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Neue Aussichten für eine alte Bekannte

Stellenanzeigen haben im Recruiting nicht ausgedient
Foto: Clem Onojeghuo

Haben Stellenanzeigen im Digitalzeitalter ausgedient? Mitnichten, sie sieht heute nur anders aus. Und kommt nicht mehr einfach über die klassischen Kanäle. Der Markt diskutiert über neue Wege zum Bewerber – und muss sich mit den Folgen des Markteintritts von Google auseinandersetzen. Denn am Ende ist die Frage entscheidend, wie die Stellenanzeige zu den passenden Bewerbern findet – oder umgekehrt.

Die Cashcow ist tot. Wer erinnert sich nicht noch an die dicken Wochenend-Ausgaben der Tageszeitungen in längst vergangenen Jahrzehnten? Ein Markt, der schon Anfang der 2000er Jahre implodierte, weil das aufkommende Internet alles direkter, schneller und komfortabler machte. Wer einen Job suchte, schaute fortan kaum noch in die Zeitung – höchstens die hochqualifizierte Klientel noch als zusätzliche Option in die Stellenmärkte der „Süddeutschen“ oder der „FAZ“.

Denn: Das Internet bot plötzlich mit Online-Jobbörsen, Karriereportalen von Unternehmen oder den aufkommenden sozialen Netzwerken einen viel unmittelbareren Überblick – vom Suchkomfort ganz zu schweigen. Aber auch das Recruiting profitierte: Ausschreibungen gingen online einfach schneller, ließen sich reichweitenstärker platzieren und besser messen. Das funktionierte gut über 15 Jahre lang. Und jetzt? Jetzt sortiert sich der Markt wieder neu. Google4Jobs verknüpft die Stellensuche direkt mit den Ergebnislisten zu Suchanfragen und setzt en passant ein neues Raster für Stellenanzeigen. Neue digitale Lösungen wie Programmatic Job Advertising platzieren Inserate nach Zielgruppen-Merkmalen und erlauben einen hohen Grad an Individualisierung. Und ohne Direktansprache von Kandidaten – Stichwort: Active Sourcing – sind knappe Job-Profile (fast) gar nicht mehr zu besetzen. „Pray“ ist schon lange out. Und „Post“ durchläuft die nächste Metamorphose.

Recruiting muss neue Wege gehen

Fakt ist: Das moderne Recruiting hat mit der Stellenanzeige von vor einigen Jahren nichts mehr zu tun. Vielmehr geht es für die Personalmarketing-Verantwortlichen heute darum, mit den digitalen Möglichkeiten Schritt zu halten, um dem Fachkräftemangel und der Konkurrenz durch andere Betriebe erfolgreich zu begegnen.

Und die Stellenanzeige? Sie hat noch längst nicht ausgedient – im Gegenteil. Unangefochtene Nummer eins im Ranking der beliebtesten Recruiting-Tools sei nach wie vor das Schalten von Stellenanzeigen auf Internetstellenbörsen und der eigenen Karriere-Homepage, sagt Tim Weitzel, Experte für Electronic Human Resources Management und Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg. Er zeichnet gemeinsam mit der Stellenbörse Monster für die Studien-Serien Recruiting Trends und Bewerberpraxis verantwortlich. Folgt man den Erkenntnissen der aktuellen Ausgabe, suchen Kandidaten am liebsten auf Internetstellenbörsen nach einem neuen Job. Sieben von zehn statten ihnen häufig einen Besuch ab, um nach einer Stelle Ausschau zu halten. 23,4 Prozent geben an, ihren Job darüber gefunden zu haben.

Bewegtbild wertet Stellenanzeigen auf

„Aus diesem Grund ist es wichtig für Unternehmen, sich aufmerksamkeitsstark zu präsentieren, zum Beispiel mit dynamischen Elementen wie Videos“, so Weitzel. Sie werden seiner Ansicht nach in fünf Jahren doppelt so wichtig sein wie heute. Schon jetzt zögen Jobinserate, die ein Video enthalten, die Aufmerksamkeit insbesondere von jungen Talenten stärker auf sich als reine Textanzeigen. Vielleicht einfach deshalb, weil die Bewerber auf diese Weise authentische und glaubwürdige Eindrücke über den Job und das Unternehmen erhalten. Sie sehen, wie Mitarbeiter „ticken“ und blicken für ein, zwei Minuten hinter die Kulissen.

Fachbereichsangebote als schlagkräftige Alternative

Dennoch: Seit längerem schwelt schon eine Debatte über die Wirksamkeit von Jobinseraten im Markt. Tatsächlich prognostizieren manche Personaler der klassischen Stellenanzeige das baldige Ableben. Seit sich der Arbeitsmarkt zum Arbeitnehmermarkt gewandelt hat, eigne sie sich zur Personalbeschaffung immer weniger, sagt Frank Rechsteiner. Er ist Personalberater in München und schreibt regelmäßig auf blog.talentpro.de. Rechsteiner plädiert für Fachbereichsangebote. „In Stellenausschreibungen formulieren Arbeitgeber Forderungen an die Arbeitnehmer. Wer diese nicht erfüllen kann, bewirbt sich nicht, auch wenn er prinzipiell gut zum Unternehmen passen würde.“

Anstatt für freie Stellen nach dem geeigneten Bewerber zu suchen, sollte ein Unternehmen aus seiner Sicht seine Vorstellungen allgemeiner formulieren und auf ihren Karriereseiten breiter zugänglich machen. „Ein Fachbereichsangebot bündelt Informationen aus den einzelnen Teams und Fachabteilungen, die für Bewerber interessant sind. Ganz oben stehen die fachlichen und geschäftlichen Ziele, um die es in einem bestimmten Zeitraum geht.“ Die Bewerber erfahren auf diesem Weg, welche Kompetenzen und Erfahrungen der Fachbereich benötigt, um seine Ziele zu verwirklichen.

Eine noch größere Durchschlagskraft würden Bereichsangebote entfalten, so Rechsteiner, wenn sie Content- und Influencer-Recruiting-Elemente beinhalten. So verwenden immer mehr Arbeitgeber Blog-Posts, Infografiken, Videos, Studien, Experteninterviews und Gewinnspiele, um die Bewerber mit informierendem und unterhaltendem Content zu ködern.

„Beim Influencer Recruiting wirken die eigenen Mitarbeiter als Markenbotschafter und sprechen im Rahmen von Bildmotiven, Interviews oder Videos Empfehlungen für ihren Arbeitgeber aus. Werden auf diese Weise zum Beispiel positive Statements zur Familienfreundlichkeit eines Arbeitgebers abgegeben, wirkt dies glaubwürdiger als sämtliche Argumente beim Vorstellungsgespräch.“

Googles Markteintritt weckt gemischte Gefühle

Doch wo streut man die Angebote am besten? Geht es nach Rechsteiner, dann in Social-Media-Netzwerken wie Xing, LinkedIn, Facebook oder Twitter. Und zusätzlich natürlich in einschlägigen Jobbörsen und Jobsuchmaschinen, von denen es allein in Deutschland bereits mehr als 2.000 gibt. Da fällt natürlich mittlerweile auch der Name „Google for Jobs“ (Google4Jobs), das seit Mai 2019 eine optimierte Jobsuche im Rahmen der Google-Suche bietet.

Google4Jobs – oder kurz: G4J – ist keine Jobbörse, auf der man direkt Stellenanzeigen schalten kann. Es handelt sich vielmehr um eine Erweiterung der Google-Suche. Sucht man künftig also nach einem Job bei Google, erscheint in den Ergebnissen ein eigenes Fenster, ähnlich wie man es bereits von der Recherche bei Hotels oder Flugreisen gewohnt ist. Gibt ein Kandidat etwa die Begriffe „Marketing Manager, München“ ein, erscheint eine Vielzahl an Jobs in den Suchergebnissen von Google – zusammengefasst in der Suchbox.

Für die Ergebnisse durchsucht Google Jobportale und -plattformen, sowie Unternehmensseiten und führt die Inhalte der Stellenausschreibungen zusammen. Wichtige Voraussetzung: Die Anzeigen müssen in einem kompatiblen Schema aufbereitet und mit einem Mark-up gekennzeichnet sein. Zudem fließen die Arbeitgeberbewertungen eines Unternehmens bei Kununu, Glassdoor und Indeed in die Auflistung ein.

Dass sich die Mutter aller Suchmaschinen nun auch aktiv in den Recruitingmarkt einbringt, hat nicht überall zu Jubelstürmen geführt. Einige Anbieter haben eine Zusammenarbeit mit G4J verweigert und versehen ihre Anzeigen vorerst nicht mit dem Mark-up, das Daten für Google bereitstellt. Dazu gehören zum Beispiel StepStone und Indeed.

Personaler mit erstaunlichen Markteinschätzungen

Viele andere Jobportale reagieren ambivalent auf den Start von G4J: Monster hatte schon in den USA mit Google zusammengearbeitet und begrüßt auch in Deutschland den Start der neuen Suchmaschinenfunktion. 23 weitere europäische Stellenportale hingegen forderten jüngst eine EU-Untersuchung wegen vermeintlich „unfairer Praktiken“. Google würde die eigenen Ergebnisse immer oberhalb der organischen Suchergebnisse anzeigen. Große Aufregung.

Aktuelle Studien zeigen dagegen, dass das Thema G4J in Unternehmen noch nicht angekommen ist. Viel bedenklicher ist eine andere Entwicklung, die eine Untersuchung des Personalmarketing-Beraters Henner Knabenreich (Personalmarketing2null) zutage gefördert hat. Eine von ihm durchgeführte Schnell-Analyse der Dax-30-Unternehmen zeigt, dass diese in Sachen G4J nicht besonders gut vorbereitet sind. „60 Prozent haben ihre Hausaufgaben in Sachen Auffindbarkeit bisher sträflich vernachlässigt. Dabei hat jedes dieser Unternehmen im Schnitt mindestens 1.000 offene Stellen.“

Unverständlich, so der Recruiting-Experte aus Wiesbaden. „Wieder einmal ist man versucht, Ex-Personalvorstand Thomas Sattelberger zu zitieren, der Deutschlands Personalern eine Digitalkompetenz attestiert, die gegen null geht.“ Denn Stellenanzeigen an sich bleiben ein wichtiges Instrument der Personalkommunikation. Aber wenn sie nicht gefunden wird, haben Unternehmen ein Problem.

Quelle: Dieser Artikel ist der Ausgabe 1/2020 des blog.TALENTpro Magazins entnommen. www.talentpro.de/magazin

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