutierte Problematik, dass gerade geringqualifizierte Personen, für die eine Weiterbildung besonders sinnvoll sein könnte, sich dessen am wenigsten bewusst sind.
Auch zwischen den älteren und jüngeren Befragten fielen die Antworten etwas unterschiedlich aus: Während sich fast 40 Prozent der über 50-Jährigen für ausreichend qualifiziert hielten, traf dies nur für 30 Prozent der Jüngeren zu.
Zeitliche Probleme wegen Kindern oder Pflege
Ebenfalls rund 30 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie wegen der Erziehung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen keine Zeit für eine Weiterbildung hätten. Dies ist – wenig überraschend – bei Älteren mit 19 Prozent seltener der Fall als bei Jüngeren mit 37 Prozent. Denn bei vielen Menschen über 50 dürfte die Betreuung von Kindern im Haushalt keine größere Rolle mehr spielen.
Frauen gaben in 36 Prozent der Fälle an, dass sie ihre Betreuungspflichten so in Anspruch nähmen, dass sie keine Zeit für eine berufliche Weiterbildung hätten. Bei Männern waren es 26 Prozent. Hier gilt es, verstärkt solche Weiterbildungen anzubieten, die auch für Beschäftigte mit kleinen Kindern, die häufig in Teilzeit arbeiten, machbar sind.
Nach eigenen Angaben genug gelernt
Ein knappes Viertel aller Befragten gab zudem an, genug gelernt zu haben und nicht immer etwas Neues anfangen zu wollen. Das war bei Älteren mit 31 Prozent etwas häufiger der Fall als bei Jüngeren mit 22 Prozent. Bei den Geringqualifizierten stimmten 29 Prozent dieser Aussage zu, bei den Hochschulabsolventen 11 Prozent.
Seltener wurden schlechte Erfahrungen mit Ausbildern oder Lehrern oder das Fehlen passender Weiterbildungsangebote als Gründe gegen eine Weiterbildung genannt.
Fazit
Der Anteil der befragten Beschäftigten, die Beratungsangebote zur beruflichen Weiterbildung kennen, steigt mit dem Ausbildungsniveau – nicht jedoch der Anteil derjenigen, die eine entsprechende Beratung schon einmal in Anspruch genommen haben. Etwa die Hälfte der beratenen Personen empfand die Beratung als hilfreich. Dies legt nahe, dass bei manchen Beratungsangeboten noch Verbesserungspotenziale bestehen.
Die Gründe, aus denen Beschäftigte nicht an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können oder wollen, sind vielfältig. Dabei sehen Geringqualifizierte im Schnitt mehr Hinderungsgründe als Höherqualifizierte. Hierzu gehört insbesondere die Unsicherheit darüber, ob sich eine Weiterbildung für sie auszahlt. Mit klaren, frühzeitigen Absprachen über die konkreten Vorteile und Konsequenzen einer Weiterbildungsteilnahme können Arbeitgeber dieser Unsicherheit entgegenwirken.
Andere oft genannte Hemmnisse sind die Befürchtung, das Lernen nicht mehr gewohnt zu sein, die Einschätzung, bereits ausreichend qualifiziert zu sein, und zeitliche Engpässe wegen der Betreuung von Kindern oder anderen Angehörigen. Um diese Hindernisse zu überwinden, bedarf es jeweils passgenauer Strategien und Weiterbildungsangebote.
Literatur
Dietz, Martin; Osiander, Christopher (2014): Weiterbildung bei Arbeitslosen: Finanzielle Aspekte sind nicht zu unterschätzen. IAB-Kurzbericht Nr. 14.
Osiander, Christopher; Stephan, Gesine (2018): Unter welchen Bedingungen würden sich Beschäftigte weiterbilden? Ergebnisse eines faktoriellen Surveys. IAB-Discussion Paper Nr. 4.